Defekte bei Rohkaffees

Welche Arten von Defekten können bei Rohkaffees auftreten und wie wirken sie sich auf die Röstung und die Sensorik aus? In unserer Serie stellt uns der crema-Autor und Kaffeeexperte Dr. Steffen Schwarz die wichtigsten Wissensgrundlagen vor, für alle, die beim Thema Kaffee mitreden möchten.

Der Ausdruck Defekt (lat. defectus: geschwächt) bezeichnet allgemein einen Schaden oder Fehler. Es liegen also Schäden oder Mängel im oder am Rohkaffee vor. Diese können in sichtbare und unsichtbare Defekte eingeteilt werden. Die sichtbaren Defekte schlagen sich in den Bewertungen (Klassifizierungen, Grading) des Rohkaffees nieder, die unsichtbaren werden derzeit nur gemeinsam mit den sichtbaren in der Verkostung, dem Cuptasting, sensorisch erfasst. Es setzt viel Übung voraus, diese Defekte sensorisch zu erkennen und einzeln zuordnen zu können. Gezielte Schulungen können dabei helfen, die Genese der Defekte, deren Vorkommen, Ursachen und Einflüsse auf das Flavourprofil zu vermitteln, dafür haben wir eigens Masterclasses entwickelt.

Laboranalytische Methoden, die die unsichtbaren Defekte ebenfalls darstellen könnten, beziehen sich derzeit meist nur auf den Nachweis von Toxinen. Hierzu zählen Rückstande von Spritzmitteln (Herbizide, Pestizide, Schwermetalle …) oder Abbauprodukte von Pilzen und Bakterien (Aflatoxin, Ochratoxin …). Ebenso werden mögliche Kontaminationen mit Giften und Schwermetallen während der Lagerung oder des Transports erfasst. Rohkaffee wird in jeder Charge einzeln untersucht und bewertet. Hierzu werden meist 300 g Rohkaffee entnommen und analysiert. Seltener werden Analyseverfahren angewandt, die mit 500 g oder 1.000 g Kaffeebohnen arbeiten. Der Vorgang der Qualitätseinstufung oder Klassifikation wird international als Grading bezeichnet.

Andere Länder, andere Klassifikationen

In fast allen Produktionsländern bestehen eigenständige Klassifikationssysteme, die ebenfalls die je nach Produktionsland typischen Defekte und deren Bewertung nach Einfluss auf den Handelswert festlegen. Die beiden bekanntesten im internationalen Handel gebräuchlichen Äquivalenztabellen sind die New York Table of Equivalences und die Classificação oficial Brasileira (COB). Beide ordnen die in einer 300 g Rohkaffeeprobe enthaltenen Defekte den Handelsklassen von 1–8 zu. Die COB ist dabei strenger. Die New York Table of Equivalences erlaubt 450 Fehlerpunkte bis zur Handelsklasse 8, die Classificação oficial Brasileira dagegen nur 360 Fehlerpunkte.

Während aller Phasen der Produktion des Kaffees können Defekte entstehen, Fremdkörper eingebracht oder schädliche, geschmacklich verändernde Substanzen aufgebaut werden. Es ist daher für die Kaffeequalität von erheblicher Bedeutung, dass ein möglichst präzises und kontrolliertes Auslesen von Fremdkörpern, geschädigten und kontaminierten Bohnen erfolgt, um eine hochwertige Tasse Kaffee zu erhalten.

Die Ursachen der Defekte können verschiedene Gründe haben und verteilen sich über die gesamte Wertschöpfungskette des Kaffees. Sie können nach ihrem Entstehungszeitpunkt klassifiziert werden. Während der Wachstumsphase können Entwicklungsstörungen, Mangel an Nährstoffen, Wassermangel oder Schädlingsbefall (an Kirschen, Blättern, Stamm oder Wurzel) zur Schädigung und damit einhergehenden Defekten führen.

Defekte bei Ernte, Lagerung und Transport

Bei der Ernte kann es zu mechanischen Schädigungen der Kaffeekirsche (oder Kaffeebohne), zu einer unkontrollierten und übersteigerten Fermentation sowie zum Einbringen von Fremdkörpern kommen (meist Äste, Aststückchen, Blätter oder fremdes Pflanzenmaterial von benachbarten Bäumen und Sträuchern). Auch während der Verarbeitung können diverse Defekte entstehen. Zunächst müssen hier als Quellen behandelt werden: mechanische Schädigung (bei gewaschenen Kaffees meistens Pulperschäden), eine fehlerhafte Fermentation, eine ungleichmäßige oder unzureichende Trocknung, zu hohe Trocknungstemperaturen, Einbringen von Fremdkörpern (zum Beispiel durch das Ausbreiten und Wenden des Kaffees auf den Trocknungshöfen und Vermengung mit dort befindlichen Steinchen, Steinen, Fruchtsamen, Splittern von Holzteilen der Arbeitsgeräte etc.) oder Kontaminationen mit Giften oder unerwünschten Geschmacksstoffen (aus dem verwendeten Wasser der Aufbereitung, von den Oberflächen der Trocknungshöfe).

