Cold Brew bezeichnet einen Kaffee, der mit kaltem Wasser gekühlt über mehrere Stunden lang ziehen gelassen wurde. Getrunken wird Cold Brew eiskalt, vorzugsweise auf Eiswürfeln. Cold Brew kann zudem als Basis für Cocktails dienen. Ein fruchtig zitroniger Kaffee, gemischt mit einem Schuss Bitter Lemon, auf Eiswürfeln in einem Tumbler serviert und mit etwas Rosmarin garniert, das kann schon eine besonderer Genuss sein.
Cold Brew ist keine neue Erfindung, bereits um das Jahr 1600 herum war in Japan diese Art der Zubereitung sehr populär. Die Bezeichnung Cold Brew ist seit circa zehn Jahren ein geläufiger Begriff in der Kaffeebranche. Schade, dass es heute Unternehmen gibt, die versuchen, sich solche Begriffe als Marke eintragen zu lassen und kleine Röstereien und Kaffeebetreiber abmahnen.
Wie so oft, stammen trendige Begriffe in der Kaffeebranche aus dem Amerikanischen. Der normale Konsument kann sich unter dem Begriff Cold Brew nur schwer etwas vorstellen. Der Versuch einer Übersetzung führt meist zur Ablehnung beim Konsumenten. Begriffe wie „kalt“ in Kombination mit „Kaffee“ werden entweder mit kaltem Kaffee oder mit Eiskaffee assoziiert. Dinge, die man nur kennen muss, um sie zu meiden.
Cold Brew bezeichnet das Verfahren der Herstellung und ebenso das Getränk selbst. Wie so oft erscheint die Herstellung sehr simpel. Wer es richtig lecker haben möchte, rauft sich jedoch meist die Haare. Kaffee grob mahlen, mit kaltem Wasser aufgießen, mehrere Stunden im Kühlschrank ziehen lassen, filtern, fertig. Das klingt zunächst simpel, ist in der Umsetzung allerdings ungemein schwierig. So schade es auch ist, selbst in Coffeeshops ist Cold Brew nicht immer schmackhaft.
Was zeichnet Cold Brew aus?
Brühverfahren sind aus technologischen Möglichkeiten entstanden und wurden über die Zeit immer weiter verbessert. Der Aufstieg des Espressos und der Vormarsch der Dampfmaschinen gehen miteinander einher. Kontinuierliche Verbesserungen im Anbau, der Ernte und der Aufbereitung in den letzten Jahrzehnten haben dazu geführt, dass die Qualität der Rohkaffees immer weiter angestiegen ist. Der Bedarf nach Maschinen, die diese Unterschiede sichtbar machen, ist gestiegen. Druck- und Temperaturstabilität beim Brühen von Espresso sind heute selbstverständlich. Die Zubereitung wird immer exakter, ohne Waagen sieht man einen Profi heute keinen Kaffee mehr brühen. Dieses Wechselspiel aus Technologie und Herstellung führt zu einer stetigen Weiterentwicklung und Verbesserung der Kaffeequalität.
Besserer Rohkaffee und die Möglichkeit der perfekten Zubereitung hat dazu geführt, dass es wieder kleine Röstereien gibt. Die traditionellen Röstereien bedienen das neue Qualitätsspektrum nicht. Massenmarkt und gehobene Qualität passen einfach nicht zusammen, da verkauft man lieber mal eine Handtasche mehr. In Zeiten von „Geiz ist geil“ ist das auch logisch, der Markt für besondere Kaffeequalitäten ist ungemein kleiner als der Massenmarkt. Ein Extra an Qualität geht mit höheren Einkaufspreisen, manuellen Verarbeitungsschritten und längeren Produktionszeiten einher. Das treibt den Preis und den will nicht jeder bezahlen. Ganz zu schweigen von fairen Preisen, die alle in der Produktionskette an der Wertschöpfung teilhaben lassen. Auch hier sind es die kleinen Röstereien, die ethisch und nachhaltig arbeiten und das ohne industrielle Pseudo-Siegel, die das nur vortäuschen. Zudem sind es die Jungen, die die Innovationstreiber sind.
