Südlich des Äquators zwischen Kenia im Norden und Sambia, Malawi und Mozambique im Süden liegt das Land Tansania. Im Westen grenzt Tansania an Uganda und an den Kongo. Im Osten öffnet es sich dem Indischen Ozean. Den Kilimandscharo kennt sicherlich jeder und die meisten von Ihnen haben schon einmal vom Victoriasee oder von Sansibar, der Gewürzinsel, gehört. Aber wussten Sie auch, dass die Tierwelt in Tansania zu den artenreichsten in Afrika zählt?
Tansania hat eine wechselvolle Geschichte, von der heute noch an der Küste vorhandene Ruinen aus dem 14. Jahrhundert zeugen. 1885 wurde die Kolonie mit dem Namen Deutsch-Ostafrika gegründet und Daressalam 1891 zur Hauptstadt ernannt. Die Ende des 19. Jahrhunderts eingewanderten Deutschen waren hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig, speziell im Norden und Nordosten des Landes. Heute leben in dem Land circa 48 Millionen Menschen, die alle fünf Jahre ihren Präsidenten wählen. Das Land ist mehr als doppelt so groß wie Deutschland.
Tansania ist immer noch sehr landwirtschaftlich geprägt und gehört zu den zwanzig größten Kaffeeanbauländern der Welt. Vor allem werden Coffea Arabica, aber auch Coffea Canephora angebaut. Die jährliche Durchschnittsproduktion der letzten zehn Jahre betrug circa 800.000 Säcke Rohkaffee à 60 Kilogramm. Missionare von der Insel La Rèunion führten um 1870 den Arabica-Kaffee als Varietät „Bourbon“ erstmals in Ostafrika ein. Der frühere Name der Insel La Rèunion prägte den Namen „Bourbon“ der von der alten Sorte Typica abstammenden Varietät. Der Kaffeeanbau konzentriert sich heute einerseits auf den Norden Tansanias um den Kilimandscharo und die Bergmassive des Ngorongoro-Krater in Höhenlagen von 1.500 bis 1.700 Meter. Doch auch im Süden in den Southern Highlands und im Westen Tansanias wird Kaffee angebaut. Die Bedingungen für den Kaffeeanbau sind geradezu ideal. Wasser, Wald und guter vulkanisch geprägter Boden sowie die ausgeglichenen Temperaturen bieten beste Voraussetzungen. Die Kaffeeproduktion in Tansania wird geprägt von Kleinbauern, die circa 90 Prozent der jährlichen Ernte einbringen. Der Verkaufspreis im Kaffeeanbau wurde nach der Unabhängigkeit zunächst staatlich bestimmt und über staatlich organisierte Stellen nur in einheimischer Währung ausgezahlt. Der Tansanische Schilling war nicht konvertierbar und bis das Geld eintraf, konnten Monate vergehen.
Die Farm Ngila Estate – von einem Deutschen namens Quellhorst in den 20er- Jahren gegründet – ist umgeben von unberührtem Nebelwald der Northern Highlands und liegt in etwa 1.600 Meter Höhe an den Hängen des Ngorongoro- Kraters circa 7 Kilometer von der kleinen Stadt Karatu entfernt. Ein Drittel des Farmlands ist immer noch Urwald und grenzt direkt an die Ngorongoro Conservation Area. Hier, noch auf unserem Land, beginnt das Reich der Tiere. Von dem angrenzenden Schutzgebiet geht es nahtlos über in die Serengeti. Wir haben die Kaffeefarm 1992 gekauft und waren begeistert von der herrlichen Landschaft, den „grünen Hügeln Afrikas“, die die Farm umrahmen. Die Nähe zu den Nationalparks hat uns allerdings zehn Jahre lang viele Schäden auf der Farm beschert. Tägliches Einsammeln von Tröpfchenschläuchen für die Bewässerung, die von Elefanten weit auf der Farm verteilt wurden, oder regelmäßiges Neupflanzen von Kaffeebäumen, nachdem Büffel und Elefanten beschlossen hatten, dort eine Badestelle einzurichten, haben uns dazu bewegt, die Kaffeepflanzen schließlich einzuzäunen. Seitdem teilen wir uns das Territorium gerecht mit den Tieren. Vor etwa zehn Jahren haben wir hinter unserem Haus einen Teich gegraben, versehen mit einer Wasserstelle für sauberes Wasser und einem Hochstand zur Beobachtung der Tiere. Wenn auch ursprünglich für Büffel und Elefanten gedacht, hat sich die Badestelle zu einem magischen Anziehungspunkt für Tiere aller Art entwickelt. Von Nilgänsen über Antilopen und Schweine bis Affen ist hier je nach Jahres- und Tageszeit reger Betrieb. Auch Dikdiks haben sich inzwischen auf der Farm eingerichtet. Diese kleinste Antilopenart fühlt sich hier ungestört von den großen Tieren. Das größte auf der Farm lebende wilde Tier, den Elefanten, haben wir zusammen mit der im Oktober violett blühenden Jacaranda- Allee und dem Berg des Kraters zu unserem Logo gewählt.
