Gute Nachrichten aus dem Land der Erfinderin des Filterkaffees: Made in Germany wird immer mehr zu einem Kennzeichen für Espressomaschinen. Auch wenn die Fertigung nicht immer in Deutschland stattfindet, sitzen die Entwickler aber in Neckargemünd, Geislingen, Arnsberg oder Hollenstedt.

Zugegeben, Made in Germany als identitätsstiftend zu betrachten, als etwas, das Zugehörigkeit und Abgrenzung definiert – dieses Konzept funktioniert in Zeiten der Globalisierung nur noch bedingt und bei etwas typisch Italienischem wie dem Espresso könnte es sogar nach hinten losgehen. Trotzdem haben wir unsauf die Suche nach deutschen Unternehmen begeben, die das Abenteuer Espresso gewagt haben.
Nicht aus Patriotismus, sondern vielmehr aus Neugierde. Gefunden haben wir wenige Maschinen, die auch tatsächlich in Deutschland entwickelt und vollständig hier produziert wurden. Die Gastromaschinen von ECM sind so ein Fall. Ansonsten werden Komponenten aus dem Ausland zugekauft oder die Fertigungsprozesse in andere Länder verlagert. Warum sollte das bei Espressomaschinen auch anders sein als bei den meisten anderen Produkten.
Bröckelt das Image?
Wo Deutschland draufsteht, ist heute Globalisierung drin. Dazu kommt, dass die Idee von der deutschen Industrieführerschaft vielleicht noch in vielen Köpfen verankert sein mag. Der Mythos aber hat Risse bekommen. Deutschland, das ist heute eben auch: ein Land, das partout keinen Hauptstadt-Flughafen zustande bekommt. Autohersteller, die bei der Entwicklung neuer Antriebe der Konkurrenz hinterherhecheln oder gar schummeln. Energiekonzerne, die unbedingt an alten Technologien festhalten wollen.

Umso mehr freut es uns, dass wir mit den hier vertretenen Herstellern vier Maschinenbauer gefunden haben, die auf Qualität und Einfallsreichtum setzen. Auffallend ist der große Anteil an Halbautomatisierung. Also Siebträgern die auch mahlen, Milchschaum selbstständig schäumen oder einem das Tampen abnehmen. Aber vielleicht ist das ja gerade typisch für das Land der Ingenieure und Tüftler, aus der Technik rauszuholen, was drin ist. Wer sich einen Mercedes S-Klasse kauft, der bekommt Technik pur, wer für das gleiche Geld einen Maserati ersteht, erhält Emotionen.
ECM
Wer einmal bei Firmengründer Wolfgang Hauck in der Nähe von Heidelberg war und sich seine Sammlung an historischen Espressomaschinen hat zeigen lassen, der weiß, hier ist ein Espressoverliebter am Werk. Die Liebe ging so weit, dass er vor gut 25 Jahren mit der ECM seine eigenes Unternehmen gründete. Hierzu tat er sich mit ECM SPA aus Mailand zusammen. Dort produzierte man bis dato nur Gastronomiemaschinen. Ziel war, die Verwendung von Bauteilen aus der Profitechnik auch in den Haushaltsmaschinen einzusetzen. Die erste Maschine aus dieser Kooperation war die „Technika”, die heute in der 4. Generation immer noch zu den beliebtesten Siebträgern für Home-Barista gehört.

Die Kooperation mit den Mailändern wurde dann 2005 beendet. Fragt man Wolfgang Hauck nach den Gründen, verweist er auf die damals nicht akzeptable Qualität für den anspruchsvollen deutschen Markt. Die Designgestaltung und Konstruktion und damit die gesamte Produktentwicklung wurde nach Deutschland verlagert. Von nun an lag auch die technische Entwicklung und das Qualitätsmanagement in Neckargemünd. Lediglich die Montage der Geräte wurde vorerst an eine dritte Firma als „verlängerte Werkbank“ vergeben. Heute werden die Gastronomie- Espressomaschinen sowie die Mühlen in Deutschland produziert. Die Siebträgermaschinen für den Haushalt werden in der Nähe von Mailand hergestellt, da dort die meisten Vorlieferanten ansässig sind. In unsere Übersicht haben wir mit der „Controvento-Due” einen echten Blickfang für Espresso-Bars aufgenommen.
Spitzenqualität aus Deutschland
Die zweigruppige Variante der schicken eingruppigen „Controvento” verfügt über zwei Kaffeekessel und eine eigener 1.200-Watt-Heizung. Für die Kaffeezubereitung wird das Wasser bereits vorab im Wärmetauscher des Dampf-/Heißwasserkessels erhitzt. Somit ist auch bei Dauerbetrieb der Maschine eine hohe Temperaturstabilität bei jedem Espressobezug gegeben. Die PID-Steuerungen ermöglichen die Wassertemperatur in allen drei Kesseln – gradgenau und unabhängig voneinander – nach Wunsch einzustellen. Während des Espressobezugs wird darüber hinaus auf dem PID-Display die exakte Kaffeedurchlaufzeit in Sekunden angezeigt. Die ECM Manufaktur ist eine Espresso-Erfolgsgeschichte Made in Germany und seit vielen Jahren im Premiumbereich äußerst erfolgreich und etabliert. Denn man versteht es bei ECM ansprechendes und aufwendiges Edelstahldesign mit innovativer und überzeugender Profitechnik zu kombinieren.
Gastroback