Unterschiedliche Röstungen für unterschiedliche Zubereitungen
Die Art der Röstung unterscheidet sich, in Abhängigkeit zum gewünschten Brühverfahren. Geschuldet ist dies primär dem Umstand, dass die Säuren im Rohkaffee in einem gewissen Rahmen durch den Röstprozess abgebaut werden müssen. Die größere Menge an Wasser erlaubt einen höheren Säureanteil bei Filterkaffee, im Vergleich zu einem Espresso. Die perfekte Röstung für Filterkaffee ergibt einen extrem sauren Espresso.
Die perfekte Röstung für Espresso einen flachen Filterkaffee. Es sind die Röstdauer sowie die -temperaturen, die einen Einfluss auf den Abbau der Säuren haben. Mit den Säuren verändert sich insgesamt der Charakter eines Kaffees. Dies hat einerseits mit der Wahrnehmung zu tun – ein bestimmter Säuregehalt fördert die Wahrnehmung fruchtiger Aromen – andererseits mit der Menge der vorhandenen Aromen selbst.
Die Aromen im Kaffee werden in drei Kategorien eingeteilt: enzymatisch, Sugar Browning und Dry Destillation. Enzymatische Aromen entstehen während des Wachstums der Pflanze, Sugar Browning Aromen entstehen durch die Maillard-Reaktion bei der Röstung und Dry Destillation Aromen entstehen durch die Verbrennung der Zellstoffe der Kaffeebohne. Enzymatische Aromen sind blumig, fruchtig und erinnern an Kräuter, Sugar Browning Aromen sind nussig, karamellig und schokoladig, Dry Destillation Aromen sind würzig, harzig und verbrannt (Karbon). Im Röstverlauf werden die enzymatischen Aromen abgebaut, Sugar Browning Aromen entstehen. Im weiteren Verlauf verschwinden die enzymatischen Aromen, Sugar Browning Aromen dominieren und Dry Destillation Aromen entstehen. Noch weiter im Röstverlauf verschwinden die Sugar Browning Aromen, es finden sich ausschließlich Aromen des Spektrums Dry Destillation.
Die Notwendigkeit, die Säure zu kontrollieren, geht einher mit den Aromen, die ein Kaffee in sich birgt. Dies erklärt den Trend zu säurebetonteren Espressos, bei denen die Aromen komplexer sind, zum Preis einer höheren Säure. Es erklärt auch, warum ein Filterkaffee interessanter sein kann, weil der Röster mehr auf die Aromen und weniger auf die Säure achten muss.
Doch was bedeutet all das für Cold Brew?
Der „kleine“ Exkurs war notwendig, um zu verstehen, warum Cold Brew ein so leckeres Getränk ergeben kann. Durch das Brühen bei kalten Temperaturen lösen sich Säuren und Bitterstoffe in einem wesentlich geringeren Maß. Der verwendete Kaffee darf und sollte säurebetont sein. Bei der Verwendung hochwertiger Rohkaffees bedeutet dies gleichzeitig ein Mehr an Aromen und Komplexität. Säurearme Röstungen und Röstungen von minderwertigen Rohkaffees sind ein Tabu. Cold Brew wird dann gut, wenn man hierzu außergewöhnliche Filterkaffees verwendet, je fruchtiger desto besser. Zu dunkle Röstungen ergeben ein Glas kaltes, verbranntes und bitteres Wasser, ohne besondere Aromen. Zu simple Kaffees ergeben einen „Kaffee Kaffee“, nichtssagend, irgendwie Kaffee, aber eben nicht besonders. Der richtige Kaffee hingegen ergibt ein spritzig fruchtiges Getränk, erfrischend und mit besonderen Aromen.
Auf die Plätze, fertig, brühen
Cold Brew benötigt eine deutlich höhere Dosis an Kaffee, im Vergleich zu einem herkömmlichen Filterkaffee. Die Faustregel für Filterkaffee besagt, dass 60 Gramm Kaffeemehl auf einen Liter Wasser verwendet wird. Bei Cold Brew können wir dies deutlich erhöhen, 80 Gramm sind ein guter Start, es darf aber auch mehr sein. Das Schöne ist, dass die Aromadichte durch eine Erhöhung der Dosis ansteigt, bei einem nur moderaten Anstieg der Säure. Die Verwendung säurebetonter Röstungen führt zudem dazu, dass im fertigen Getränk die Aromen des enzymatischen Spektrums hervortreten, mehr noch als bei Filterkaffee.
