
Melanie Böhme berät international Cafébetreiber und solche, die es werden wollen. Zum Interview treffen wir sie in der Frankfurter „Holy Cross Brewing Society“. Ein Café, das bereits vieles richtig macht.
Was macht ein Café zur Cash-Cow und das andere zum Rohrkrepierer? Melanie Böhme berät Cafébetreiber und solche, die es werden wollen, bei der Positionierung: Was muss ein Café heute bieten, um sich durchzusetzen?
Dieser Satz ist wohl schon jedem Kaffeeliebhaber untergekommen, der von seiner Arbeit genervt war: „Irgendwann mach‘ ich ein Café auf!“ Doch dass selbst exzellentes Kaffee-Wissen allein nicht ausreicht, stellen Gründer schnell fest. Denn zu wenige machen sich vor dem Start ausreichend Gedanken, wie aus dem Traum ein wirtschaftlich rentables Unternehmen wird. Melanie Böhme hat sich mit ihrer Beratung „Simel Coffee“ (www.simel.coffee) auf Third-Wave-Cafés spezialisiert, denn gerade hier hat die Konkurrenz in den Großstädten enorm zugenommen – und damit der Druck, aufzufallen. Zum Interview treffen wir Böhme in der Frankfurter „Holy Cross Brewing Society“. Das neue Café fällt nicht nur durch Bohnen internationaler Spitzenröster wie Tim Wendelboe auf, sondern auch durch den großen, industriell-loftartigen Raum. Hier ist viel Holz und Metall verarbeitet worden, dazu gibt es viele liebevolle kleine Details wie Schilder mit der Aufschrift „Draußen nur Kännchen“.
crema Magazin: Wo wir schon zusammen in einem Café sitzen: Was fällt der Expertin hier auf?
Melanie Böhme : Was ich sehr positiv finde: So eine Art Café gab es in Frankfurt bislang noch nicht, das ist ein Novum. Die Einrichtung erinnert an amerikanische Coffee-Shops, gerade durch den Industriestil. Außerdem gibt es hier handwerklich richtig gut gemachten Kaffee. Dass beides zusammenkommt, ist extrem wichtig.
Der Industrielook ist aber heute auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr, oder?
Stimmt, der ist momentan extrem angesagt und viele springen auf den Zug auf. Allerdings macht er auch wirklich nur Sinn, wenn er ins Konzept passt und der Betreiber authentisch dahintersteht. Sonst ist es nur eine Fassade, die gerade Trend ist. Hier aber ergibt es ein stimmiges Gesamtbild.
Kannst du noch unbefangen in ein Café gehen, ohne es gleich zu analysieren?
Das ist wirklich ein bisschen eine Berufskrankheit (lacht). Ich spreche die Betreiber oder Baristas auch meistens direkt an und frage ihnen Löcher in den Bauch.
Wie kommt das an?
Gerade war ich sieben Wochen in den USA, um mir die Szene dort anzusehen. Die Amerikaner finden es gut, wenn man Fragen stellt! Die Baristas sprechen gerne über ihre Arbeit oder die lokale Kaffeeszene, das macht ihnen Spaß. Und wenn ich etwas kritisch sehe, sage ich es ihnen nie direkt. Im Idealfall kommen die Betreiber oder Baristas von alleine drauf, worauf ich hinauswill (lacht).
Wie sieht denn eine Beratung bei dir aus?
Ich berate sogenannte Coffee Professionals, also Inhaber, Manager oder Coffee Directors in Marketing, Kommunikation, Strategie, Branding und beim Konzept. Das passiert via Skype, vor Ort oder über meine Informationspakete zum Download, die ich gerade aufsetze.
Sind die Amerikaner offener als die Deutschen, sich auch mal von außen was sagen zu lassen?
Ja, in Deutschland ist es echt schwierig. Viele denken, der Berater „will nur etwas verkaufen“. In Hamburg sagte mir mal ein Betreiber: „Wieso? Der Laden läuft doch!“. Das mag ja sein – derzeit vielleicht. Aber was ist in zehn Jahren? Die Frage ist doch: Wie kann ein Café langfristig erfolgreich sein?
Warum ist das in Großbritannien oder den USA anders?
Zum einen sehen die Amerikaner per se alles stärker durch die Business-Brille – die wollen, dass ihr Geschäft läuft und immer weiter wächst. Wenn ihnen jemand Verbesserungsvorschläge macht, sehen sie das nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als einen Weg, in Zukunft mehr Geld zu verdienen. Zum anderen, nehmen wir mal das
Beispiel London, der Konkurrenzdruck wesentlich stärker als etwa in Hamburg, Berlin oder München. In London ist so viel los, da wissen alle: Wir müssen was machen, um uns abzuheben – und ohne Hilfe von außen bekommen wir es nicht hin. Ich bin mir sicher, dass diese Situation in Berlin auch noch kommen wird.
Du hast auch dem legendären Londoner „Café Prufrock“ geholfen. Von außen denkt man: Der Laden brummt, er ist super bekannt. Woran haperte es dennoch?
Die Einnahmen waren weiterhin gut. Der Name trägt sie, „Prufrock“ steht für Kaffee-Wissen. Allerdings spüren die Betreiber, darunter der frühere World Barista Champion Gwilym Davies, dass die Luft dünner wird. Der Raum wird enger. Die Londoner haben mittlerweile ein so großes Angebot, dass sie ihre Nachbarschaft nicht mehr verlassen müssen, um einen exzellenten Single Origin zu bekommen. Auch ein Spitzenreiter wie „Prufrock“ muss sich jetzt Gedanken machen, die jahrelang nicht nötig waren. Etwa: Wie bekomme ich die Menschen aus ihrem Viertel in mein Café, wenn doch auf dem Weg genügend andere Angebote sind? Und was sind das überhaupt für Kunden, welche Bedürfnisse haben sie?
