Am langen Hebel

Wer sich für eine Handhebelmaschine entscheidet, braucht Geduld, Experimentierfreude und Zeit zum Üben, um zu konstant guten Ergebnissen zu kommen.

Ruben Quaas

Hebelmaschinen im Überblick

Erinnern Sie sich an den James-Bond-Klassiker „Leben und sterben lassen“ aus dem Jahr 1973? Da­rin wird Bond in einer Szene zu Hause um sechs Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen. Vor der Tür wartet sein Vorgesetzter M (Bernard Lee). Ganz der perfekte Hausmann, bittet Bond ihn natürlich herein und bietet Kaffee an, doch er gibt sich nicht mit gewöhnlichen Metho­den zufrieden: In der Küche steht eine Handhebel­maschine, mit deren Hilfe er seinem Gast Kaffee serviert. Dieses Küchengerät war damals noch ganz und gar nicht verbreitet, was man nicht nur an Bonds sonderbarer Methode erkennt, kalte Milch in den fertigen Kaffee zu geben und danach alles zusammen aufzuschäumen, sondern auch an den verwunderten Blicken, mit denen M die Maschine mustert.

Wie wir wissen, mag Bond technische Neuerungen – und auf dem Gebiet der Espressozubereitung waren Hand­he­belmaschinen mehr als das. Erst die Möglichkeit der Er­zeu­gung von hohem Druck per Hebel machte es möglich, einen Espresso zu brühen, wie wir ihn heute kennen. Als später Druckpumpen in den Maschinen verbaut wurden, wurden Handhebelmaschinen mehr und mehr in den Hin­ter­grund gedrängt. Doch in Zeiten, in denen vollautomatische Kaffeema­schinen per Knopfdruck alle erdenklichen Kaffee­spe­zia­li­täten zubereiten, entwickelt die traditionelle Hand­hebel­technik wieder eine ganz eigene Faszination. Hier kann ein Barista sich wirklich beweisen, denn mit seinem Können und seiner Erfahrung steht und fällt die Qua­lität des Es­pressos.

Der Selbstversuch

Am besten, so dachten wir, starten wir einfach einen Selbst­versuch und testen, wie es sich wirklich an einer solchen Maschine arbeiten lässt. Der Respekt ist also groß, als der Karton mit einem Handhebelgerät in der Küche steht. Immerhin, es ist nicht irgendeine Maschine, sondern eine „Cremina“, handgebaut aus erlesenen Materialien von der Firma Olympia Express in der Schweiz. Schon beim Aus­packen fühle ich mich wie als kleines Kind unterm Weihnachtsbaum. Doch dann folgt die erste Überraschung: Größer ist die gar nicht? Neben einer massigen Espresso­maschine mit Zweikreistechnik wirkt die „Cremina“ geradezu winzig.

Aber sie ist ein absoluter Hingucker. Das schlichte Chromgehäuse ist wunderschön – und ich ertappe mich dabei, alle zwei Minuten mit dem Ärmel Fingerabdrücke wegzupolieren. Der optische Eindruck stimmt also, doch wie schlägt sie sich beim Kaffeekochen? Oder besser: Wie schlage ich mich an ihr? Nach dem Studium der Bedie­nungsanleitung bin ich schon um ein paar wichtige Infos schlauer und traue mich an die Inbetriebnahme. Wie bei Handhebelmaschinen üblich, ist das Innenleben der „Cremina“ übersichtlich: Ein Kessel, die Heizung und ein kleiner „Pressostat“, der den Kesseldruck reguliert, mehr braucht die Maschine nicht – damit erklärt sich auch die Größe der Kleinen.

So wird die Handhebelmaschine bedient

Wasser wird nachgefüllt, indem man eine Schraube oben an der Maschine öffnet und dann Wasser in den Kessel füllt. Doch wer dies tut während die Maschine läuft, kann sich auf eine unfreiwillige Dusche einstellen, schließlich wird der Kessel auf bis zu 1 bar Überdruck aufgeheizt. Daher erweist sich auch das Wasser­füllstands-Schauglas als sehr nützlich, denn so kann man sichergehen, vor jedem Einschalten den Kessel randvoll gefüllt zu haben.

