Im Test: Ambient Espresso Vesuvius

Der Maschinist Vs. Ambient Espresso Vesuvius

Aller-erster-Shot-mit-der-Vesuvius

Die „Vesuvius“ ist nichts weniger als eine Top-End-Heim-Macchina aus Neapel mit allem, was das Herz des Siebträger-Nerds schon vor der Koffeindröhnung höher schlagen lässt. Bei Izzo hat Antonio Nurri einst das Handwerkszeug in Sachen Dualboiler gelernt – nun geht er gleich drei Schritte weiter und lässt unter eigener Flagge ein ausgebufftes Pressure-Profiling-Kraftpaket auf Deutschlands Küchen los. Und attraktiv ist das Ding zu allem Überfluss auch noch! Wo sollte da also der Haken sein?

Erstkontakt
Ausnahmsweise hatten ich und die „Vesuvius“ schon eine kurze Vorgeschichte: Auf der Mailänder HOST (DER Messe für Espressotechnik schlechthin) brühte sie vor einem Jahr etwas versteckt an einem kleinen Messestand grandiose Espressos. „Du musst dir was ansehen“, zwinkerte mir mein Freund und Geschäftspartner Carlo Grenci zu und lotste mich zu seinem Kumpel Antonio. In der Tat war ich baff, denn das, was da so gar nicht außergewöhnlich aussah mit seinem E61-Brühkopf und all dem Edelstahl, hatte es nicht nur technisch faustdick unter der Haube, sondern erwies sich auch vom Fleck weg sensorisch als echte Ansage. Ich blieb gleichwohl skeptisch. Ein Prototyp mit tonnenweise Features und Touchscreen, noch dazu aus Süditalien? Hm. Highend-Anspruch trifft E61-Tradition? Nun ja.

Doch gerade mal zwölf Monate später steht das Ding dann tatsächlich auf der Maschinisten-Testbank. Lieferbar für schlappe dreieinhalb Scheine. Klingt viel, ist es aber angesichts der Fakten nicht.Ambient&presso-Vesuvius Dafür bekommt man noch nicht einmal eine Controvento und eine zumindest ansatzweise vergleichbare GS/3 Paddle erst recht nicht. Süditalienisch leicht sieht auch die stattliche Holzbox, in der die mit knapp 25 Kilo Gewicht sogar noch recht handliche Dame standesgemäß anreist, nicht wirklich aus. Wow! Sogar das üppige Zubehör (neben zwei Siebträgern mit Holzgriffen und anderen Essentials sind unter anderem auch einige Verschleißteile bis hin zur Ersatz-Ventilfeder im Lieferumfang) bekommt ein eigenes Holzköfferchen spendiert, wie nobel. So etwas bringen weder La Marzocco noch Kees van der Westen. Ein erster Rundgang nach dem „Unboxing“ enthüllt dann aber doch ein paar waschechte Mezzogiorno-Momente: So erreicht man den Ein-/Aus-Schalter lediglich, wenn man das seitliche Tankfach aufklappt, was bei Festwasserbetrieb und eingeschränktem Platzangebot durchaus mal enervierend werden könnte. Die Wasser- und Dampflanze in No-Burn-Technik wirken zwar hochwertig, bieten aber viel zu wenig Bewegungsfreiheit. Und was sich Signore Nurri bei den schlicht unterirdischen Schweißnähten an der Seite gedacht hat, bleibt vermutlich sein Rätsel bzw. wird hoffentlich ganz rasch verändert. Ein absolutes No-Go in dieser Preisklasse.