Gastroback aus der Nähe von Hamburg hat sich 1989 mit dem Anspruch gegründet, Design, hochwertige Materialien und professionelle Funktionen im Fokus zu behalten. Tatsächlich schafft es die Marke immer wieder, mit klarem Design ohne zu viel Schnörkel Maschinen zu präsentieren, die sich positiv abzusetzen wissen. In unserer kleinen Übersicht hier zeigen wir die „Design Espresso Advanced Professional“, einen halbautomatischen Siebträger (ja, auch so was gibt es). Soweit wir das beurteilen können, ist die Maschine ein Schwestergerät der baugleichen „The Oracle” vom US-Unternehmen Breville. Mit der Maschine bleibt man bei Gastroback der Vorgehensweise treu, Profitechnik in Geräten für zu Hause nutzbar zu machen. Eines vorweg, die Maschine ist kein reiner Siebträger wie mögliche italienischen Vorbilder. Sie ist eine Mischung aus Vollautomat und Siebträger.
Espresso für jedermann
Obgleich der Vollautomatenanteil sich auf die integrierte Mühle und so eine Art eingebaute Tampstation beschränkt. Bestimmt ist das ein Grad an Automation, der bei der etwas handfauleren Sorte eines Homebarista, ohne Imageverlust gut ankommt. Als Zielgruppe möchte man jedenfalls „jene Menschen ansprechen, die bei der Zubereitung eines echten Espresso oder Kaffees keine Abstriche vom perfekten Ergebnis machen möchten und sich gleichzeitig eine einfache, komfortable Bedienbarkeit wünschen“, wie Andreas Kirschenmann Gastroback- Geschäftsführer, erklärt. Tatsächlich ist die Zubereitung denkbar einfach: Der mm Edelstahl-Siebträger (auch hier eine Anlehnung an den Profibereich) wird in das Mahlwerk eingesetzt. Vollautomatisch mahlt dieses nun die benötigte Portion in dem digital wählbaren Mahlgrad. Dank einer Auto Tamp-Funktion wird das Kaffeemehlanschließend mit einem konstanten Druck in den Siebträger gepresst.
Um den Anpressdruck auf Dauer der bevorzugten Kaffeesorte anzupassen, kann dieser individuell eingestellt werden. Schließlich hat jede Kaffeesorte hier ihren eigenen Bedarf an Druckausübung. Während auf der einen Seite der Siebträger automatisch einsatzbereit gemacht wird, können Latte-Fans auf der anderen Geräteseite mit der speziellen Milchschaumautomatik bereits den Schaum für die gewünschte Kaffeespezialität vorbereiten. Auch hier lässt sich Individualität einstellen: Sowohl die Milchschaumtextur – von seidig fein über feinporig bis cremig – als auch die Wunschtemperatur lassensich frei wählen. Zum Schluss wird der Siebträger in der Brühgruppe im Mittelteil der Maschine aretiert und die Pumpe sorgt für das Endergebnis. Die Maschine ist sicherlich ein guter Kompromiss für alle, die dem Vollautomaten entwachsen sind und sich mit der Alchemie eines klassischen Siebträgers nicht beschäftigen wollen.
Graef