Bald nach dem Einschalten zeigt sich ein Vorteil der übersichtlichen Bauweise: Bereits nach zehn Minuten ist die Maschine auf Temperatur, es kann losgehen. Der Handhebel zeigt in Grundstellung nach unten. Wenn man ihn nun nach oben drückt, öffnet sich die Verbindung vom Kessel zur Brühgruppe und heißes Wasser strömt aus der Dusche. Ich fülle das Sieb mit Kaffee und drücke das Pul­ver an. Nun also den Siebträger einspannen, Hebel nach oben drücken – wieder ist die Verbindung vom Kessel zur Brühgruppe geöffnet, doch diesmal wird das Wasser vom gemahlenen Kaffee im Sieb aufgehalten. Es füllt daher die in der Brühgruppe eingebaute Kammer, lässt den Kaffee vorquellen und wird zugleich auf die perfekte Brühtemperatur abgekühlt.

Und jetzt kommt der große Moment! Ich drücke den Hebel langsam, aber konstant nach unten, um das Wasser durch den gemahlenen Kaffee zu pressen. Bei der „Cremina“ wird der Druck übrigens nur durch den Barista selbst aufgebaut. Klar, ist ja auch ein Handhebel­gerät. Stimmt schon, aber viele andere Handhe­bel­ma­schinen arbeiten nach einer anderen Methode: Wird der Handhebel gedrückt, spannt sich eine eingebaute Feder, die sich danach wieder zusammenzieht und das Wasser durch den Kaffee presst. Dies sorgt für einen konstanten Druckaufbau, lässt dem Barista aber auch weniger Freiheiten. Von den anderen Maschinen an dröhnende Pumpen gewohnt, irritiert mich die absolute Ruhe beim Handhebeln etwas. Ist die Maschine aus? Nein, alles in bester Ordnung. Alles, außer dem Espresso, das erkennt man sofort und ohne Probeschluck. Aber eigentlich habe ich es kaum anders erwartet und mein Ehrgeiz ist geweckt!

Ich mahle weniger fein und drücke das Pulver etwas stärker an. Einspannen, Hebel nach oben, warten und langsam runterdrücken – und schon bei diesem Versuch bahnt sich langsam ein schöner Espresso den Weg in die Tasse. Das Ergebnis hat zwar immer noch eine sehr dünne Crema, doch der Geschmack ist gar nicht schlecht. Stolz betrachte ich mein Spiegelbild im Maschinenchrom und kontrolliere, ob mir bereits ein sizilianischer Schnurrbart gewachsen ist. Leider noch nicht, trotzdem ein großartiges Gefühl. So schwer war es doch gar nicht! Es folgen Tage der Expe­rimentierfreude, bremsen tut mich nur der schnell steigende Koffeinpegel.

Ich variiere Pulvermenge, Anpressdruck, Mahlgrad und Hebeldruck. Das Aufschäumen von Milch klappt schon schnell erstaunlich gut, denn da der Kessel ja zugleich Wassertank ist, ist er auch relativ groß und bietet ordentlich Dampf. Einige Tage danach, um ein paar Erfahrungen reicher und eine Menge Tassen guten und schlechten Espressos später folgt der Durchbruch. Die wässrige Suppe in der Tasse davor bedeutete mir, den Mahlgrad noch feiner zu stellen und den Hebel noch länger oben zu lassen, um so dem Kaffee mehr Zeit zum Aufquellen zu geben. Und was dann in die Tasse fließt, übertrifft meine Erwartungen: Espresso mit dicker, stabiler Crema und einem sehr differenzierten Geschmack! Glücksgefühle ge­paart mit Koffeinkick – Herz, was willst du mehr!

Unser Fazit

Wer sich also für eine Handhebelmaschine entscheidet, wird in der Regel Geduld, Experimentierfreude und Übung brauchen, um zu konstant guten Ergebnissen zu kommen. Unbedingt nötig ist auch eine gute und fein einstellbare Mühle. Für stundenlangen Dauerbetrieb ist ein Hand­hebelgerät leider wenig geeignet, schließlich kann man bei laufender Maschine kein Wasser nachfüllen, bei längerem Betrieb neigen viele der Maschinen zum Überhitzen und sie haben kein Magnetventil, das den Druck automatisch ab­baut. Wer also mehrere Espressi nacheinander brühen möch­te und daher kurzerhand direkt nach dem Bezug den Siebträger ausspannt, darf danach die Küche vom umhergespritzten Kaffeepulver reinigen.