Ngila Estate liegt 4° südlich des Äquators. Das Klima ist tropisch und wird zwischen Oktober und April bestimmt durch kühle Nächte, warme Tage und zwei Regenzeiten. Bedingt durch diese zwei Regenzeiten blühen die Kaffeebäume mehrfach. Das durch den Berg zusätzlich beeinflusste Mikroklima führt dazu, dass der Kaffee in dieser Höhenlage von circa 1.600 Meter in acht Monaten langsam heranreift und seine charakteristischen Eigenschaften erhält. Die Ernte ist aber durch die Lage extrem schwierig. Möchte man Spezialitätenkaffee, so kommt das Pflücken der jeweils reifen Kirschen nur von Hand in Frage. Durch die Stagnation im tansanischen Kaffeeanbau blieben die alten Sorten auf der Farm erhalten. Die beispielsweise in Kenia in den 80er-Jahren auf Ertrag und Resistenzen gezüchteten Sorten wurden niemals auf Ngila angebaut. Als wir die Farm 1992 übernahmen, hatten die Kaffeebäume in den verschiedenen Blocks einen langen Dornröschen- schlaf hinter sich. Nachdem wir die Bäume von überwucherndem Unkraut befreit und zurückgeschnitten hatten, erwarteten wir 1994 gespannt die erste Ernte. Als unser damaliger Manager stolz die Nachricht schickte, er habe bereits eineinhalb Tonnen geerntet, glaubten wir nicht, dass dies der ganze Ertrag für ein Jahr sein sollte. Doch wir hatten Glück, viele gesunde Bäume der qualitativ hochwertigen Bourbon Varianten SL28 und SL34 in unserem Bestand zu haben. Diese aus Entwicklung und Forschung der berühmten Scott Laboratories in Kenia in den 30er-Jahren hervorgegangenen Varianten bringen keine großen Erträge, aber sie haben einen exzellenten Geschmack. Eine angenehme Säure und florale Noten erinnern an schwarze Johannisbeeren. Auf diesen Sorten haben wir den weiteren Ausbau der Farm begründet.
Die vorsichtige Modernisierung über die Jahre und die damit einhergehende Ausbildung unserer Angestellten war unser Ziel. Bestimmte Abläufe haben wir mechanisiert, um die Mitarbeiter für aufwändige und wichtige Arbeiten einzusetzen, die von Hand ausgeführt werden müssen. Dazu zählen das Zurückschneiden der Bäume und das Pflücken der reifen Kaffeekirschen. Auch das Monitoring der Bäume über das ganze Jahr nimmt viel Zeit in Anspruch und setzt eine gute Ausbildung, Erfahrung und Routine voraus. Heute arbeitet bereits die zweite Generation in vielen Positionen auf der Farm.
