Was tun, wenn das Baby plötzlich nicht mehr so will wie man es gerne hätte? Reparieren! Wir erklären Ihnen, wie Sie Ihr Gaggia Baby wieder zum Laufen bringen.
Text & Fotos: Ruben Quaas

Der Wecker schrillt! Die Augen öffnen sich schwer, die Gedanken kriechen träge durch den Kopf wie der Verkehr wochentags durch die römische Innenstadt – der Körper schreit nach dem rettenden Espresso. Also trottet man in die Küche, schaltet die Maschine ein – doch kein Licht leuchtet und die Pumpe bleibt still! Was tun? Eine Reparatur kann dauern und kostet oft fast mehr als ein Neugerät, sofern die Garantie nicht mehr gilt. Also einfach selbst zum Schraubenzieher greifen? Hier überwiegt oft die Unsicherheit: Geht dabei nicht noch mehr kaputt? Wo liegt der Defekt? Muss man Italienisch können, um die Maschine hinterher wieder dazu zu bringen, dass sie funktioniert? Auch wenn Espressomaschinen immer ausgefeilter werden, ist das Innenleben meist überschaubar und mit etwas Geschick sind Defekte auch gut zu reparieren.
Bitte vergewissern Sie sich, dass Sie sich mit Ihrer Maschine und den Sicherheitsbestimmungen auskennen. Für die beschriebenen Arbeitsschritte und mögliche Folgeschäden kann keinerlei Haftung und Verantwortung übernommen werden. Das gilt insbesondere für Siebträgergeräte mit Einkreistechnik. Es liegt daher nahe, einmal am praktischen Beispiel eine Reparatur zu demonstrieren, die gleich mit einer Generalüberholung kombiniert wird. Auf unseren OP-Tisch kommt eine alte, defekte „Gaggia Baby“ aus den 80ern, die bis auf ein fehlendes Abdeckblech der Abtropfschale vollständig ist. Die „Babys“ gehören seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Modellen auf dem Espressomaschinenmarkt, ein solches Exemplar ist daher ein idealer Kandidat für unser Vorhaben.
1. ÜBERBLICK VERSCHAFFEN
Zuerst gilt es, sich ein genaues Bild vom Schaden zu machen. Dies hilft später, den Defekt zu finden. Im Fall der Gaggia dröhnt die Pumpe, aber es kommt kein Wasser aus der Brühgruppe. Vor allen Arbeiten im Inneren der Maschine muss stets der Stecker gezogen werden, dann wird das Gehäuse abgenommen. Die Schrauben liegen oft versteckt, bei unserer Gaggia verbergen sich vier unter dem Wassertank. Hat man die Maschine geöffnet, präsentiert sich das Innenleben und man kann sich einen ersten Überblick verschaffen. In jeder Maschine zu finden sind die auffälligsten Bauteile, Heizkessel und Pumpe, dazwischen liegen Schläuche, Ventile und Kabel. Viel kann also nicht kaputtgehen. Als ungewöhnliche Besonderheiten hat die Gaggia ein Magnetventil für den Dampfhahn und eine originelle Füllstandskontrolle für den Wassertank. Nun muss als nächstes eingegrenzt werden, wo der Fehler liegt.

2. DEFEKT FINDEN
Ob die Pumpe arbeitet, lässt sich testen, indem man den Schlauch zum Kessel abbaut, in eine Schüssel hält und dann die Pumpe kurz anstellt. Bei der Gaggia hustet es kurz, dann sprudelt Wasser. Manchmal kommt es vor, dass die Pumpe Luft gezogen hat und kein Wasser mehr ansaugt. Dem hilft man ab, indem man bei laufender Pumpe mit einer Spritze Wasser in den Ansaugschlauch drückt. Sollte eine Maschine nur noch zu heißes oder kaltes Wasser durch das Espressopulver schicken, ermöglicht eine Entkalkung den Thermostaten wieder eine einwandfreie Funktion. Ändert sich dadurch nichts, ist wohl einer der beiden Thermostate, die Brühwasser- und Dampftemperatur regeln, defekt. Diese lassen sich allerdings relativ leicht ersetzen.
Wenn Wasser an Stellen herausläuft, wo es nicht laufen soll, liegt dies meist an einer defekten Dichtung. Ist wirklich einmal ein Schlauch oder gar ein Bauteil gerissen, hilft nur Ersatz. In den meisten Maschinen findet sich ein Magnetventil am Kessel, das dafür sorgt, dass nach dem Espressobezug der Überdruck schnell abgebaut wird. Wenn die Pumpe arbeitet, aber kein Wasser aus dem Brühkopf kommt, wie es bei der Gaggia der Fall ist, dann kann dies durchaus an einem Defekt dieses Bauteils liegen. Die Funktion des Ventils erkennt man daran, dass direkt nach dem Bezug Wasser in die Abtropfschale spritzt. Da dies bei der Gaggia der Fall ist, tippen wir darauf, dass ein Kalkbröckchen das Steigrohr im Kessel verstopft hat. Mit einer gründlichen Reinigung sollte der Defekt daher hoffentlich behoben sein.