In der Zeit der Lagerung, sowohl vorm Verschiffen als auch im Konsumland können weitere Defekte und Fehltöne durch Temperaturschwankungen, überhöhte Feuchtigkeit und Fäulnisbildung, Kontaminationen mit Giften oder unerwünschten Geschmacksstoffen (durch zuvor in den gleichen Räumen oder gemeinsam gelagerte Substanzen) und nicht zuletzt durch Schädlingsbefall entstehen.

Zuletzt kommt es zu Defekte beim Transport des Kaffees durch Temperaturschwankungen, überhöhte Feuchtigkeit und Fäulnisbildung (im Container), Kontaminationen mit Giften oder unerwünschten Geschmacksstoffen (durch vorher im Container befindliche Chemikalien) sowie Schädlingsbefall (häufig durch Übergang aus benachbarten Containern).

Defekte beim Anbau

Zahlreiche Schädlinge sind während der Wachstumszeit für Schädigungen verantwortlich. Sie setzen sich aus Pilzen, Motten, Blattläusen (Aphiden), Schildläusen (Cocciden), Milben, großen Insekten (Schmetterlinge, Käfer, Heuschrecken …) und Nematoden zusammen. Die Schädlinge greifen zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Orten die Kaffeepflanze an.

Sie lassen sich daher je nach der Lokalisation der Schädigung in Schädlinge der Blätter, des Stammes und der Zweige, der Wurzeln sowie der Kirschen und Kaffeebohnen einteilen. Zu den Blattschädlingen zählen u.a. der Kaffeerost, die Silberdrahtkrankheit oder auch der Rußtau. Die bekanntesten Vertreter der Wurzelschädlinge sind Engerlinge, Maulwurfsgrillen und Wurzelälchen. Die Kaffeekirschen werden u.a. befallen von der Kaffeekirschenkrankheit (coffee berry disease), dem Kaffeekirschenkäfer oder auch dem Kaffeebohrer (Coffee berry borer).

Je nach Kaffeeanbaugebiet und angebauter Kaffeeart und -varietät sowie in Abhängigkeit vom Klima (während des Anbaues, der Ernte und der Verarbeitung), wird das Entstehen unterschiedlicher Defekte begünstigt.

Schwarze Bohnen

Schwarze Bohnen (Black Beans/Granos Negros), sind Bohnen, die teilweise oder vollständig schwarz aussehen. Ursache ist ein Pilzbefall der Kirsche, z. B. durch Colletotricum coffeanum (Coffee berry disease [CBD]), mit einem resultierenden adstringierenden, bitteren, verbrannt und aschig imponierenden Flavour.

Saure Bohnen

Saure/Braue Bohnen (Sour/Brown Beans/Granos Marr nes), zeichnen sich durch teilweise oder vollständige Braunfärbung aus. Es kommen mehrere Ursachen für diese Schädigung infrage: 1. Befall der unreifen Kirsche durch Antestia- Wanzen und andere Insekten oder Befall durch Schimmelpilze 2. Fehlfermentation während der nassen Aufbereitung oder 3. Fehlfermentation von überreifen Kirschen bei der trockenen Aufbereitung.

Dunkelgrüne Bohnen

Dunkelgrüne Bohnen (Dark Green Beans/Granos Oscuros Verdes) wurden zu schnell oder zu heiß getrocknet und bilden adstringierende, faulige und animalische Aromen aus. Unterentwickelte Bohnen (Quaker/Granos Subdesarrollados) sind schrumpelige, nicht vollständig ausgebildete Bohnen, die auf einen Nährstoffmangel der Pflanze zurückzuführen sind. Diesen Bohnen fehlt Säure und ein gut ausgeprägter Körper, sie sind aromenarm, bitter und adstringierend. Unreife Bohnen (Unripe Beans/Granos Inmaduros) sind helle, ausgebleichte Bohnen, die durch verfrühtes Pflücken von Kaffeekirschen vor dem Erreichen einer vollen Reife entstanden sind. Die Kaffeebohnen zeichnen sich durch hohe Adstringenz, ein starkes Erdnussaromaåmit chemischen oder medizinischen Noten sowie Bitterkeit aus.

