Drei Jungs wollen mit ihrem Unternehmen Coffee Circle vor allem eines bewirken: Äthiopische Spitzenkaffees verkaufen und den Kaffeebauern etwas vom Gewinn abgeben. Pro verkaufter Packung geht jeweils ein Euro in gemeinnützige Projekte in den Dörfern der Kaffeebauern. Hier schildern sie nun die Jagd nach den besten Bohnen.
Fotos: Johannes Breyer
DAS ZIEL VON Coffee Circle ist es, ausgewählte Spitzenkaffees zu verkaufen und gleichzeitig die Kaffeekonsumenten in das Ursprungsland des Kaffees mitzunehmen. Hochtrabend bezeichnen sich die jungen Gründer des Unternehmens als Pioniere eines neuen, kooperativen Handelskonzepts: Coffee Circle kauft direkt in Äthiopien, in den Ursprungsregionen der besten Kaffees ein und verkauft diese ausgewählten Sorten online. Die Kaffeebauern verkaufen mit diesen aromatischen Bohnen auch ihre jahrhundertealte Erfahrung mit dem Anbau der besten Bohnen. Coffee Circle wiederum reinvestiert einen Euro pro Kilogramm verkauften Kaffees in Aufbauprojekte in den Dörfern der Kaffeebauern. Diesen Kreislauf – vom Einkauf des Kaffees bis zur Umsetzung eines Projektes – haben die drei Gründer zum ersten Mal während ihrer letzten Äthiopienreise im Februar 2011 mit der Grabung eines Trinkwasserbrunnens geschlossen.
Hier nun ein Bericht von der Jagd nach den besten Kaffees der Ernte 2010/2011 und von der Verwirklichung eines ersten Entwicklungsprojekts bei den Kaffeebauern von Ilketunjo.
ANKUNFT IN ADDIS ABEBA
Wir starteten vom vertrauten Berliner Flughafen Tegel mit seinem 60er-Jahre- Charme, hatten einige Stunden Zwischenstopp auf dem opulent orientalischen Flughafen in Istanbul und landeten schließlich um 1 Uhr nachts in Addis Abeba. Vor dem modernen gläsernen Flughafengebäude empfing uns ein wohlbekannter würziger Geruch, der die Luft über der Stadt erfüllt. Er stammt vom Rauch des verbrannten Eukalyptusholzes, der aus tausenden Kochstellen aufsteigt. Addis Abeba bedeutet „neue Blume“, doch diese Mischung aus Abgasen und Rauch, die in der Luft liegt, hat wenig mit Blütenduft gemein.Die Landeshauptstadt besteht aus einer unendlichen Ansammlung von Wellblechhütten und halbfertigen Bürohauskomplexen, die von abenteuerlich verknoteten Holzstangen eingerüstet sind und scheinbar nie fertiggestellt werden. Armut und Visionen, Elend und Freude liegen hier untrennbar beisammen – und in allem steckt eine unglaubliche Vitalität; so viele lachende Gesichter wie hier an einem einzigen Tag bekommt man bei uns in einem Monat nicht zu sehen! Die fremden Gerüche, das äthiopische Essen, die vielen Menschen auf den Straßen, die unglaublichen Kaffees und die Aufregung etwas ganz „Besonderes“ vorzuhaben tun ihr Übriges, um uns diesen Moloch trotzdem wunderschön erscheinen zu lassen.
FRÜHLING IN ÄTHIOPIEN IST DIE KAFFEEZEIT
Im Januar und Februar gehen wir auf die Suche nach den besten, außergewöhnlichsten und aromatischsten Kaffees der neuen Ernte. Die Bohnen sind ab Oktober reif. Jetzt, zu Jahresbeginn, sind die Lagerhallen der Kaffee-Kooperativen prall gefüllt. Die meisten Händler kaufen über die ECX (Ethiopian Commodity Exchange) ein. So ist aber nicht nachvollziehbar, wo der Kaffee angebaut wurde, einzig die Region ist bekannt, weitere wichtige Differenzierungen innerhalb der Region gehen verloren. Ein befreundeter amerikanischer Kaffeespezialitätenhändler hat das damit einhergehende Problem gut beschrieben: „Es gibt ja in Bordeaux auch nicht nur den einen Bordeaux-Wein, sondern mehrere Lagen mit komplett unterschiedlicher Qualität.“ Uns ist jedoch die Herkunftstransparenz besonders wichtig: Wir kaufen vor Ort, knüpfen Kontakt mit der Kooperative und erfahren wesentlich mehr über unseren Kaffee.
