Dalla Corte Studio im Test

Zumindest designtechnisch haben die Norditaliener von Dalla Corte zur Zeit einen ausnehmend guten Run. Bereits die Dalla Corte Mina konnte den Maschinisten ästhetisch im Sturm nehmen, und auch der Nachfolger des eher unansehnlichen Kult-Dualboilers Mini – die Dalla Corte Studio genannt – lässt diesbezüglich nichts anbrennen. Abzuwarten bleibt da schon eher, wie viele Heimbaristi letztlich bereit sind, für verfeinerten Look, eine Rotationspumpe sowie ein paar Zusatzfeatures nahezu das Doppelte hinzublättern. Spot an, Film ab.

Erstkontakt mit der Dalla Corte Studio

Meine Herren, ist die schön. Der Maschinist traut seinen Augen kaum, als unter der ähnlich schnieken Verpackung die runderneuerte Mailänderin zum Vorschein kommt. Kein Zweifel: Aus dem hässlichen Entlein ist ein sauber gezeichneter Schwan geworden; sogar in schlichtem Schwarz. Das Design der Dalla Corte Studio ist dabei klar an jenes des Flowrate-Profiling-Topmodells Mina aus dem gleichen Stall angelehnt, wobei deren reichlich wackelige Plastik-Drehknebel zum Glück robusten Kippschaltern für Kaffeebezug und Dampf gewichen sind. Auch sonst wirkt alles hochwertig verarbeitet – weshalb die kleine Dalla Corte Studio dann auch ohne Vorwarnung an die Rückenmuskeln stolze 27,5 Kilo auf die Waage bringt. Die im Gegensatz zur Mini verbaute Rotationspumpe tut ihr Übriges.

Das könnte die Dalla Corte Studio besser machen

Das einzige, was hier mal so gar nicht geht, ist neben dem mit Schlagseite montierten Manometer (!) die Konstruktion des Wassertanks, der dermaßen dämlich mit dem Stutzen des Ansaugschlauchs kollidiert, dass eine Entnahme desselben zum Säubern bloß unter veritabler Gewaltanwendung gelingen will. (Gute Frage in diesem Zusammenhang, ob es in diesem Preissegment im Jahre 2019 nicht generell ohne Schlauchlösung geht.) Eine Abtropfschale mit Kunststoff-Innenleben? Gut, muss auch nicht unbedingt sein. Ebenso die ärgerliche Augenwischerei, dass sämtliche Werbefotos der Maschine den technisch nötigen, links über dieser Schale angebrachten Auslauf unterschlagen. Schön ist der nämlich nicht wirklich – aber eben da.

Der Rest fällt eher in den Bereich „Philosophie“. So hält Famiglia Dalla Corte weiterhin am wenig gebräuchlichen, fummeligen 54mm-Siebmaß fest, und auch ein Heißwasserventil existiert – zum Henker mit den schlappen 4.490,00 €! – nach wie vor nicht. Warum? Na, aus Gründen halt! Für den Maschinisten persönlich allerdings kommt die fortdauernde und ebenso willkürliche Ausgrenzung sämtlicher Americano-liebender Kaffee-Connaisseure – also einer kompletten demografischen Schicht – nachgerade einem Fall fürs Völkerrecht gleich. Besänftigen lässt er sich dagegen durch ein in der Tat prall geschnürtes Zubehörpaket, das neben den üblichen Verdächtigen à la Fettlöser, zwei Siebträgern und mitunter einem höherwertigen „Pressino“ sogar vier Tassen, eine Schürze, eine alternative Dampfdüse sowie eine Tampingmatte inkludiert. Sauber.

Die Dalla Corte Studio: Von außen nach innen

So clean wie ihr Exterieur kommt löblicherweise auch das Innenleben der Dalla Corte Studio daher. Thermisch vorbildlich separiert, befinden sich die wasserführenden Komponenten – allen voran der bei Bedarf natürlich abschaltbare, liegend installierte 1,5-Liter Dampfboiler sowie die Rotationspumpe – links des Stahlblech-Trenners, Tank und Elektronik dagegen rechts. Im Ernst: Ganz, ganz selten haben wir eine solch aufgeräumt wirkende Espressomaschine gesehen – zumal bei derart beengten Verhältnissen. Kompliment. Kurioserweise hat Dalla Corte das Brühdruckmanometer übrigens nicht zu seinem schief installierten Kollegen aufs Frontblech gesetzt, sondern konspirativ in den Tankbereich verlegt, während das niedliche Display im Normalbetrieb neben Brühtemperatur und Bezugszeit sogar die Durchflussrate (!) anzeigt. Eingestellt werden alle Parameter über einen direkt darunter befindlichen kleinen Dreh-/Drückschalter aus Stahl, was spätestens die Programmierung des löblicherweise vorhandenen On/Off-Timers zur Geduldsprobe werden lässt. Doch zurück zum Innenleben der Mailänder Macchina. Denn da gibt es noch eine spannende Besonderheit: Sämtliche Bauteile der Dalla Corte Studio, die mit Wasser in Berührung kommen, sind konsequent aus bleifreiem CW510L-Messing gefertigt. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Entwickler über all der Konzentration auf den chemischen Fußabdruck etwas unserer Meinung nach nicht ganz Unwesentliches vergessen haben, nämlich einen Ablass für den Dampfkessel. Insbesondere bei Boilern, die kein Heißwasserventil besitzen, ist es sowohl aus sensorischen als auch aus Gründen der Kalkbekämpfung wichtig, ab und an für einen Austausch zu sorgen. Für ein paar Euro mehr wäre dies nicht nur Servicetechnikern, sondern auch dem Besitzer oder der Besitzerin selbst möglich gewesen. Hier wurde fraglos am falschen Ende gespart.

