Im Test: KVDW Speedster

Der Maschinist Vs. KVDW Speedster

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Satte drei Monate Wartezeit nach Bestellung? Anschaffungspreis eines besseren Kleinwagens? Verstörte Familienmitglieder und Neubau der heimischen Espresso-Ecke? Kein Vertun: Das klingt nach einer Speedster! Seit 2008 baut der Niederländer Kees van der Westen das vermeintliche Nonplusultra der Siebträger-Szene in Kleinserie. Von Hand. Ausgefallenes Design trifft Dualboilertechnik vom Feinsten – da gehen selbst wir andächtig in die Knie …

Erstkontakt
Junge, Junge … was für eine Ansage. Soll mal keiner behaupten, eine Verpackung alleine könne kein Statussymbol sein: Ein Riesentrumm von Sperrholzkiste steht vor des Maschinisten Tür, unfassbare 80(!) Kilo schwer, und will mühsam, aber voller Vorfreude per Akkuschrauber geöffnet werden! Mit anderen Worten: Bei Kees van der Westen läuft ohne Spedition mal so gar nichts. Damit dem guten Stück unterwegs auch ja nichts geschieht, ist die externe Rotationspumpe fest am Boden verschraubt, die Maschine sorgsam per Querbalken fixiert und mit Schutzfolie satt gepolstert. Vorbildlich. Sollten Sie bereits Ihr Konto konsultieren, den nächsten Winterurlaub stornieren oder Lottoscheine ausfüllen (Achtung, potenzieller Scheidungsgrund!): Bitte planen Sie gleich auch noch eine neue Küche mit ein, denn das „Baby“ braucht extrem viel Platz. Herkömmliche Arbeitsflächen sind meist nicht tief genug und auch der mitgelieferte Enthärter sowie die im Unterschrank zu platzierende Pumpe benötigen Raum. Auch Wasseranschluss (3/8“-Außengewinde) sowie ein freier Stutzen fürs Abwasser sollten vorhanden sein.

Seitenansicht-der-Speedster

Steht sie dann erst einmal, geht allerdings die Sonne auf. Wow! Klar, Optik ist und bleibt Geschmackssache. Nicht jeder hat ein Faible für hochglanzpoliertes, an Flugzeugbau und schwere amerikanische Motorräder angelehntes Design. Man kann das protzig finden, aufgesetzt, over the top. Gleichwohl kann man sich der schieren Kompromisslosigkeit, mit der van der Westen hier zu Werke geht, nicht entziehen. Automatisch wird die Speedster, die in diversen Finishes geordert werden kann, zum Mittelpunkt des Geschehens, das auf alten Holzmöbeln genauso zu glänzen weiß wie als sorgsam gesetzter Kontrapunkt im Rahmen minimalistisch-geradliniger, moderner Küchenensembles.

Dass der Hersteller hier auch beim mitgelieferten Zubehör in die Vollen geht, ist angesichts des Preises fast Ehrensache, versteht sich aber beileibe nicht von selbst. Vom wertigen Edelstahltamper über VST-Präzisionssiebe, eine Wasserprobe oder die minutiöse Installationsanleitung bis hin zu T-Shirt, Shotgläsern sowie diversen Verschleißteilen ist einfach alles an Bord. Auch der Optionskatalog scheint schier endlos. Das, was uns indes wirklich sprachlos macht, ist die in jeder Hinsicht lupenreine Verarbeitungsqualität: Wo andere, selbst sündhaft teure Maschinen, nach wie vor scharfe Kanten zu Markte tragen, finden wir bei der Speedster sorgsam von Hand entgrateten, gleißenden Edelstahl. Glatt wie ein Babypopo.

Von außen nach innen
Ganz im Sinne der Kompromisslosigkeit steht auch die gesättigte, außenliegende 58-mm-Brühgruppe, die rein optisch eine Verwandschaft zu jenen nicht verhehlen kann, die Kees’ ehemaliger Arbeitgeber Marzocco in der GS/3 oder Strada verbaut. Manuell gestartet werden die Bezüge über einen rechter Hand installierten, dreistufigen Hebel. Darüber befindet sich der Kippschalter für das Heißwasser, der nach oben für kochendes Kesselwasser, nach unten für nach Gusto temperiertes Teewasser sorgt (der rechte Drehknebel ist reine Zierde und funktionslos). Die Abtropfschale erweist sich im Übrigen als fest verbaut, lässt sich aber leicht auswischen.

Temperiertes-Heißwasser

Rein technisch ist die Speedster dabei so etwas wie die kleine, eingruppige Schwester des Multiboiler-Boliden Spirit aus gleichem Hause: Zwei isolierte Edelstahlkessel von bemerkenswerter Größe (2,3 respektive 3,5 Liter) inklusive zusätzlichem Wärmetauscher zwecks Vorerwärmung des einfließenden Brühwassers sollen im Verbund mit den flott reagierenden, neuerdings von außen justierbaren Hochleistungs-PID-Controllern von Stork sowie einer potenten Heizung und der entlüfteten Gruppe dafür Sorge tragen, dass etwaige Temperaturschwankungen gen null tendieren. Der Fortschritt der Preinfusion, die nur mittels Leitungsdruck ohne zugeschaltete Pumpe vonstatten geht, lässt sich während des Brühvorgangs mittels eines langsam aus dem Gehäuse fahrenden Stahlstiftes beobachten. Auch das Innenleben der Speedster präsentiert sich übrigens derart sauber und akribisch konstruiert, dass man sprichwörtlich vom Fußboden essen könnte. Derlei kennt man höchstens von Highend-Manufakturen aus dem Hi-Fi-Bereich.