Steaming-mit-Vesuvius

Von außen nach innen
Nachdem die Füße montiert sind, wagen wir einmal einen neugierigen Blick ins aufgeräumte Innenleben. Mein lieber Herr Gesangsverein: Die „Vesuvius“ kann so richtig was! Zwei sorgsam isolierte, sinnvoll dimensionierte Edelstahlboiler werkeln hier Hand in Hand, beschickt ähnlich wie bei Marzoccos „Strada“ oder Sanremos „Opera“ – beide fast viermal so teuer(!) – mit einer hochwertigen Getriebepumpe. Erst diese Art der Pumpe schafft die Voraussetzung für den Nutzer, mit fünf verschiedenen, in bis zu sieben Stufen frei programmierbaren Brühdruckprofilen zu arbeiten, da sie während des Bezugs in der Geschwindigkeit variiert werden kann.

Aber auch sonst finden sich vielerorts kleine, nette Detaillösungen – bis hinab zum Füllstand des 3-Liter-Tanks, der via rückwärtig angebrachtem Sensor kapazitiv ermittelt wird. Und ist dann doch mal unabsichtlich Ebbe im Gefäß, bricht das Gerät mitnichten den Shot ab, sondern meckert brav erst nach beendetem Bezug. Sogar der verbaute Timer macht endlich mal Spaß, kann er doch nicht weniger als zwei An- und Ausschaltzeiten abspeichern. Pro Tag, wohlgemerkt. Als Interface haben sich die Entwickler schließlich für einen Touchscreen entschieden, über den alle wichtigen Parameter einfach und intuitiv erreicht werden. Ein schöner Kontrast im Übrigen zur rein manuellen Auslegung der „Vesuvius“, die über keinerlei Dosierelektronik verfügt, sondern per Levetta gesteuert wird. Was uns allerdings ein wenig Bauchschmerzen bereitet, ist die an sich nachvollziehbare Idee, auch bei Anschluss ans Festwasser den Kaffeeboiler über den Tank als Umweg zu beschicken – und so die Preinfusions- phase unabhängig vom Leitungsdruck konstant zu halten. Wir möchten uns lieber nicht ausmalen, wie feucht die Küche wird, wenn hier mal das falsche Einlassventil die Grätsche macht …

Auf Herz und Nieren

Befüllt und ans Stromnetz angeschlossen, kann es dann endlich losgehen. Nicht wirklich leise „öttelt“ die Getriebepumpe los und füllt flugs den Serviceboiler. Auch sonst präsentiert sich die „Vesuvius“ als flinkes Wiesel: Nach fünf Minuten ist der Brühkessel auf den voreingestellten 95 °C, nach neun Minuten auch der Dampfkessel am Start. Spaßeshalber starten wir einen Plug&Play-Testshot mit dem einzigen vorinstallierten Profil, das einer Handhebel-Extraktion nachempfunden scheint: fünf Sekunden bei zwei Bar, zehn Sekunden bei zwölf Bar, dann abnehmend zuerst sechs Sekunden bei acht Bar, danach jeweils vier Sekunden sechs, vier, schließlich zwei Bar. Das Resultat schaut optisch nahezu perfekt aus, läuft aber noch arg zäh und lässt sensorisch zweifellos noch Luft nach oben.