DIE AUSWAHL DER KAFFEES AM CUPPING-TISCH
Gleich am zweiten Tag in Äthiopien haben wir am Cupping Table die besten Kaffees der aktuellen Ernte ausgewählt. Der Cupping-Raum erinnert an ein Labor, die weißen Armaturen tun ein Übriges dazu, die technische Atmosphäre zu verstärken. Eines ist klar: Hier wird Kaffee sehr ernst genommen. Am ersten Tag verkosten wir 21 ausgewählte Kaffees aus unterschiedlichen Kooperativen in den Regionen Limu und Yirgacheffe. Wir stehen mit unseren heimlichen Vorbildern Aleco von Stumptown Coffee Roasters aus Portland und Tom von Sweet Maria’s aus Oakland, Kalifornien, in direktem Wettbewerb – denn wir alle sind auf der Suche nach dem Besten unter den Besonderen. Nicht schlecht für ein noch sehr junges Unternehmen, sich unter solchen Konkurrenten zu wissen! „Cuppen“ ist Präzision und Konzentration, denn es gilt, eine Vielzahl von Regeln einzuhalten, um die Kaffees objektiv beurteilen zu können. Zunächst werden die Kaffeebohnen frisch geröstet – selbst hier in Äthiopien ist es ein Röster von Probat. Nach neun Minuten haben sie den optimalen Röstgrad erreicht. Mit der Laborwaage werden die Bohnen gewogen und in der Mühle (selbstverständlich von Mahlkönig) zerkleinert. Um ein objektives Bild zu erhalten und eventuell nur einmalig auftretende Defekte identifizieren zu können, wird das Kaffeemehl einer Sorte auf drei Tassen verteilt und mit heißem Wasser aufgefüllt. An der Oberfläche bildet sich eine Kruste aus Kaffeemehl. Nach einer Wartezeit von vier Minuten starten wir mit dem eigentlichen Verkosten. Die Kruste wird aufgebrochen und der austretende Geruch genau registriert. Nach dem Abschöpfen des Kaffeemehls folgt die Geschmacksverkostung. Unter lautem Schlürfen werden die Kaffees mit viel Luft in den Rachen gezogen. Wir verkosten unsere Kaffees natürlich blind, um nicht voreingenommen zu sein, und vergleichen erst zum Schluss unsere zunächst individuell erstellten Notizen. Von den acht Kooperativen aus der Region Yirgacheffe kann uns in diesem Jahr kein Kaffee vollständig überzeugen. Die typisch fruchtigen Noten sind nicht so stark ausgeprägt, wie wir das gerne hätten. Das bedeutet auch, dass wir in der Ernte 2011 keinen Yirgacheffe anbieten werden. Die Limu-Kaffees der Ernte 2010 hingegen sind außergewöhnlich: blumig, süß und auch mit der für Ostafrika typischen, pointierten Säure. In einem zweiten Durchgang in der folgenden Woche entscheiden wir uns, wie auch schon 2010, für den Limu aus der Kooperative Ilketunjo. In einem dritten Termin probieren wir noch mehr Kaffees, um noch einen weiteren Kaffee anbieten zu können. Kaffees aus verschiedenen Kooperativen in den Regionen Kaffa, Ilubabor, Nekemte und Sidamo stehen zur Auswahl. Einer der letzten Kaffees, die wir probiert haben, ist eine Entdeckung und kann uns voll für sich einnehmen: Der Sidamo aus der Kooperative Kilenso Ressa mit starken Zitrusnoten und einem ausgeprägten Körper hat das Rennen klar für sich entschieden. Nach der Auswahl der Kaffees machen wir uns auf den Weg und besuchen die Kooperativen Ilketunjo (Limu-Kaffee) und Kilenso Ressa (Sidamo-Kaffee). Besonders die Rückkehr nach Ilketunjo werden wir nie vergessen.
