Coffee-Cupping wie die Profis – so geht’s

Um die Qualität Ihres Kaffees zu bewerten, brauchen Sie nur ein paar Utensilien aus Ihrer Küche und ein wenig Zeit. Mit etwas Übung werden Sie aber schon in kürzester Zeit in im Stande sein, die Qualität und Besonderheiten Ihrer bevorzugten oder erstmals erworbenen Kaffees zu bestimmen und in der Lage sein, aus dem mittlerweile reichen Angebot an (Spezialitäten-)Kaffees schließlich diejenigen auszuwählen, die Ihrem Geschmack und ihren Vorstellungen am nächsten kommen.

Was ist eine Kaffee-Verkostung?

Wie Wein, Tee und viele andere Produkte aus dem Lebensmittelbereich wird auch Kaffee auf professionelle Weise verkostet. Diese Verkostungen sind Teil der Gesamtbewertung eines Kaffees, und sie werden in der Regel nicht von den Produzenten selbst durchgeführt, sondern von Exporteuren (privaten oder Kooperativenverbänden), von staatlichen Einrichtungen (z. B. zur Qualitätskontrolle u./o. der Exportfreigabe), von Importeuren (die auf Basis der Verkostungsergebnisse entscheiden, welchen Kaffee sie für den freien Markt oder einen bestimmten Kunden kaufen), von sog. Agenten (die i.d.R. Kaffees an ganz bestimmte Kunden, meistens Großröstereien, vermitteln und Kaffees entsprechend den vorgegebenen Profilen ihrer Kunden finden müssen) und schließlich von den Röstern, die, sofern sie nicht selbst direkt im Anbauland einkaufen, von ihren Importeuren Muster bestimmter Kaffees anfordern, um zu sehen, ob diese ihren Geschmacksvorstellungen entsprechen. Bewertet wird immer Rohkaffee, von dem in speziellen Musterröstern ca. 100 g etwa 6–8 Minuten zur Verkostung geröstet werden.

Ziel einer Verkostung ist es, die Qualität eines Kaffees anhand eines Musters zu bewerten. Das Verkostungsprozedere und die Bewertungskriterien für den ungerösteten Kaffee sind weltweit weitgehend standardisiert, was nicht heißt, dass es speziell beim sog. cup tasting, also der Beurteilung des gerösteten Kaffees, doch viele kleine Unterschiede gibt.

Cup Tasting

Nach dem Mahlen und Aufbrühen der gerösteten Bohnen folgt das Herzstück der Verkostung, das cup tasting. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, diesen Vorgang, so wie er im professionellen Bereich praktiziert wird, im Einzelnen zu beschreiben. Da es uns ja vielmehr darauf ankommt, dass Sie zu Hause ohne größeren Aufwand zur Bewertung unserer Kaffees ein solches cup tasting selbst durchführen können, geben wir Ihnen in der Folge eine vereinfachte Form des Ablaufs, bei der jedoch alle wesentlichen Aspekte einer professionellen Kaffeeverkostung berücksichtigt sind.

Einfache Kaffeeverkostung

Bei der von uns empfohlenen vereinfachten Verkostung kommt es nicht darauf an, sich in sensorisch schwer wahrnehmbaren Details zu verlieren, sondern zu versuchen, die auffälligen, dominierenden Charaktereigenschaften eines Kaffees herauszufinden und Ihren normal zubereiteten Kaffee mit diesen zu vergleichen.

Unterschiede zur professionellen Verkostung

Der Unterschied gegenüber der professionellen Verkostung liegt darin, dass Sie zum einen nicht mehrere Tassen des gleichen Kaffees untereinander vergleichen, um irgendwelche Defekte in der einen oder anderen Tasse zu finden, und dass Sie zum anderen keinen Rohkaffee bewerten, sondern einen fertig gerösteten Kaffee, bei dem Sie keinen Einfluss auf den Röstvorgang haben, und der deutlich weniger Säure aufweist (sofern es sich um einen gut gerösteten Kaffee handelt) als der reine Verkostungskaffee. Aber das macht letztlich auch gar nichts, denn Ziel für Sie ist es ja, den von Ihnen im Geschäft oder bei einem Röster erworbenen Kaffee zu bewerten und die Zubereitung ggf. zu optimieren. Das sind methodisch gesehen auch schon die einzigen Unterschiede zur professionellen Verkostung. der Ansonsten ist Ablauf genau derselbe.

Worauf es ankommt

Was die sensorische Wahrnehmung betrifft, so sollten Sie keine übertriebenen Ansprüche an sich selbst stellen. Um Defekte wie muffig, schimmlig, erdig, fermentiert etc. (die in Ihrem Röstkaffee sowieso nicht mehr auftreten sollten) oder positive Eigenschaften wie blumig, weinig, beerig, zitrusfruchtig und mit leichter Schokolade im Abgang etc. in Aroma und Geschmack wahrzunehmen, bedarf es einer sehr geübten Zunge und Nase. Außerdem ist Ihr Kaffee, wie gesagt, nicht speziell für eine Verkostung, sondern für den Konsum geröstet, und bei Röstzeiten über 8–10 Minuten wird durch den Abbau der Säuren die Wahrnehmung solcher Eigenschaften zunehmend schwierig bis unmöglich. Entscheidend für Sie ist herauszufinden, hier wiederhole ich mich gerne, wie Ihr fertig gerösteter Kaffee optimal schmecken kann und wie es demgegenüber bei der von Ihnen bevorzugten Zubereitungsart der Fall ist.