Auf Herz und Nieren

Zum Glück ist unser eben eingefülltes Purania-Wasser frisch wie ein früher Mai-Morgen in der Toskana, so dass wir ohne Sorgenfalten auf der Stirn loslegen können. Die Inbetriebnahme des Geräts an sich gestaltet sich ausnehmend simpel: Nach dem Umlegen des solide ausgeführten Netzschalters meldet sich flüsterleise die Pumpe zu Wort, genehmigt sich einen ordentlichen Schluck aus der Pulle – und los geht’s nach ca. 10 schlanken Minuten Aufheizzeit mit dem ersten, manuell gezogenen Shot. Selbiger kann unsere Gaumen trotz perfekter 93,5°C Brühtemperatur noch nicht überzeugen, denn deutlich zu fix rinnt das Nass durch den Kaffeepuck. Auch Versuch Nr. 2 bringt aufgrund von nun zu feiner Mahlung noch nicht das gewünschte Resultat, tendiert arg rüde in Richtung Bitterkeit und Waldbrand. Beim dritten Anlauf treffen wir dann jedoch in Form eines 30-Sekunden-Bezugs voll ins Schwarze, und die Gran Miscela spielt satt und süß Fangen mit den Geschmacksknospen. Maserung und Dicke der Crema sind gar sensationell. Auch die Shot-to-Shot-Konsistenz der Studio entpuppt sich in der Folge als hervorragend, was sie in Verbindung mit der einfach zu programmierbaren Volumetrik zu einer tollen Alltagsbegleiterin macht.

Wir hätten im Folgenden gerne noch mit der im Manual und auf allen Webseiten angepriesenen programmierbaren Preinfusion gespielt, doch leider ist diese Funktion bis dato scheinbar lediglich bei Umrüstung der Studio auf Festwasserbetrieb möglich. Die entsprechenden Menüs sind über den Drehschalter nicht einmal einsehbar. Auf Nachfrage versprach der Hersteller, dass dieser Makel mit der nächsten Software-Version Geschichte sei. Wir meinen, hier wäre ein entsprechender Hinweis in der Bedienungsanleitung fair. Doch kommen wir abschließend zu Positiverem: der überzeugenden Dampfleistung der Dalla Corte, die ihren Sturm bequem über den robusten Kipphebel in Szene setzt. Feinporigster Latte-Art-Schaum ist hier Formsache, und auch größere Mengen sind überhaupt kein Thema. Dank der zweiten mitgelieferten Düse sollte hier wirklich jeder mit ein bisschen Übung sein Dampf-Eldorado finden.

Resümee

Wäre die Dalla Corte Studio ein bisschen günstiger, sie würde mit Sicherheit einen Siegeszug durch (nicht nur) deutsche Küchen antreten. Denn vieles an ihr – Temperaturstabilität, Dampfleistung, Espressoqualität, das eigenständige Design und größtenteils die Verarbeitung – ist geradezu vorbildlich. Die A-Note stimmt also. Leider fehlen ihr unerklärlicherweise ein paar Dinge, die in dieser Preisregion fast Pflicht sind, allem voran ein Teewasserventil (oder zumindest ein Kesselablass, falls nicht vorhanden!). So aber ist sie unterm Strich lediglich eine recht kostspielige, um einige nette Elektronik-Features erweiterte Reinkarnation der Mini – zum nahezu doppelten Tarif. Immerhin hat ab jetzt La Marzoccos Linea Mini eine ernstzunehmende Konkurrentin

  • Maße (Breite/Höhe/Tiefe in cm):  32,1 x 39 x 40 cm
  • Gewicht: 27,5 kg
  • Leistungsaufnahme: 1.970 W
  • Kesselvolumen:  1,5 Liter (Dampf/Heißwasser), 0,5 Liter (Kaffee)

Features:

  • PID-gesteuertes Dualboiler-System
  • Volumetrik
  • Digitaldisplay
  • Dampfboiler bei Bedarf abschaltbar
  • Shot Timer
  • integrierter On/Off-Timer
  • Festwasser möglich
  • Reinigungsprogramm
  • programmierbare Preinfusion (7 Settings)
  • div. Farbvarianten

UVP: 4.490,00€

Hersteller-Website: Dalla Corte

  • Temperaturstabilität
  • Dampfleistung
  • Espressoqualität
  • Eigenständiges Design
  • Hoher Anschaffungspreis
  • Kein Teewasserventil
  • Abtropfschale mit Kunststoff-Innenleben