Auf der anderen Seite sind Hand­hebelgeräte klein, schnell auf Temperatur und mit Sicherheit der Blickfang in jeder Küche. Aber vor allem ist man nach einiger Übung in der Lage, einen Espresso in völliger Eigenregie zu brühen und wenn es soweit ist, bietet eine solche Maschine Möglichkeiten, von denen man bei anderen Geräten nur träumen kann. Oder kurz, knapp und mit einem Vergleich aus der motorisierten Welt gesagt: Während ein Zweikreisgerät den praktischen und dauer­be­last­baren Kombi für die Familie darstellt, ist eine Hand­hebelmaschine eher das Sommercabrio mit Hand­schaltung und Zwischengas. Sollte das genau das Richtige für Sie sein, haben Sie die Auswahl zwischen einigen schönen Geräten für den Hausgebrauch, die wir Ihnen rechts vorstellen. Und wahrscheinlich wird es ihren Gästen bald wie M in Bonds Küche gehen.

Denn nachdem dieser seinen Kaffee überreicht bekommen hat, wirft er erst einen Blick in die Tasse, dann auf die Maschine und fragt schließlich bewundernd und mit einem Hauch von Ironie: „Is that all it does?“


1. Gaggia Achille  > Kein Wunder, dass Gaggia die Handhebelmaschine im Programm „Achille“ taufte, schließlich war es doch Achille Gaggia selbst, der die Handhebelmaschine überhaupt erst er­funden und auf den Markt gebracht hat. Die “Achille” ist die einzige Handhebelmaschine für den Heim­gebrauch, die mit Wärmetauscher arbeitet. Sie überhitzt daher nicht, der zusätzliche Wassertank ist auch während des Betriebs nachfüllbar. So ist sie also etwas besser für den Dauereinsatz ausgelegt, auch wenn der Heizkessel nur etwa 0,8 Liter fasst. Sie arbeitet wie die Cremina ohne Feder­unter­stützung beim Druckaufbau. Obligatorisch sind das Kesselmanometer und eine Wasser­stands­anzeige. Das Gehäuse ist komplett aus Edelstahl.


2. La Pavoni Professional > segelt als Flaggschiff der Handhebelreihe aus dem Hause La Pavoni. Ihres unverwechselbaren Designs wegen schaffte sie es sogar ins New Yorker Museum of Modern Art und wird seit Jahrzehnten nahezu unverändert gebaut. Der Druck wird ohne Feder aufgebaut, der Kessel ist mit 1,6 Litern recht groß, mit Manometer und Wasserfüllstandsanzeige bietet die Maschine alles, was der ambitionierte Heimbarista braucht. Mit Holzgriffen und Adlerfigur kann man die Maschine optisch „tunen“.


3. La Pavoni Europiccola > ist die kleine Schwester der Professional – und im Übrigen die Ma­­schine, die James Bond in der Küche stehen hatte. Auch hier wird der Druck nur manuell und ohne Feder aufgebaut. Das zweistufige Heizsystem fordert noch etwas mehr Einarbeitungszeit als bei an­deren Maschinen. Die Europiccola verfügt weder über ein Manometer noch über eine Wasserfüll­stands­­anzeige, der Kessel fasst nur 0,8 Liter.


4. Elektra Microcasa a leva > wirkt durch den wunderschönen Retrostil sehr exklusiv. Sowohl das Manometer als auch das Schauglas für den Wasserfüllstand passen sich sehr gut ein. Der   Druckaufbau erfolgt über eine Feder, der Kessel fasst etwa 1,8 Liter. Eine schwenkbare Dampfdüse rundet die Maschine ab.


5. Zacconi Riviera > hat ein schwenkbares Dampfrohr, ein Kesselmanometer und ein Schauglas für den Wasserfüllstand. Der Druckaufbau erfolgt über eine Feder (es gibt auch eine etwas kleinere und manuelle Version, die sich dann Zacconi Baby nennt). Die Griffe können auf Wunsch auch in Holz bestellt werden. Der Kessel fasst etwa 1,8 Liter.


6. Olympia Express Cremina > hebt sich von der Konkurrenz deutlich ab, da sie nicht im Retrostil daherkommt. Auch bei dieser Maschine erfolgt wie oben beschrieben der Druckaufbau nicht über eine Feder, sondern von Hand. Leider ist die Dampfdüse nicht schwenkbar, aber dafür bietet die „Cremina“ ein Kesselmanometer, einen 1,8 Liter fassenden Kessel und ein Schauglas für den Wasserstand. Der Käufer bekommt außerdem hochwertiges Zubehör, aber vor allem eine vollständig handgearbeitete Maschine mit fünfzehnjähriger Servicegarantie. Im Test hat sie voll überzeugt. Dass dieser Luxus nicht billig ist, versteht sich von selbst.

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