3. REPARATUR
Ist der Defekt gefunden und nötigenfalls ein Ersatzteil besorgt, kann man zur Generalüberholung übergehen. Dazu wird neben gutem Werkzeug ein Entkalkungsmittel wie Zitronensäure, eine Packung Kaffeefettlöser und ein Dichtungssatz aus dem Zubehörhandel benötigt. Hier bekommt man, wenn nötig, auch alle defekten Teile neu. Ist alles beisammen, werden die Kabel mit Filzstift markiert und Fotos gemacht, damit hinterher alles wieder richtig zusammengebaut werden kann. Dann werden alle Schläuche und Schrauben der Brühgruppe gelöst und der Kessel herausgenommen. So lassen sich die Einzelteile leichter abbauen. Bei den Magnetventilen werden die elektronischen Bauteile abgeschraubt und zur Seite gelegt. Nun folgt der schwierigere Teil der Operation. Da der Kessel der „Baby“ aus Aluminium ist, darf er nicht einfach mit den anderen Bauteilen ins Entkalkungsbad, er würde zu stark angegriffen. Außerdem reagieren die Anschlüsse der Heizung – und das gilt für alle Siebträgergeräte – sehr empfindlich auf Wasser.
Daher muss der Kessel vor der Entkalkung abgebaut werden. Doch mit all den Jahren wurden die Verbindungsschrauben bequem, alle Versuche, sie zum Drehen zu bewegen, scheitern kläglich. In einem solchen Fall muss die gesamte Brüheinheit stabil eingespannt werden. Bei einem guten Schraubenschlüssel geben irgendwann auch die hartnäckigsten Schrauben den Widerstand auf und der Kessel lässt sich am Ende abnehmen. Zuletzt werden Duschsieb und Duschplatte vom Brühkopf gelöst. Die Platte sitzt, bedingt durch alte Kaffeeöle, in der Regel ebenfalls bombenfest. Ein Bad der Brühgruppe in heißem Wasser mit Kaffeefettlöser hilft, dazu einige sanfte Schläge mit einem stabilen Holzstück und vorsichtige Hebelversuche mit einem Schraubenzieher. Wenn die alte Siebträgerdichtung, nach vielen Jahren Schwerstarbeit, ebenfalls nur ungern ihren Stammplatz verlassen möchte, schraubt man einfach eine Schraube ein und zieht sie daran heraus.

4. Zusammenbau
Nun liegt das Innenleben in Einzelteilen auf dem Tisch. Messing- und Kupferteile kommen getrennt in alte Töpfe mit gelöster Zitronensäure. Alles wird ordentlich erhitzt und darf eine Weile köcheln, mindestens zehn Minuten sollten es schon sein. Der Brühkessel wird währenddessen von Hand gereinigt und Siebträger und Siebe, Duschsieb und -platte baden in Kaffeefettlöser. Schon kurze Zeit später ist alles sauber und wird noch einmal gründlich gespült. Jetzt heißt es nur noch, die Dichtungen und Schläuche ersetzen und dann alles wieder in umgekehrter Reihenfolge zusammenzubauen. Endlich folgt der Moment der Wahrheit – auch für unsere Gaggia. Und natürlich, auf italienische Wertarbeit ist Verlass! Die „Baby“ bedankt sich für die Wellnesskur und heizt, dampft, pumpt und brüht wie am ersten Tag. Ein paar Kratzer und Macken hat sie zwar, aber das zeugt ja nur von gutem Charakter. Der nächste Morgen ist gerettet!