2007 kam die Elektrizität nach Karatu und irgendwann auch zu uns. Damit begann ein neues Zeitalter. Mit der Verlegung von Erdkabeln konnten wir den „Mastenwald“ auf der Farm verhindern. Die auf der Farm früher übliche Bewässerung über Gräben wurde auf eine sehr effiziente Tröpfchenbewässerung umgestellt. Die Pumpen mussten auf diese Weise auch nicht mehr länger mit Diesel betrieben werden. Der alte Pulper von 1930, den wir anfangs eingesetzt hatten, wurde durch einen viel effizienteren ECO-Pulper von Penagos, eine kolumbianische Entwicklung, ersetzt. Der Wasserverbrauch ist dadurch drastisch zurück- gegangen und die Qualität des Kaffees konnte deutlich verbessert werden.
Die Besitzerin der benachbarten Machare Farm, Frau Bente Luther Medoch, hat uns geholfen, die Qualität unserer Kaffees weiter auszubauen. Sie war es auch, die uns den Anstoß gab und die Angst nahm, die Zertifizierung nach den Rainforest Alliance Standards durchführen zu lassen. Unsere Farm besitzt dieses Zertifikat nun erfolgreich seit 2009.
Auch wenn wir in enger Zusammenarbeit mit den Pflückern genau darauf achten, wann die Kaffeekirschen reif zum Pflücken sind, kommt es immer wieder vor, dass uns die Tiere mit ihrem natürlichen Instinkt einen Schritt voraus sind. So werden ein Teil der reifen roten Kirschen bereits von Affen, Vögeln, Antilopen oder auch Elefanten verzehrt, bevor wir in dem Block anrücken, den wir tags zuvor ausgewählt haben. Die geernteten Kirschen kommen nach der mechanischen Entfernung der Schale in ein Fermentationsbecken. Am nächsten Tag werden sie sorgfältig gewaschen und auf Sortiertische gebracht. Solange das Parchment nass ist, sind Fehlstellen oder unreife Bohnen leichter zu entdecken. Erst danach kommen die Kaffeebohnen auf Trockenbetten in die Sonne. Anfangs nur wenige Zentimeter hoch gelagert und permanent von Hand gedreht, erreicht das Parchment je nach Wetterlage Tage später die notwendige Feuchte von circa 12 Prozent, um in 50 Kilogramm Sisalsäcken bis zum Transport eingelagert zu werden. In 20 Tonnen Lots wird der Kaffee nach Moshi am Fuß des Kilimandscharo in die von der Neumann Kaffee Gruppe in den 90er-Jahren errichtete Mühle gebracht. Diese hat einen hohen Standard. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten wir mit der Gruppe erfolgreich zusammen. Wichtig ist für uns der enge Kontakt mit unserem Importeur in Deutschland, dem Hamburger Rohkaffeehändler InterAmerican Coffee (IAC).
2012 besuchte uns erstmals eine vom IAC geführte internationale Gruppe von Röstern auf der Farm. Die Gespräche mit den Röstern haben uns viele Impulse gegeben. Wir konnten erklären, warum wir so viel Sorgfalt und Handarbeit beim Pflücken und Sortieren aufwenden. Zusammen mit den Eigenschaften unserer Bourbon-Varianten bestätigten unsere Besucher, dass sich diese Mühe in der Tasse wiederfindet. Mit unserem Importeur wurde die Idee geboren, jeden Herbst ein Cupping mit einzelnen Microlots, also den besten Kaffees aus der jeweiligen Saison, in Hamburg zu veranstalten. Die Ernte ist dann noch nicht vorüber, aber es ergibt sich ein guter Eindruck über die neuen Kaffees. Dieses Treffen erweist sich zunehmend als ein für uns sehr wichtiger Event. Es gibt uns die Möglichkeit, mit den Röstern zu kommunizieren. Sie sind unsere wichtigsten Partner in der Verbindung zu den vielen Kaffeeliebhabern. Sie sind es, die unsere Produkte veredeln und versuchen, mit ihrem Wissen das Beste aus diesen herrlichen Kaffees zu machen.
Text/Bilder: Vera Stücker