Anbau und Ernte

Der Anbau und die Ernte sind wichtige Faktoren in der Herstellung von Kaffee, sie sind entscheidend für Geschmack und Qualität. In unserer Serie stellt uns der crema-Autor und Kaffeeexperte Dr. Steffen Schwarz die wichtigsten Wissensgrundlagen vor, für alle, die beim Thema Kaffee mitreden möchten.

Kaffee wird in über 84 Ländern unserer Erde angebaut. Die beiden größten Produzentenländer Brasilien (ca. 51 Mio. Sack) und Vietnam (ca. 28 Mio. Sack) stellen dabei zusammen rund 50 Prozent der weltweiten Produktion, derzeit rund 158 Mio. Sack. Ein Produktionsausfall in diesen Ländern hat damit sofortigen massiven Einfluss auf den gesamten Kaffeemarkt. Die großen zehn Erzeuger stemmen den Weltmarkt und produzieren jeweils über 3.000.000 Sack Kaffee zu 60 kg. Mit gelegentlichen leichten Veränderungen sind dies, Brasilien, Vietnam, Kolumbien, Indonesien, Äthiopien, Indien, Mexiko, Honduras, Guatemala und Peru (zuletzt Uganda statt Guatemala, was auf die lateinamerikanische Kaffeerost-Epidemie und die zusätzlich vernichtend niedrigen Rohkaffee-Marktpreise zurückzuführen ist).

Unterschiede im Anbau

Über die Hälfte aller kaffeeanbauenden Länder produzieren unter 100.000 Sack, nur 17 Länder sind in der Lage, über 1.000.000 Sack zu erzeugen. Die 13 kleinsten Kaffeeländer bringen sogar jeweils nur unter 1.000 Sack Jahresertrag hervor. Die Länder lassen sich neben den Produktionszahlen auch geografisch oder nach Kaffeetypen zusammenfassen oder ordnen. Die Börsen bündeln nach „Austauschbarkeit“ des Geschmacks, so werden dort „Brazilian Naturals“, „Columbian Milds“, „Other Milds“ und „Robusta“ unterschieden. Geschmacklich lassen sich jedoch etwas präziser sechs verschiedene Anbauzonen mit unterschiedlichen Arten und Aufbereitungsstilen unterscheiden – dies macht allerdings nur bei Betrachtung höherwertiger Qualitäten Sinn. Weiterhin lassen sich die Länder nach ihren Anbaustilen unterscheiden. Diese werden insbesondere durch die Lage zum Äquator und die Höhe bestimmt. Daraus lassen sich die folgenden Anbaustile ableiten: Sonnenanbau (fully sun), Schattenanbau (shade grown), Terrassenanbau (terrace cultivation) und Gartenanbau (garden cultivation). Neben den verschiedenen Temperaturen (insbesondere auch der Tag Nachtabsenkung) und damit einhergehenden unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten und differenzierter Säurebildung spielen auch allelopathische Faktoren (wechselseitige Beeinflussung von Pflanzen untereinander) eine wesentliche Rolle.

Wurzeltiefe bestimmt das Geschmacksprofil

Es ist einleuchtend, dass die flachwurzelnden Kaffeepflanzen (C. Arabica weist rund 70 Prozent der aktiven Wurzelmasse in den oberen 30 cm der Bodenschicht auf, C. Canephora sogar rund 90 Prozent), sehr stark auf zugeführte Mineralien und Aminosäuren von tiefwurzelnden Pflanzen reagieren und deren Abbauprodukte aufnehmen. C. Liberica ist durch das erheblich größere Wachstum und die ebenso deutlich tiefgründigere Wurzelstruktur selbst stärker in der Lage, tiefliegende Mineralien aufzunehmen und zu verstoffwechseln. Nicht nur hierdurch ist das Geschmacksprofil des Liberica-Kaffees von deutlich unterschiedlicher Art im Vergleich zu den beiden vorgenannten Arten. Die Tag-Nacht-Temperaturabsenkung betreffend, die eine der wesentlichen Faktoren der Säurebildung im Kaffee ist, ist es verständlich, dass der Kaffee aus Sonnenanbau brillanteste Säuren entwickelt, da hier während des Tages hohe Temperaturen auftreten, in der Nacht aber, besonders in den Höhenlagen, die Temperaturen stark absinken, was mit einer hohen Säurebildung einhergeht. Das Wachstum der Kaffeepflanzen in den Höhenlagen ist aufgrund der niedrigen Temperaturen deutlich herabgesetzt gegenüber dem Wachstum in den zumeist wärmeren niedrigeren Lagen. Dementsprechend ist die Dichte der Kaffeebohnen in den Höhenlagen höher als die in den niedrigeren Lagen. Durch die zuvor beschriebene erhebliche Tag-Nacht-Temperaturabsenkung bilden die Kaffeebohnen eine ausgeprägte Säure.

Wachstum im Schatten

Im Schattenanbau erzeugter Kaffee aus niedrigeren Lagen weist ebenfalls aufgrund der langsamen Wachstumsbedingungen eine hohe Dichte auf – das Säuregerüst der im Schatten gewachsenen Kaffees ist dagegen nicht so stark ausgeprägt, da die Pflanzen tagsüber im Schatten keinen so hohen Temperaturen ausgesetzt sind und ebenfalls nachts nicht so stark auskühlen. Die Temperaturdifferenz und die damit einhergehende Säurebildung ist daher geringer ausgebildet. Neben diesen Faktoren sind auch die Bodenbeschaffenheit sowie die Genetik weitere wichtige Voraussetzungen und Merkmale der Säurebildung. Ferralsol-Böden (eisen- und aluminiumhaltige Böden) tragen ebenfalls stark zur Säurebildung bei. Ebenso repräsentieren die Kaffeeländer die Handschriften der ersten Farmer und deren Anbaustilen. Rückschnitt-Techniken, Pflanzungsanlagen (Ost-West-Richtungen, Terrain angepaßt, Höhenzulaufend, …), Propfung, Auswahl von Kultivaren, Beschattung (Schattenmenge, Schattenbäume) lassen Ursprünge von Pflanzungen meist auch noch nach Generationen erkennen und stellen wesentliche Einflussfaktoren für die Geschmacksbildung dar.