Verblasste Bohnen

Verblasste Bohnen (Faded Beans/Granos Descoloridos) sind ebenfalls ausgebleicht und heller. Sie entstehen durch einen zu langen Verbleib in den Fermentationsbecken während der nassen Aufbereitung. Der resultierende Flavour ist durch fehlende Säure, geringen Körper, Adstringenz und Fermentationsnoten gekennzeichnet.

Angefressene Bohnen

Angefressene Bohnen (Eaten Beans/Granos Comidos) haben ein oder mehrere (0,3 bis 1,5 mm) Löcher, die auf den Befall von Hypothenemus hampei (Kaffeekirschenbohrer, Coffee berry borer) zurückzuführen sind. Es entsteht ein bitteres, teerartiges Geschmacksbild. Zerfressene Bohnen (Well Eaten Beans/Granos Bien Comidos) bezeichnen stark angefressene Bohnen, die zahlreiche (0,3 bis 1,5 mm) Löcher aufweisen, die auf den Befall von Hypothenemus hampei (Kaffeekirschenbohrer, Coffee berry borer) zurückzuführen sind. Es entsteht ein bitteres, teerartiges Geschmacksbild.

Gebleichte Bohnen

Gebleichte Bohnen (Bleached Beans/Granos Blanqueados) sind helle, ausgebleichte Bohnen, was durch Regenfall während der Trocknung oder sonstige Wasseraufnahme zurückzuführen ist. Den Kaffeebohnen fehlt Säure, sie sind aromenarm und haben einen nur sehr geringen, schwachen Körper.

Fehlentwickelte Bohnen

Fehlentwickelte Bohnen (Malformed/Madres), sind abnormal geformte Bohnen, die in einzelne Teile zerfallen, was auf eine Wachstumsstörung meist durch starken Regenfall während der Blütezeit zurückzuführen ist. Auch diesen Bohnen fehlt Säure und Körper, zudem neigen die Bohnenfragmente zum Anbrennen und Verbrennen mit damit einhergehender Bitterkeit. Ähnlich verhalten sich Muscheln (Shells/Conchas) und Bruchbohnen (Broken Beans/Granos Quebrados/Rotos), die einzelne Bruchstücke fehlentwickelter Bohnen sind, die meist durch mechanische Zerkleinerung von Bohnen während der späteren Verarbeitungsschritte entstehen. Auch diesen Bohnen fehlt Säure und Körper, zudem neigen Bohnenfragmente zum Anbrennen und Verbrennen und erzeugen dadurch Bitterkeit.

Pulperschäden und andere

Pulperschäden (Pulper Cuts/Cortes De Despulpador) sind vom Pulper angequetschte oder angeschnittene Bohnen, die durch eine falsche Einstellung des Pulpers – meist durch zu hohen Anpressdruck – hervorgerufen werden Diese Bohnen weisen Fermentationsnoten auf und neigen zum An- und Verbrennen. Neben diesen Defekten gibt es noch weitere Verarbeitungsfehler (Hornschalbohnen und kleine Kirschen) sowie Fremdkörper, die zumeist aus Kaffeekirschenschalen, Steinen, Erdstücken und Zweigen bestehen.

Zudem gibt es zusätzlich noch die zumeist unsichtbaren, nur sensorisch beim Cuptasting identifizierbaren Defekte wie Rio (medizinisches, jodartiges, erdiges, muffiges Aroma), dias auf Fehllagerungen mit zu hoher Luftfeuchtigkeit und Mikroorganismenbefall zurückzuführen ist. Weitere Defekte dieser Gruppe sind Stinker, Schimmelbohnen, Erdige Bohnen, Gummibohnen und Gerbbohnen, die alle faulige, fermentierte Aromen mit muffigem, häufiger auch gummiartigem Charakter präsentieren. Weit mehr über Kaffee, seine Verarbeitung und Genetik bieten unsere Workshops und die CoffeeBasics-Posterserie, aus der wir hier nur Auszüge vorstellen können.

Der Autor:

Dr. Steffen Schwarz ist crema-Autor der ersten Stunde und einer der renommiertesten Kaffee-Experten weltweit. Seine Informations- und Schulungsplattform „Coffee Consulate“ gilt als eine der Topadressen für die Kaffeeausbildung in Europa.