Die Brühzeit bei Cold Brew liegt irgendwo zwischen sechs und 24 Stunden. Generell gilt bei der Brühzeit, dass kurze Zeiten enzymatische Aromen und lange Brühzeiten Dry Destillation Aromen betonen. Kurze Brühzeiten benötigen eine höhere Dosis, längere eine geringere. Der Mahlgrad sollte bei einer höheren Dosis gröber und bei einer geringeren Dosis feiner sein, grundsätzlich ist der Mahlgrad für Cold Brew gleich oder gröber als der für Filterkaffee.
Meine persönliche Vorliebe sind Cold Brews, die an eine Limonade erinnern. Spritzig und fruchtig, also säurebetont und mit einem hohen Anteil an Aromen des enzymatischen Spektrums. Ich verwende ausschließlich gewaschene Kaffees, da Naturals von Haus aus weniger Säure besitzen. Vorzugsweise Kaffee aus Äthiopien, Ruanda oder Kenia, als Filterröstung. Für kleine Mengen eignet sich die Mizudashi-Glaskaraffe von Hario, deren Filtereinsatz erleichtert das spätere Filtern. Ich verwende circa 80 bis 90 Gramm an Kaffeemehl, grob gemahlen, auf einen Liter ungefiltertem kaltem Leitungswasser. Mineralreiches Wasser bindet die Säure besser und führt zu einem ausgewogenen Getränk. Um Kalkablagerungen muss man sich bei der kalten Brühung keine Gedanken machen. Die Mizudashi steht danach für einen Zeitraum von acht bis zwölf Stunden in einem separaten Kühlschrank, um die Aromaübertragung anderer Lebensmittel auf den Cold Brew zu verhindern.
Filtern gegen Fines
Nach der Brühzeit muss der Kaffee mehrmals gefiltert werden, dies geht mit handelsüblichen Papierfiltern, in der Regel muss man diese mehrfach wechseln, da sie sich schnell zusetzen. Das Filtern ist notwendig, um die Kaffeepartikel restlos aus dem Getränk zu entfernen. Tut man dies nicht, zieht der Kaffee weiter und das Getränk wird über die Zeit immer bitterer und die Aromen verändern sich. Der ganze Prozess der Herstellung eines Cold Brews ist aufwendig und dauert auch seine Zeit.
Ein wichtiger Faktor bei der Herstellung von Cold Brew sind Fines. Das sind feinste Partikel, die beim Mahlen entstehen. Diese sind deutlich kleiner als die Partikel des eingestellten Mahlgrads. Bei Espresso sind Fines essenziell, um die Flussrate des Wassers durch den Kaffeepuck zu reduzieren, sie dichten den Kaffeepuck ab. Bei Filterkaffee und bei Cold Brew stören diese hingegen. Fines extrahieren deutlich schneller, erzeugen bittere Noten und betonen das Sugar Browning- und das Dry Destillation-Spektrum der Aromen. Zudem setzen sie den Filter beim finalen Filtervorgang schnell zu, sodass dieser häufig gewechselt werden müssen. Für die Herstellung eines guten Cold Brews empfiehlt sich die Verwendung eines Kruve Coffee Sifters, mit dem man die zu feinen Partikel vorab heraussiebt. Der offensichtliche Nachteil ist die Verschwendung von Kaffeepulver.
Gut Ding will Weile haben
Ein gravierender Nachteil von Cold Brew ist, dass es Zeit dauert, das richtige Rezept für einen Kaffee zu finden. Ein Brühvorgang dauert mehrere Stunden, erst danach kann man sagen, was am Getränk verändert werden sollte. Folgende Faustregeln helfen, das Getränk in den Griff zu bekommen.
Solange die Säure noch als schwach empfunden wird, kann die Dosis erhöht werden. Eine hohe Dosis erlaubt, bei einem gröberen Mahlgrad kürzere Brühzeiten. Höhere Dosis und ein gröber werdender Mahlgrad gehen miteinander einher. Die Dosis sollte bis an den Punkt angehoben werden, an dem die Säure als spritzig und fruchtig empfunden wird, nicht als dominierender saurer Eindruck.