Die Tassen

Stellen Sie für jeden Kaffee eine große Tasse (ca. 200 bzw. 350 ml) auf den Tisch und die entsprechende Kaffeetüte dahinter, um jegliche Verwechslungen von vornherein auszuschließen. Stellen Sie eine weitere Tasse hinzu. Diese füllen Sie später zur Reinigung des Verkostungslöffels mit dem heißen Brühwasser. Nicht selten werden auch dickwandige Gläser für die Verkostung verwendet.

Der Mahlgrad

Mahlen Sie nun nacheinander jeden Kaffee recht grob und geben Sie davon 7 g (bei 200 ml-Tasse) oder 14 g (bei 350 ml-Tasse) in die jeweils zugehörige Tasse. Besitzen Sie keine Mühle, so verwenden Sie fertig gemahlenes, aber wie gesagt, möglichst grob gemahlenes Kaffeepulver. Bei Verwendung von bereits gemahlenem Kaffee müssen Sie bei Aroma und Geschmack natürlich deutliche Abstriche gegenüber einem frisch gemahlenen Kaffee machen! Das Wasser-Kaffeepulver-Verhältnis kann durchaus variieren: Wir selbst bevorzugen das oben vorgeschlagene Verhältnis.

Der Duft des Pulvers

Nehmen Sie nun die erste Tasse in die Hand, rütteln das Pulver ein wenig und riechen Sie daran. Machen Sie das ebenfalls mit allen anderen Tassen. Wiederholen Sie den Vorgang so häufig, bis Sie meinen, Unterschiede riechen zu können. Versuchen Sie für jeden Kaffee den Duft mit ein, zwei Worten in einer zuvor angefertigten Tabelle zu beschreiben. Geben Sie der betreffenden Spalte den Namen „Duft des Pulvers“. Es genügt, wenn Sie Begriffe wie stark, intensiv, schwach notieren, vielleicht können Sie aber auch Eigenschaften wie süß, blumig, schokoladig, fruchtig etc. wahrnehmen.

Die Wassertemperatur

Kochen Sie Wasser auf und lassen es nach dem Kochen ca. 1 Minute stehen, damit es die für die Kaffeezubereitung ideale Temperatur von 92 – 96°C erreicht. (Bedenken Sie: je höher Ihr Wohnort liegt, desto niedriger ist der Siedepunkt! Je 100 Höhenmeter sinkt der Siedepunkt um 0,5°C; Wasser kocht deshalb z.B. auf 600 m über Meereshöhe bereits bei 97°C: es muß also nur wenige Sekunden stehen, um die Idealtemperatur für das Aufbrühen zu erreichen.)

Der Aufguss

Hat das Wasser seine Idealtemperatur erreicht, so gießen Sie so viel in die Tassen, bis sie halbvoll sind. Rühren Sie jeden Kaffee mit einem Löffel mehrmals um, so dass das Pulver mehr oder weniger zu Boden sinkt, und gießen Sie dann rasch so viel Wasser nach, bis jede Tasse knapp randvoll ist.

Stellen Sie rechts neben einen der zu bewertenden Kaffees eine Tasse desselben Kaffees, jetzt allerdings so zubereitet, wie Sie all Ihre Kaffees zu Hause üblicherweise zubereiten, gleichgültig ob per Aufguss, Filtermaschine, Bodum-Kanne oder im Vollautomaten.

Schöpfen Sie nun mit dem Löffel den auf der Oberfläche der Kaffees schwimmenden weißen Schaum vorsichtig ab, ohne dass das Kaffeewasser in Bewegung gerät. Danach lassen Sie die Kaffees ca. 6–8 Minuten stehen, damit der Kaffee ziehen und gleichzeitig abkühlen kann.

Das Aroma

Neigen Sie sich jetzt so weit wie möglich zu jeder einzelnen Tasse und riechen Sie das ausdampfende Aroma. Tauchen Sie nun zur intensiveren Wahrnehmung den Löffel leicht in die Oberfläche, bewegen ihn vorsichtig zum Körper hin, wiederholen den Vorgang mehrmals und riechen Sie, tief über die Tasse gebeugt, das ausströmende Aroma. Man nennt diesen Vorgang das „Aufbrechen des Kaffees“. Notieren Sie das, was Sie jeweils riechen in der angelegten Tabelle in der Spalte „Aroma“ oder „Duft des Kaffees“. Der „Duft“ kann als Teil des Gesamtaromas gesehen und gewertet werden.