Wie teuer ist eine Beratung bei dir?
Eine Stunde kostet 180 Euro, allerdings wird es durch Pakete schnell günstiger. Ich berate meist über Monate, da entwickelt das Team dann eigene Ideen und ich gebe dazu meine Einschätzung ab. Viele setzen eine Marketingberatung mit Kosten für Werbung gleich – sie denken, sie müssten dadurch vor allem teure
Werbung machen. Dabei kann man auch mit wenig Geld viel erreichen.
Zum Beispiel?
Viele Betreiber sagen mir: Die Menschen kennen uns gar nicht! Da sage ich: Erhöht die Sichtbarkeit! Ein gut gemachtes Schild auf der Straße kostet nicht viel Geld. Oder: Setzt auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Das kommt allerdings nicht von allein. Aber warum lässt man einen Stammgast nicht mal kostenlos ein neues Getränk auf der Karte probieren und bietet ihm an, zwei Getränke für den Preis von einem zu bekommen, wenn er beim nächsten Mal einen Freund mitbringt?
Welcher Fehler begegnet Dir beim Marketing häufig?
Viele werden unruhig, wenn es nicht gleich gut anläuft. Um den Laden schnell voll zu bekommen, wird also ein großes Event veranstaltet. Das ist total kurzfristig gedacht! Natürlich kommen dann vielleicht auch 100 Leute zusammen. Aber die Kunst ist es, die Kunden langfristig zu involvieren und damit zu binden. Zu glauben, mit einem Coffee Shop lässt sich schnell Geld verdienen, ist eine Illusion.
Welche Läden haben dich zuletzt beeindruckt?
Einen Flatwhite bekomme ich überall. Deshalb beeindrucken mich individuelle Ideen. Im „Slipstream“ in Washington, D.C. war das zum Beispiel ein Coffee Cocktail aus einem Espresso-Shot, hausgemachtem Rhabarbersirup, Grapefruitsaft und Tonic. Das sah nicht nur schön aus, sondern hat auch super geschmeckt. In Philadelphia betreibt das „Ultimo“ auf dem Dach einer Location einen Bienenstock. Der Honig wird dann für die Signature Drinks verwendet – super! Was mich in den USA besonders beeindruckt: Hier macht sich nicht nur der Chef die Gedanken, sondern er spornt das ganze Team an, sich immer weiter neue Ideen auszudenken. Wichtig ist aber, dass der Kunde von all dem erfährt! Wenn man zwar großartige Ideen hat, das Team vorbildlich führt und auch noch eine Vision hat, wo der Laden in zehn Jahren stehen soll, nützt das alles ohne eine Kommunikation nach außen nicht viel.
Also?
Reden, reden, reden! Niemand kann in den Kopf der Betreiber schauen!
Interview für das crema Magazin: Axel Hansen˙
Dos & Don’ts für Café-Gründer:
Melanie Böhme gibt Gründern Tipps, wie es mit der Selbstständigkeit klappt. Für uns hat sie die wichtigsten Dos & Don’ts zusammengefasst.
Niemand wird über den Laden stolpern! Betreiber müssen sich etwas einfallen lassen, damit die Kunden auch kommen und – mindestens genauso wichtig – wiederkommen und anschließend zu treuen Stammgästen werden.
Fokussieren Sie sich und entwickeln Sie ein spitzes Konzept! Wer alle erreichen will, spricht keinen an. Deshalb überlegen Sie vor dem Start genau: Welchen Kunden will ich ansprechen? Und wie kann ich ihn an mich binden?
Planen Sie eine Marke und damit ist nicht das Logo gemeint! Was soll Ihre Marke beinhalten? Wo liegt der Wiedererkennungswert? Welche Werte geben Sie an Ihre Mitarbeiter weiter? Wie erreichen Sie Konsistenz? Welche Sprache brauchen Sie auf welchen Kanälen?
Überlegen Sie sich ein klares Alleinstellungsmerkmal! Böhmes Tipp: Denken Sie an sich selbst! Was macht Sie aus? Wie können Sie Ihre Persönlichkeit im Konzept ausdrücken? Menschen kaufen Kaffee von Menschen!
Planen Sie so, dass Sie einen langen Atem haben können. Cafés rechnen sich über Jahre und nicht in den ersten Monaten. Überlegen Sie sich daher gut, auf welche Investitionen Sie sich einlassen – und verfallen Sie nicht dem Irrglauben, dieses Geld kurzfristig wieder rein- holen zu können.
Zu viele legen überstürzt los, beobachtet Böhme. Das Kaffee-Wissen sei zwar bei den meisten vorhanden. Doch die wenigsten machen sich vor dem Start ausreichend Gedanken über das eigent-liche Geschäft. Das passiert häufig erst, wenn die Probleme auftauchen.
Konzentrieren Sie sich! Neben dem Rösten noch ein Café betreiben? Das kann funktionieren, geht aber oft nach hinten los. Böhmes Ratschlag: Machen Sie eine Sache, die aber richtig!
Halten Sie nicht zu lange an ihrem Plan fest, wenn die Realität anders ist als erwartet. Sie wollten tagsüber Mitarbeiter der nahen Büros mit to-go bedienen? Wenn die nicht kommen: Denken Sie um und konzentrieren Sie sich auf die Nachbarschaft, die vielleicht am Wochenende Zeit hat!
Bohnen abseits vom Mainstream…
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