Regionale Unterschiede

Auch ist die Pflanzungsdichte nicht nur abhängig von den gesetzten Kaffeepflanzen, sondern auch vom individuell vorherrschenden Stil einer Region, die meist durch kulturelle Gemeinsamkeiten der ersten Generation der Kaffeefarmer bestimmt wurde. Süddeutsche Auswanderer wandten häufig Rückschnitttechniken aus dem Weinbau an, norddeutsche Pflanzer eher Pfropfungs-Techniken. Neben den Anbaubedingungen sind auch die Erntetechniken erheblich entscheidend für die Qualitäten oder das Flavourprofil der Kaffees. Die Ernteverfahren sind maßgeblich durch die Beschaffenheit der Pflanzung auf den Plantagen vorgegeben. In Steillagen muss manuell gearbeitet werden. Je nach Ernteertrag und gleichmäßiger Reifung der Kaffeekirschen wird dann selektiv von Hand gepflückt oder alle Kirschen gemeinsam abgestreift (im sogenannten Stripping-Verfahren). Neben den händischen Methoden des selektiven Pflückens (Selective Picking), bei dem in mehreren Ernterunden jeweils nur die reifen Kirschen abgeerntet werden, um eine möglichst hohe Kaffeequalität zu erreichen (erst in der letzten Ernterunde werden auch noch unreife Kirschen getrennt von den reifen Kirschen ebenfalls abgelesen) und dem Abstreifen (Stripping), das inzwischen auch in einigen Regionen und Ländern mit handbetriebenen Rüttelgeräten unterstützt wird, besteht auch eine vollautomatische Ernte. Hierzu muss die Pflanzung auf flachem Terrain ohne Schattenbäume und mit ausreichendem Abstand zum Durchfahren der großen Vollernter angelegt werden.

Neue Generation von Erntemaschinen

Die Qualitäten der vollautomatischen Ernte sind geringer als bei der manuellen Ernte – jedoch arbeiten modernste Vollerntemaschinen deutlich schonender als noch vor einigen Jahren und verursachen weniger Schädigung an den Pflanzen als ein ruppiges manuelles Abstreifen. Es ist inzwischen auch möglich, in verschiedenen Erntehöhen zu arbeiten und zunächst die oberen reifen Schichten abzuernten und erst in einer zweiten Ernterunde die tiefer innerhalb der Pflanze gelegenen, langsamer reifenden Kaffeekirschen abzuernten. Ein Vorteil der vollmaschinellen Ernte ist der unverzügliche Abtransport zur Verarbeitung mit geringem Fermentationsrisiko – häufig ist dies bei handgepflückten Kaffeekirschen in Kooperativen leider nicht der Fall. Um Arbeit einzusparen, werden Kaffeekirschen häufig nur nach mehreren Tagen Standzeit gepulpt und unterliegen damit einer langen unkontrollierten Fermentation. Eine besondere Qualität des Kaffees entsteht bei der Spätlese (Late Harvest), bei der sich auf den Kaffeekirschen eine Schicht von Edelfäule bildet. Wie auch beim Wein werden hierbei langkettige Zucker in kürzere und damit süßere Zucker aufgespalten, was sich später auch in der gebrühten Tasse deutlich bemerkbar macht. Einige Spätlesen erreichen einen um bis zu sechsfachen Zuckergehalt gegenüber normal geernteten vollreifen Kaffeekirschen.

Tierisches Interesse

Neben den Menschen interessieren sich auch einige Tiere für die süßen Kaffeekirschen. Je nach Land und Region handelt es sich um Palmroller (Zibetkatzen), Affen, Ziegen, Silberfüchse, Zwergfledermäuse, Elefanten, der Bronze- und der Bronzeguan („Jacu“) und Hirsche. Insbesondere der Liberica-Kaffee ist das bevorzugte Ziel der diversen Tiere. Die weit über dem Gehalt von Arabica- und Canephora- Kaffee liegende Süße ist den Tieren wohlbekannt und damit unwiderstehliches Objekt der Begierde. Die besonderen Qualitäten dieser von Tieren geernteten Kaffees liegen in der natürlichen Selektion von ausschließlich perfekt reifen Kirschen. Anders als Menschen orientieren sich Tiere nicht nur und ausschließlich an der Farbe der Kaffeekirschen, sondern auch am Geruch. Hierdurch können sie die ideal reifen Kaffeekirschen aussuchen, sofern die Tiere nicht in Gefangenschaft gehalten werden, wie dies bei den Zibetkatzen (der von Zibetkatzen geerntete Kaffee wird auch als Kopi Luwak bezeichnet) inzwischen leider in der großen Mehrheit traurige Wahrheit geworden ist.

Der Autor:

Dr. Steffen Schwarz ist crema-Autor der ersten Stunde und einer der renommiertesten Kaffee-Experten weltweit. Seine Informations- und Schulungsplattform „Coffee Consulate“ gilt als eine der Topadressen für die Kaffeeausbildung in Europa.