Stimmt die Säure, ist zu prüfen, ob die Komplexität der Aromen ausreicht. Ist dies nicht der Fall, sollte zunächst die Brühzeit verlängert werden. Reicht das nicht, sollte der Mahlgrad stufenweise feiner gestellt werden. Längere Brühzeiten und ein feinerer Mahlgrad verschieben den Fokus der Aromen von enzymatisch zu Sugar Browning, im Extremfall zum Dry Destiallations-Spektrum der Aromen. Der Einfluss des Mahlgrads ist hierbei größer als der der Brühzeit. Für die Zubereitung eines Cold Brews sollte kein zu frischer Kaffee verwendet werden. Drei Wochen Ruhe ab dem Röstdatum sind durchaus eine gute Orientierung, gerne auch schon mal etwas länger.
Die Herstellung von Cold Brew in einem größeren Maßstab ist ungemein schwierig. Es gibt zahlreiche Behältnisse, mit Filtern, aus Kunststoff und Edelstahl. So richtig gut funktioniert keiner davon. An die Qualität eines mit einer Mizudashi gebrühten Cold Brews reichen diese nicht heran. Ebenso bin ich kein Freund der Dribbler, bei denen Wasser tropfenweise über Nacht durch ein Kaffeebett laufen gelassen wird. Das Resultat dieser Dribbler ist meist bescheiden, enzymatische Aromen gehen verloren.
Was ist Cold Infusion?
Cold Infusion ist eine Idee von uns bei backyard coffee. Wegen der Probleme bei der Zubereitung von Cold Brew im großen Maßstab haben wir nach einem Weg gesucht, wie man ein kaffeebasiertes Kaltgetränk mit dem Charakter eines Cold Brews brühen kann, ohne die ganzen Probleme der Herstellung. Auch das Problem der Lagerung sollte gelöst werden, denn Cold Brew wird oft über mehrere Tage hinweg im Kühlschrank gelagert und ausgeschenkt, schmeckt am zweiten und dritten Tag aber merklich schlechter und bitterer als am ersten Tag.
Cold Infusion ist ein frisch gebrühter Filterkaffee, unterextrahiert und direkt auf Eis gebrüht. Unterextrahiert bedeutet, wir holen nicht alles aus dem Kaffee heraus, was dieser zu bieten hat. Was wir aber primär aus dem Kaffee herausholen, sind die enzymatischen Aromen und die Säure. 1/3 der Gesamtmenge des fertigen Getränks sind Eiswürfel, 2/3 werden gebrüht. Wir arbeiten in der Regel mit einer um 20 Prozent höheren Dosis und einer verkürzten Brühzeit. In 2:30 Minuten brühen wir 300 g Kaffee auf 150 g Eiswürfel, bei einer Dosis von 30 Gramm. Im Ergebnis haben wir knapp 450 g Cold Infusion. Kalt, frisch gebrüht, in einer gleichbleibenden Qualität. Im gastronomischen Umfeld arbeiten wir mit dem SP/9-Brühsystem von marco, hiermit lassen sich in kürzester Zeit mehrere Liter an Cold Infusion frisch herstellen.
Cold-Brew – Kombinieren ist erlaubt
Egal ob Cold Brew oder Cold Infusion, die Ausgangsbasis ist immer ein guter Filterkaffee. Das Sieben der Kaffeepartikel ist dabei sehr zu empfehlen, ebenso wie die Herstellung kleinerer Batches, da die Brühzeiten hier kürzer sind und enzymatische Aromen dominieren.
Tonic, Bitter Lemon, Ginger Ale, Rohrzucker, Minze, Rosmarin, Früchte und selbst gemachte Sirupe lassen sich hervorragend mit Cold Brew kombinieren.
Und auch so manche Kombination mit Alkohol ergibt ein leckeres Ergebnis. Selbst bei hohen Temperaturen gibt es nun keine Ausrede mehr, keinen Kaffee zu trinken. ˙
Über den Autor:
Wolfram Sorg betreibt in Frankfurt am Main die Spezialitäten-Rösterei „backyard coffee“. Er beschäftigt sich seit 2007 intensiv mit dem Thema Kaffee und hat dazu bereits zahlreiche Fachartikel veröffentlicht. Er ist Deutscher Barista-Meister 2011 und zertifizierter SCA-Trainer. Mehr unter www.backyard-coffee.com