Im Test Zuriga Express

Eine elegante, ultrakompakte Siebträgermaschine, noch dazu in der Schweiz von Hand produziert und entsprechend verarbeitet – für perfekte Espresso Shots ohne Universitätsdiplom und lange Vorglühzeit? Klingt traumhaft. Genau das verspricht das Start-up Zuriga aus Zürich. Maximal einfach eben. Aber auch gut?

Update

Die Zuriga Express, auch unter dem Namen Zuriga E2 bekannt, gibt es seit September 2020 auch mit Dampflanze. Der Preis der E2-S liegt momentan bei 1680€ und je nach gewählter Farbvariante, wartet man derzeit zwischen zwei und drei Monate ab Bestellung auf sein Gerät.

Erstkontakt

Mit Crowdfunding-Erfindungen ist es ja so eine Sache. Auch und gerade im
Kaffeebereich. Geld ist mitunter flugs eingesammelt – aber eine theoretisch spannende Idee muss im technischen Bereich eben auch realisierbar sein. Mit ziemlicher Bestürzung erinnern wir uns an das komplett an Bedarf und Sensorik vorbeigeplante Bonaverde-Projekt, das in der Praxis jämmerlich enttäuschte. Als Moritz Güttinger vor rund zwei Jahren der Traum einer wirklich kleinen, in den Alltag integrierbaren Espressomaschine jenseits des Kapsel-Wahnsinns umtrieb, die auch noch nachhaltig produziert werden sollte, klang dies zunächst toll, aber Skepsis war angebracht. Doch Güttinger blieb in seinem jugendlichen Leichtsinn hartnäckig. Der Erfolg gibt ihm recht: Inzwischen arbeiten acht Menschen für Zuriga, und die Express (so der eigentliche Name des Winzlings) ist serienreif. Schweizer können sie bereits regulär bestellen, der deutsche Markt muss sich noch etwas gedulden. Und dann ist sie tatsächlich da.

Ohne Tamtam, sondern ganz leise. Große Auftritte liegen der Zuriga eben generell nicht. Derart überschaubar ist die Sendung, dass wir erst rätseln, welches unserer Kaffeepakete den Weg zum Kunden verfehlt hat. Irrtum. In der sorgsam verpackten smarten Klappbox verbirgt sich nicht bloß der gerade einmal 9 Kilo schwere Kubus, sondern zudem noch ein hochwertiger Nussholz-Tamper sowie der schwer ausgeführte 58-mm-Doppelsiebträger. Auch hier gilt: reduce to the max. Wenig Beigaben, aber die bitte – korrespondierend zum Hauptakteur – hochwertig.

Ein bisschen ärgerlich ist vor dem Hintergrund des Preises von 1.480 Schweizer Franken gleichwohl das Fehlen des Einer-Siebträgers, eine einzelne Espressotasse trifft man mit dem installierten Doppelauslauf nämlich eher nicht. Davon abgesehen jedoch herrscht Begeisterung vor auf dem Test-Parcours: Die Express passt zweifellos sogar in jede Pantry-Küche, und dabei ist sie auch noch todschick. Das Jubeln zahlloser Architekten, Singles und Kreativbüros zwischen Chur und Basel jedenfalls, bis dato Kapsel-gepeinigt, können wir bis weit hinter den Limes hören.

Ein handelsüblicher Kaltgerätestecker versorgt die kleine Eidgenossin mit Strom, die ansonsten mit genau zwei hochwertig verarbeiteten, beleuchteten Drucktasten auskommt. Ende Gelände. Dampflanze samt Drehventil? Fehlanzeige! Die Zuriga ist ein reinrassiger Shot Brewer ohne Wenn und Aber. Das sorgfältig entgratete Gehäuse selbst besteht aus einem Mix aus satiniertem Chromstahl und eloxiertem Aluminium für die leicht goldfarbenen Flächen. Komplettiert wird der edle Look durch die sauber abgestimmten Nussholz-Applikationen (Siebträger- und Tampergriff) sowie die Tankabdeckung aus demselben Werkstoff. Der Clou jedoch befindet sich darunter und zwar in Gestalt des 600 ml fassenden Tanks aus – Sie haben richtig gelesen! – hochfestem Laborglas.

Chapeau, Zuriga! Das ist Luxus pur – bei dem wir sogar die ansonsten nicht mehr ganz zeitgemäße Kesselbefüllung mittels Silikonschlauch sowie das Fehlen einer weicheren Tankaufnahme hinnehmen, deren Absenz in unschönem Geklapper resultiert. Gibt es ansonsten noch Kleckse auf der reinen Weste? Lediglich zwei kleine: Der Anschluss des Netzsteckers sitzt arg tief und deshalb gequetscht (siehe Foto), und so gar nicht ins Bild passen möchte die Abtropfwanne aus billigem Kunststoff. Hier hätte die Maschine durchaus Wertigeres verdient gehabt.

Von außen nach innen

Manchmal ist es fraglos positiv, die Dinge ohne traditionellen Überbau neu zu denken. Im Falle der Zuriga jedenfalls hat die Unvoreingenommenheit des gelernten Umweltingenieurs Güttinger zu einigen Entscheidungen geführt, die zwar radikal, aber eben auch erfrischend anders sind. Ganz zuoberst steht hier die isolierte Kombination aus Brühgruppe und 70-ml-Kesselchen, die eben nicht auf Masse, sondern auf Schnelligkeit setzt. Sprich: Kein schwerer, behäbiger Messing, sondern rasch durcherhitztes Aluminium kommt hier zum Einsatz.