Auf Herz und Nieren
Man sollte es bei der Komplexität des Gegenstandes kaum glauben, doch die Installation erweist sich – nicht zuletzt dank der in Papierform und auf USB-Stick mitgelieferten, vorbildlichen Dokumentation – selbst für den handwerklichen Halblaien nahezu als Spaziergang (gut, der Wasserschlauch ist etwas umständlich zu befestigen). Zu exakt hat Onkel Kees alles vorgedacht und erläutert. Ist alles angeschlossen, muss man lediglich den Netzschalter betätigen und beide Boiler füllen sich automatisch. Während der Dampfboiler aufheizt, lassen wir die überflüssige Luft durch einfachen Leerbezug aus dem Kaffeekreislauf ab („bleeding“). In angesichts der Boilergröße geradezu rasanten zwölf Minuten steht die Lady unter Druck und eine Viertelstunde genügt vollauf, um in medias res zu gehen, respektive den ersten Shot zu ziehen. Zunächst aber kontrollieren wir routinemäßig die werksseitig eingestellte Temperatur des Dampfkessels und stellen überrascht fest, dass es Kees hier mit den maximal verfügbaren 135 °C etwas arg gut gemeint hat. Wir lassen uns lieber nicht das Kännchen aus der Hand fetzen und mildern etwas ab auf noch immer 126 °C.

Closeup-steamin'

Der Spaß, den es bereitet, die Speedster zu bedienen, lässt sich verbal schwer vermitteln. Alleine der haptische Vorgang – Bezugshebel aus der Ruheposition in zweite Stellung bringen, wo das Gruppenventil mit sattem „Klack“ öffnet, warten, bis der Preinfusionsstab voll ausgefahren ist, schließlich in die dritte Position einrasten, damit qua Pumpe die eigentliche Extraktion startet – ist ein Hochgenuss und macht Lust auf lange koffeinhaltige Sonntagnachmittage. Easy as stealing candy from a baby … das trifft den Nagel auf den Kopf. Denn was die ab Werk wundervoll voreingestellte Speed-ster mit den mitgelieferten VST-Sieben (im Einsatz ist das 15-g-Doppel) vom Fleck weg raushaut, schaffen andere (sogar teure) Maschinen höchstens nach langem Feintuning. Vorausgesetzt natürlich, man hat den Mahlgrad im Blick.

Bei 94,6 °C am PID-Controller (ohne Offset, also ca. 93 °C am Kaffee) ist das alles schon zum Schnalzen, doch geben wir etwas mehr Gas und gehen hoch auf 96 °C (respektive 94,5 °C), die qua Erfahrung perfekte Brühtemperatur für unsere sardische „Gran Miscela“ – prompt ist das persönliche Optimum zum Greifen nah: Letzte Säurespitzen sind wie weggewischt, die Tiefenstaffelung nimmt noch einmal merklich zu. In the name of fatness (also nur zum Spaß) spendieren wir final nun noch einmal zwei Gramm mehr bei leicht modifiziertem Malgrad – und sind im Espressohimmel angekommen! Unter- und Überschwinger sind bei alledem im 0,1–0,2 °C-Bereich, sofern sich das System eingeschwungen hat. Ein Bilderbuchwert.

Bliebe die Dampf-Performance. Kurz und bündig: Besser und schneller geht es einfach nicht. Nie verliert der Barista an der Speedster-Lanze dabei die Kontrolle, vorausgesetzt, er oder sie beherrscht die Kunst des Milchschäumens mehr als nur in Ansätzen. Absolute Anfänger dürften ob der schieren Wucht des Dampfes aus der Vierlochdüse ihre liebe Not haben, das holländische Biest zu zähmen. Wir empfehlen zu Beginn Einstellungen um die 120 °C oder einen Baristakurs, damit es nicht zu unnötigen Frustrationen kommt.

Allererster-Shot!

Resümee
Tja, was sollen wir sagen? Holland: zwölf Punkte! Fraglos ist eine Speedster kein Gerät für jedermann: dafür ist sie nicht nur zu teuer, sondern auch schlicht zu raumfüllend. Wer indes den nötigen Platz und Freude am handwerklichen Nonplusultra hat, der wird seine Kees van der Westen lieben bis in den Tod. Keine Maschine am Markt ist emotionaler, keine eigener, individueller. Sicher, sie taugt auch prima zum Statussymbol, wenn Rolex oder Edel-Oldtimer bereits alte Hüte sind. Am allerliebsten indes steht die Dame in der Küche wahrer Espresso-Freaks, die sie sich vom mühsam beiseite gelegten Ersparten gönnen. Die Welt kann so schön sein …

Für die KVDW Speedster spricht:

  • sensationelle Temperaturstabilität
  • Flexibilität durch hochwertigste Elektronik (2 x Stork-PID)
  • perfekte Verarbeitung innen wie außen
  • perfekte Espressoqualität
  • komplett in Handarbeit hergestellt
  • Dampfpower ohne Ende
  • vollständiges Zubehör im Lieferumfang
  • beispielhafte Installations- und Bedienungsanleitung

Speedster-mit-Zubehör

Steckbrief

Maße (Breite/Höhe/ Tiefe in cm):  50 x 37 x 65 cm

Gewicht: ca. 50 kg

Leistungsaufnahme: 3.100 W

Kesselvolumen: 2,3 Liter (Kaffee/Heißwasser)/3,5 Liter (Dampf)

Features:
» Dualboiler mit PID-Steuerung
» isolierte Boiler aus Edelstahl
» externe ProfiRotationspumpe
» Brühwasser vortemperiert durch Wärmetauscher
» Shot-Timer
» Preinfusionszylinder zur Kontrolle
» gesättigte Brühgruppe (self bleeding)
» Economy-Schaltung
» zwei Heißwassertemperaturen auf Knopfdruck

Text & Bilder: Patrick Großmann