Unschoene-Loetnaht

Das Problem: Um die Mühle perfekt zu justieren, brauchen wir zunächst idealerweise ein lineares Druckprofil; es wäre toll, wenn ein solches bereits ab Werk hinterlegt wäre. Also erstmal alles eingestellt, dann gelingt auch bereits der zweite Shot bei stabilen 9,6 Bar mehr als passabel. Die meisten Heim-User wären mit dieser Qualität schon mehr als zufrieden, doch wir haben Blut geleckt – und versuchen abermals Druckprofil eins. Hossa! Satt cremt die Miscela aus der Preinfusionskammern-bereinigten Gruppe, voll und weich wirkt sie hinten heraus im Abgang. Leider kommt das Nass hierbei nicht bloß aus der Gruppe (Soll), sondern auch aus der Unterseite der Maschine: Schuld ist, so finden wir kurz darauf heraus, ein unbedarft angebrachtes, nicht abgedichtetes Passstück an der Rückwand der eigentlich großzügig bemessenen Abtropfschale. Und wo die „Vesuvius“ hier nicht warnt (Füllhöhe erreicht!), verbreitet sie in puncto Wassertank bereits Panik, wenn jener noch mehr als ein Drittel gefüllt ist. Abhilfe schafft in beiden Fällen ein Festwasseranschluss inklusive Abwasser. Doch zurück zum Wesentlichen: Sogar noch einen Tick mehr Kick und Tiefe können wir nach Trockenlegung des Küchenmöbels hervorkitzeln, indem wir weniger Stufen einziehen, gleich nach viersekündiger Preinfusion auf 9,6 Bar anziehen und dem Shot erst ganz am Schluss noch einige Sekunden Postinfusion angedeihen lassen. Bravissimo! Da fällt es dann am Ende fast nicht mehr ins Gewicht, dass die angezeigten Druckwerte bei Licht besehen Makulatur und alles andere als exakt sind. Denn statt an der Gruppe sitzt der Sensor irgendwo knapp hinter der Pumpe.

Bliebe noch das Dampf-Kapitel und genau hier erweist sich die Dame von Ambient&spresso kurioserweise als latent schwachbrüstig. Eigentlich müsste bei eingestellten 128 °C Kesseltemperatur die Luzie abgehen, doch weit gefehlt. Zwar klappt es beim zweiten Anlauf etwas besser, doch allzu zahmes Schäumverhalten im Verbund mit schlechter Beweglichkeit der Lanze verhindert auf diesem Terrain Bestnoten. Leider versteckt sich die Justage des Kesseldrucks zu allem Überfluss in den schwer erreichbaren Untiefen des lediglich über den Idle-Off-Modus erreich-baren Technikermenüs. Hier bitte unbedingt noch einmal nachdenken …

Touchdisplay-im-Betrieb

Resümee
Geben wir uns keinen Illusionen hin: Das Gros der privaten Nutzer dürfte von der Komplexität und den Möglichkeiten der „Vesuvius“ schlichtweg überfordert sein. Speziell der heilige Gral Pressure Profiling kann, wenn ohne Know-how verwendet, durchaus auch mal zum Vabanquespiel mutieren und eher halbgare Resultate zeitigen – zu beobachten an so manch überfordertem Strada-Besitzer in der bundesdeutschen Gastronomie. Echte Nerds und Könner indes werden an der Süditalienerin ihre helle Freude haben. Werden von Ambient&spresso nun noch ein paar unschöne „Schmutzecken“ (Abtropfschale, Lötnähte, Druckanzeige) beseitigt, könnte man fast von einem Schnäppchen reden.

Für die Ambient Espresso Vesuvius spricht:

  • weitreichende Programmierbarkeit
  • perfekte Espressoqualität (wenn sinnvoll eingestellt)
  • Flexibilität durch PID-Steuerung und Druckprofile
  • div. Energiesparmodi
  • hohe Temperaturstabilität dank separatem Wärmetauscher
  • Shot wird trotz niedrigem Wasserstand beendet
  • enorm viel Technik fürs Geld

Zubehoerbox-der-Vesuvius

Steckbrief

Maße (Breite/Höhe/ Tiefe in cm): 36,8 x 41,5 x 51 cm

Gewicht: ca. 25 kg

Leistungsaufnahme: 2.500 W (1.500 W im Eco-Mode)

Kesselvolumen:  0,8 Liter (Kaffee)/1,5 Liter (Dampf/Heißwasser)

Features:
» Dualboiler mit PID-Steuerung
» isolierte Boiler aus Edelstahl
» frei programmierbare Druckprofile (Pressure Profiling)
» hochwertige Getriebepumpe
» wahlweise Tank-/ Festwasserbetrieb
» Cool-Touch-Dampflanze
» Shottimer

UVP: 3.999,- €
Hersteller-Website: www.ambientespresso.it

Text & Bilder: Patrick Großmann