HEIMKEHR NACH ILKETUNJO
Nach Abschluss der letzten Vorbereitungen in Addis Abeba brechen wir frühmorgens in Richtung der Provinzhauptstadt Jimma auf. Die Kooperative Ilketunjo selbst liegt eine gute Stunde von Jimma entfernt, auf 2.000 Metern Seehöhe. Nachdem wir die Vororte von Addis hinter uns gelassen haben, führt der erste Teil des Weges durch die wunderschöne Hochebene Äthiopiens. Regelmäßig passieren wir kleine Dörfer und müssen uns durch Kuhherden schlängeln. Die Geschäftigkeit auf der Straße und die Schlaglöcher veranlassen unseren Fahrer Solomon immer wieder zu kreativen Ausweichmanövern und überraschenden Vollbremsungen. Mit zunehmender Entfernung mischen sich Hügel und Berge in die Landschaft, der Weg wird kurvenreicher und sorgt für spektakuläre Ausblicke. Während der sechsstündigen Fahrt stillen wir unseren Hunger mit frischen Papayas von Händlern am Straßenrand und trinken in einem Dorf frischen Kaffee.
Am Abend in Jimma angekommen, fallen wir im wahrsten Sinn des Wortes gerädert ins Bett. Mit unserem Jeep machen wir uns am nächsten Morgen auf in Richtung Ilketunjo. Wir können die Rückkehr in die Kooperative kaum erwarten und werden von der Dorfgemeinschaft schon zur gemeinsamen Kaffeezeremonie erwartet. In ganz Äthiopien wird der Tagesablauf entlang der Kaffeezeremonie strukturiert. Morgens, mittags und abends kommen Familie und Freunde zusammen, um in einem genau festgelegten zeremoniellen Ablauf gemeinsam Kaffee zu trinken. Die grünen Bohnen werden frisch über glühenden Kohlen geröstet, anschließend in einem Mörser zerstampft und in einem Tongefäß (der sogenannten Jebanna) mehrmals aufgekocht. Dazu wird Weihrauch verbrannt sowie frisch zubereitetes Popcorn gereicht – eine seltsam anmutende Kombination, die man wohl selbst ausprobieren muss, um nachvollziehen zu können, wie gut das zusammenpasst. Gemeinsam mit beinahe hundert Einwohnern der Kooperative haben wir dann unseren Limu, der aus den – in Deutschland gerösteten – Bohnen der Kooperative besteht, getrunken. Um ehrlich zu sein ist unser Kaffee bei den Bauern nicht besonders gut angekommen. Dies liegt wohl daran, dass der Kaffee vor Ort komplett anders zubereitet wird. Die Bohnen sind dunkler geröstet und oft wird Kaffee auch noch mit Kardamom angereichert. Beim Besuch der Familie von Adia, einer Kaffeebäuerin, die wir bei unserem letzten Besuch kennengelernt hatten, kam dann, zum Erstaunen der Äthiopier, auch noch unsere French-Press zum Einsatz. Diese unsere Lieblingszubereitung ist auf vollständiges Unverständnis gestoßen! Der Kaffee sei zu dünnflüssig und wenn man keinen Zucker dazu nehmen müsse, dann stimme etwas nicht. Man argumentiert hier eben wie auch die Verfechter herber, italienischer Röstungen, die ohne Zucker nur mehr nach bitterer Medizin schmecken. Jedem das Seine – wir können ja auch niemanden zu unserem Kaffee zwingen. Neben dem Besuch war es unser Ziel, die ersten Projekte umzusetzen. Im Juni 2010 haben wir gemeinsam mit den Bauern den Mangel an der Trinkwasserversorgung und der Ausstattung der Schule mit Lehrbüchern identifiziert. Der Bau des Brunnens hatte schon vor unserer Ankunft begonnen. Zwei Männer wechselten sich beim Graben ab. Sie konnten innerhalb einer Woche auf Grundwasserniveau vordringen. Zuletzt wurde der Brunnen noch mit Beton eingefasst und eine Handpumpe installiert. Den Kindern dabei zuzuschauen, wie sie mit leuchtenden Augen die Hände unter das Wasser halten und das erste Mal Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, war ein unglaubliches Gefühl. Einerseits weil wir bereits jetzt den Menschen in Ilketunjo nachhaltig helfen konnten. Andererseits war uns aber auch plötzlich klar, dass mit diesem Brunnen der Kreislauf nun das erste Mal geschlossen wurde und wir mithilfe unserer Kunden in Zukunft noch eine Vielzahl weiterer Projekte umsetzten werden.