Das Schlürfen

Haben die Kaffees eine angenehme Trinktemperatur erreicht, kann es mit dem Verkosten losgehen. Nehmen Sie hierzu einen ganz normalen Esslöffel, und füllen ihn ca. ¾ mit dem Kaffee in der Tasse. Führen Sie nun den Löffel zum Mund und versuchen Sie, den Kaffee ruckartig so in den Mund zu ziehen, dass die ganze Zunge bedeckt wird. Ganz wichtig: Lassen Sie dabei den Mund leicht geöffnet, damit gleichzeitig Luft mit eingesogen werden kann. Dieses „Schlürfen oder „Sippen“ ist eine Übungssache, und wenn Sie schon nach kurzer Zeit ein lautes Zischen, ein „ssssssssp“ dabei erzeugen, dann sind Sie – ganz ehrlich – ein Naturtalent. Beginnen Sie mit dem Schlürfen am besten am linken Ende Ihrer Tassenreihe und testen Sie Tasse für Tasse nach rechts hin durch.

Ich habe schon mit vielen Verkostern zusammengearbeitet, und jeder, wirklich jeder hat seine ganz eigene Technik beim Einziehen des Kaffees und der sensorischen Wahrnehmung im Mund entwickelt. Unser Rat: Legen Sie einfach alle Hemmungen ab – der Tisch lässt sich abwischen, der Boden aufputzen und das Hemd wieder waschen. Üben Sie einfach so lange, bis der Kaffee ohne Kraftanstrengung und so schnell wie möglich vom Löffel weg und in den Mund hinein verschwindet.

Ob Sie den Kaffee nur ein oder zwei Sekunden im Mund lassen oder ihn langsam von einem Winkel zum anderen rollen, auch hier sind der Entwicklung einer individuellen Technik kaum Grenzen gesetzt. Versuchen Sie einfach herauszufinden, bei welcher Verweildauer und bei welchem Zusammenspiel von Zunge, Gaumen und Wangen Sie die beste sensorische Wahrnehmung haben. Eines sollten Sie aber auf keinen Fall machen: den Kaffee schlucken! Spucken Sie jeden eingesogenen Kaffee wieder aus in eine kleine Schüssel, eine große Tasse oder was immer Sie gerne benutzen mögen.

Zwischen den Tassen wechseln

Beginnen Sie, wie erwähnt, bei der linken Tasse Ihrer zur Verkostung aufgereihten Kaffees. Schlürfen Sie, konzentrieren Sie sich ganz auf das, was Sie wahrnehmen, spucken Sie den Kaffee wieder aus. Gehen Sie zur nächsten Tasse, machen Sie das gleiche. Dann gehen Sie zurück zur ersten Tasse und wiederholen den Vorgang und vergleichen die beiden Tassen. Gehen Sie nun zur dritten Tasse, danach wieder zur ersten u./o. zur zweiten etc.

Machen Sie nach dem ersten Durchgang eine Pause von ein bis zwei Minuten, reinigen den Löffel in der Tasse mit klarem Wasser, spülen Ihren Mund mit Wasser aus und wiederholen den ganzen Vorgang. Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen, dass Ihre Wahrnehmung jetzt intensiver wird, Ihre Sensorik, vereinfacht gesagt, aktiviert ist. Notieren Sie in Ihre Tabelle alles, was Ihnen bei jedem Kaffee auffällt.

Nach zwei oder drei „Schlürf“-Durchgängen machen Sie bitte eine Pause von ca. 10 Minuten und wiederholen den gesamten Vorgang noch ein Mal. Sie werden jetzt wahrscheinlich mehr Nuancen feststellen können als im ersten Durchgang. Dies hängt zum einen mit einem gewissen Lerneffekt zusammen, zum anderen aber mit der Tatsache, dass die Nervenzellen bei abgekühlten Getränken eine höhere Wahrnehmung haben als bei heißen. Notieren Sie sich erneut, was Ihnen bei jedem einzelnen Kaffee auffällt.

Worauf gilt es zu achten?

Aber was kann Ihnen auffallen? Worauf gilt es, im Einzelnen zu achten? Im Wesentlichen sind dies vier Faktoren: Aroma, Säure, Körper, Abgang (Nachgeschmack) und Geschmack , die wir ausführlich bereits hier beschrieben haben. Versuchen Sie jeden einzelnen Faktor wahrzunehmen und für jeden Kaffee in ein-zwei Worten zu beschreiben – immer relativ gesehen zu den anderen Kaffees der Testreihe. Da es für Sie zu Hause unmöglich ist, sich an festgelegten, also absoluten Kriterien für die einzelnen Faktoren zu orientieren, müssen Sie die Kaffees immer untereinander, also relativ gesehen, bewerten. Sie können natürlich auch einen Kaffee Ihrer Wahl als Standard festlegen und alle anderen Kaffees im Vergleich zu diesem Standard-Kaffee bewerten.

Haben Sie die Verkostung abgeschlossen und die Einträge in Ihrer Tabelle miteinander verglichen, dann wissen Sie, und da können Sie sich ganz sicher sein, schon eine ganze Menge mehr über Kaffee. ˙