Bereits 1920 baute Firmengründer Hermann Graef mit seinen Brüdern in Arnsberg das erste Werksgebäude. Zu seinen ersten nützlichen Erfindungen und Produktionen gehörten Gardinenstangen, Holzspielzeug und Reißbrettstifte. Bevor man 89 Jahre später im Kaffeesegment angekommen war, hat sichdas Unternehmen vor allem mit Schneidemaschinen einen Namen gemacht. In vielen Haushalten unserer Eltern und Großeltern stand eine Graef. Zur IFA 2009 wurde dann ein breites neues Produktsortiment präsentiert, darunter auch die seitdem viel beachteten Espressomühlen, ausgestattet mit einem Kegelmahlwerk und in ihrer Preisklasse beliebt und bewährt. Man kennt sich also in Arnsberg mit Bohnen aus.
Die hier gezeigte „ES 95” ist die neuere Hochglanzvariante der „ES 90”, ansonsten aber baugleich. Positiv ist die kurze Aufheizzeit. Die Brühgruppe macht einen massiven Eindruck und besitzt das in der Gastronomie verbreitete Standardmaß von 58 mm Siebdurchmesser. Der mitgelieferte 2er-Siebträger aus verchromtem Messing wirkt ebenfalls solide, liegt gut in der Hand und lässt sich ohne hakeln und allzu grobe Gewaltanwendung sauber einspannen. Das Zwei-Kreis-System ermöglich es, Espresso und Milchschaum gleichzeitig zuzubereiten.
Lob vom Maschinisten
Unsere oberste Instanz in Sachen Siebträger „Der Maschinist” war bei seinem Test vor allem von der verbauten Elektronikbegeistert: „… diese eröffnet dem Nutzer ein weites, in dieser Preislage einmaliges Spektrum an Möglichkeiten, angefangen bei einer volumetrischen Dosierung mit zwei frei programmierbaren Tassenlängen über ein Reinigungsprogramm zur Erleichterung der Blindsieb-Prozedur bis hin zu in Zwei-Grad-Schritten anhebbaren bzw. absenkbaren Temperaturen für Brühdruck, respektive Heißdampf. Mit der „ES 95” bietet Graef einen gut ausgestatteten und verarbeiteten Thermoblock- Siebträger an, der in erster Linie Käufer ansprechen dürfte, denen Bedienkomfort und Schnelligkeit ein zentrales Anliegen sind – und die sonst womöglich doch wieder zu einem Vollautomaten gegriffen hätten. Dank der Möglichkeit, die Brühtemperatur zu justieren, sind selbst komplexere Arabicas leicht zu handhaben.“
WMF

Im Jahre 1853 gründete der Mühlenbesitzer Daniel Straub gemeinsam mit den Brüdern Louis und Friedrich Schweizer die Metallwarenfabrik Straub & Schweizer in Geislingen an der Steige. 1862 wurden deren silberplatinierten Tafel- und Serviergeräte auf der Weltausstellung in London mit einer Medaille ausgezeichnet. Sechs Jahre später wurde in Berlin die erste Verkaufsfiliale gegründet. 1880 schloss sich das Unternehmen mit der Metallwarenfabrik Ritter & Co. zur Württembergischen Metallwarenfabrik zusammen. Noch heute ist WMF für alles, was silbern in der Küche glänzt bekannt. Mit ihren Kaffeevollautomaten spielen sie bereits seit einigen Jahren ein Rolle im Premiumsegment. Für italienische Barkultur stand man bisher nicht.
Siebträger trifft auf Vollautomaten
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass man beim Einstieg in dieses Segment einen hybriden Ansatz aus Vollautomat und Siebträger gewählt hat. Die Schwaben mixen bei ihrer neuen Gastromaschinengeneration das Siebträgerfeeling mit den Annehmlichkeiten der Technik. Rein optisch steht mit „WMF espresso”, wie das Gerät ganz unprätentiös heißt, ein typischer Gastrosiebträger vor einem. Was man nicht sieht, ist der Bohnenbehälter (für Espresso und/oder Café Crème) der unter der beheizten Platte zur Tassenablage versteckt ist und die Mühle, die sich ebenfalls im Inneren befindet. Von Hand wird lediglich der (leere) Siebträger für Einzel- oder Doppelbezug eingesetzt, bevor über ein Touchdisplay eine von bis zu zwölf Varianten gewählt wird. Eine automatische Siebträgererkennung verhindert dabei, dass der falsche Einsatz verwendet wird. Und weil es schöner ist, wenn es dampft und zischt, speziell für Espressotassen konzipiert, erlaubt eine integrierte Funktion eine zusätzliche Vorwärmung mittels gezieltem Dampfstoß.
Über eine Sondertaste pro Brühgruppe für externes Mahlen lassen sich weitere Kaffeesorten verwenden. Hinzu kommt eine Barista-Taste, die die Einwaage des Kaffeemehls um 15 Prozent variiert. Dies ermöglicht es, die Stärke des Kaffees an die individuellen Vorlieben des Gastes anzupassen. Sind Espresso oder Café Crème in die Tasse geflossen, kommt es wieder auf Handarbeit an. Der Barista klopft den Siebträger in bewährter Art und Weise über einem Satzkasten aus. Rein haptisch erinnert das Gerät also, sieht man mal vom Vorgang des Mahlens und Tampens ab, schon sehr an einen klassischen Barsiebträger. Puristen mögen darüber die Nase rümpfen. In vielen Bereichen der Gastronomie, wo der Faktor Mensch bei der Zubereitung des Kaffees einen nicht zu unterschätzenden negativen Einfluss haben kann, ist die „WMF espresso” aber dann vielleicht immer noch besser als ein schlecht getampter Puck in einem halbleeren Siebträger.