Damit es nicht zu den sonst allfälligen Kontaminationen des Wassers kommt, wird das zentrale Bauteil der Zuriga dabei aus einer speziellen Legierung gefräst, deren Oberfläche zusätzlich noch mittels eines aus der Medizintechnik stammenden Verfahrens aufwendig titanversiegelt ist. Eine Berührung von Alu und Brühwasser ist damit ausgeschlossen. Weil sowohl die Mikroprozessor-gesteuerten Heizpatronen als auch der Temperatursensor in der Wandung sitzen statt offen im Nass, darf sich der Kunde zudem über eine deutlich reduzierte Kalkanfälligkeit freuen.

Kritischer diskutiert wird da schon die kategorische Festschreibung der Brühtemperatur auf möglichst universale 93 °C. Und dies, obzwar die elektronische Regeltechnik der Maschine, die mehrmals pro Sekunde nachfasst, von Haus aus alle Bedingungen mitbrächte, hier Variabilität ins Spiel zu bringen. Doch der Wahnsinn hat gewissermaßen Methode, fußt er doch auf der Maxime, dem Nutzer möglichst wenige Entscheidungen abzuverlangen. Alles steht im Dienste höchstmöglicher Präzision bei gleichzeitiger Einfachheit der Bedienung. Das berüchtigte Tal der Optionen sollen andere beackern.

Ein bisschen wild scheint uns der interne Aufbau des Testgeräts, er folgt aber einem klaren Masterplan. Für den nötigen Schub sorgt eine Vibrationspumpe von ARS, die auch in vielen Jura-Vollautomaten ihren Dienst versieht und konstant 9 Bar an den Kaffee abgibt. Dem Werkstoff Glas fiel dagegen leider eine Tankabschaltung zum Opfer, was angesichts von dessen überschaubarem Fassungsvermögen schon ein bisschen verwegen erscheint. 0,6 Liter sind fix verschossen – und ein optisches Warnsystem existiert nicht. Luft in der Pumpe ist hier ergo vorprogrammiert. Ach ja, apropos Abschaltung: Nach 15 Minuten Inaktivität wird der Zuriga automatisch das elektrische Futter entzogen, ganz im Sinne des ökologischen Fußabdrucks.

Auf Herz und Nieren

Dann schauen wir doch mal, was die Kleine im Ernstfall so draufhat. Viel erzählen können ja bekanntlich einige. Da es sich bei der Zuriga um einen Einkreiser handelt, genügt es bei der Erstinbetriebnahme nicht, den Netzschalter zu betätigen. Zunächst muss der Maschinist manuell mittels Bezugstaster den Kessel befüllen und ausgiebig spülen – und was sollen wir sagen? Die geradezu sensationelle Geräuscharmut der ARS-Pumpe zaubert ihm ein entspanntes Grinsen ins Gesicht. Gleiches gilt für die Rasanz, die die Express an den Tag legt: Zwar erweisen sich die werksseitig kolportierten und vom Taster bestätigten „unter zwei Minuten“ dann doch als etwas hoch gegriffen, aber bereits nach 3:30 und kurzem Leerbezug ist die Bude hot as friggin’ hell.

Passenderweise vertreibt der Hersteller die Maschine bis zur Fertigstellung eines eigenen Mahlwerks mit der neuen Eureka Mignon Silenzio, also der Reinkarnation unserer Referenzmühle. Eines steht dann auch vom Fleck weg außer Frage: Die Zuriga versteht ihr Handwerk. Mit 16 Gramm unserer sardischen „Gran Miscela“ bestückt und ohne viel Gewese legt sie sich gleich ordentlich ins Zeug. Ein Fumble sieht jedenfalls definitiv anders aus, auch wenn man sich bei diesem Heißsporn eventuell noch ein, zwei Grad mehr in der Pipeline gewünscht hätte. Ein bisschen Tiefe mag eventuell fehlen, aber das hatten wir durchaus schon schlechter.

Wir machen die Gegenprobe mit einem wirklich hellen Natural aus Äthiopien, einem Omni Roast des Hannoveraner Kleinrösters Wood Grouse – und sind gelinde gesagt platt! Dies ist beileibe kein einfach zu meisternder Kaffee, doch die Zürcherin zirkelt den Ball derart kaltschnäuzig ins lange Eck, dass es uns den Atem verschlägt. Nicht einmal, wohlgemerkt, sondern mehrmals nacheinander. Es mag der reduzierte Brühdruck sein, die ausgefuchste Messtechnik oder das nötige Quäntchen Tagesform, who knows. Wir wollen es eigentlich auch gar nicht so genau wissen. Außer Zweifel steht: Dieser kleine Würfel wird seine Freunde finden, ganz bestimmt. Moritz Güttinger hat (fast) alles richtig gemacht.


Resümee

Eines ist die kleine Zuriga Express sicher nicht: eine Maschine für jeden. Espresso-Akribiker und Hobby-Barista werden mit ihr wohl eher nicht warm werden, dafür ist sie schlicht zu wenig flexibel. Auch die Milch-Fraktion muss woanders schauen oder sich zumindest um einschlägiges Zusatz-Equipment bemühen. Wem indes der Sinn nach einem formschönen, kleinen und dabei zuverlässigen Alltagspartner für den kurzen Schwarzen zwischendurch steht, der wird zurzeit schwerlich Besseres finden. Auch die Zuriga macht natürlich nicht ohne Zutun des Nutzers alles perfekt – aber doch vieles richtig, indem sie die Komplexität an den passenden Stellen reduziert. Und genau deshalb wird sie schon bald in etlichen kleinen Büros, Lofts und Chefetagen stehen. Legen die Schweizer jetzt sympathischerweise noch einen Einer-Siebträger bei, wird ihr Preis fast schon zur Nebensache. ˙