Im Test: Marzocco GS3

Der Maschinist vs. Marzocco GS3

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Allein der Firmenname geht runter wie ein Löffelchen Crema: La Marzocco. Das klingt nach Ita­­lien, nach Klasse, nach in jeder Silbe verborgener Geschichte. Da verwundert es dann auch kaum, dass das 1927 gegründete Familienunternehmen aus Florenz einige der anerkannter­ma­­ßen besten Espressomaschinen der Welt zu verantworten hat. Eine davon – der Dualboiler GS3, ge­testet in der Version mit Dosierautomatik – kann man sich als Nonplusultra-verliebter Heim­­barista sogar in die eigene Küche stellen. Vorausgesetzt, das nötige Kleingeld ist verfügbar.

Erstkontakt
Gut, es ist nicht nur das liebe Weih­nachts­geld, was für ein solches Schätz­chen fällig wird. Auch über Nutzen und Ver­bleib von Toaster und Mikrowelle dürf­te sich so manches Ehepaar mittleren Alters treffliche Scharmützel liefern. Am Ende aber steht sie da (oder eben auch nicht…) und wird ob ihrer Ge­wichts­­klasse vermutlich auch eher selten ver­rückt: Eine Marzocco GS3, das sind  33 Ki­lo Siebträger-Grandezza mit reichlich aus­ladendem Hinterteil und durchaus ei­genständigem Design, das vor allem ei­nes suggeriert: Ich bin nicht irgendein, nein – ich bin DAS Gerät!

Wer sich für zu­hause eine GS3 zulegt, der kauft sich (ab­gesehen von ein paar Luxus-Exoten wie Kees van der Westen oder Synesso) ganz bewusst das Ende der Espresso-Stan­ge. Entsprechend üp­pig präsentiert sich das mitgelieferte Zubehör, zu dem neben den obligatorischen Profi­schläu­chen für Zu- und Ab­fluss unter anderem ein extrem schwerer Edelstahltamper, zwei Sieb­trä­ger mit pfiffiger, integrierter Tam­pinghilfe (siehe Foto), Prä­zisions­siebe sowie eine Groß­pa­ckung Kaf­fee­fett­löser gehören. An der Verar­bei­tung der handgebauten Mac­­china selbst gibt es auf den ers­ten Blick folgerichtig wenig zu mä­keln. Alles sitzt satt und sauber, so­gar die Sei­ten­teile aus Kunststoff wirken ver­g­leichs­wei­se wertig, wenngleich sie sicher nicht hätten sein müssen bei dem aufgerufenen Ta­rif. (Wer das letzte Quäntchen Hap­­tik sicherstellen möchte, der kann für ca. 500 Euro Aufpreis optional Se­i­ten­teile aus Sekurit-Glas ordern.) Bei ge­nau­erer Inspektion fallen dann aber doch ein paar Details auf, die man in dieser Kategorie nicht unbedingt sehen möch­te.

Zum Beispiel scheint die Kunst des Ent­gratens offenbar auch in Florenz noch nicht so ganz angekommen zu sein und auch das verbaute Bedienfeld hät­te sowohl bessere Taster als auch ein form­schöneres Display vertragen können. Hier wird nicht mehr als Stan­gen­ware geboten, schade. Am meisten indes hat sich der Maschinist über den fest ver­bau­­ten Tank geärgert, der sich erst nach einiger Fummelei hinter der zwar üppig di­mensionierten, aber aus klapprigem Plas­tik gefertigten Abtropfschale verbirgt. So gerät jedes Nachfüllen zur ner­vi­­gen Strapaze, Entleeren oder Säubern (!) ohne Werkzeug nachgerade zur Un­möglichkeit. Fast vermutet man Kalkül hin­ter dieser Farce; eine sanfte Art der Druck­ausübung für Festwasser-Muffel. Denn eigentlich gehört ein solches Schätz­chen fraglos an die Wasserleitung.

Von außen nach innen
Aber kommen wir zu durchweg Erf­reu­li­chem: den inneren Werten. Und die ha­ben es sprichwörtlich in sich: Die für klei­nere Bistros ausreichend dimen­sio­nier­ten Kessel mit fetten 1,5 (Kaffee) res­pek­tive 3,5 Litern Inhalt (Dampf; isoliert) sind kompromisslos aus Edelstahl, sämtliche verbauten Teile stammen aus La Marzoccos Gastromaschinen. Ungeach­tet der enormen Enge wirkt alles penibel an­geordnet und verdrahtet und natürlich kommt eine Rotationspumpe zum Ein­satz. Aufgrund der Marzocco-eigenen ge­sättigten Brühgruppe sowie eines Ex­tra-Wärmetauschers, der das in den Brüh­boiler nachfließende Kaltwasser zu­vor anwärmt, sollten sich Tem­peratur­schwan­kungen auf kaum messbare Grö­ßen­ordnungen beschränken. Auch der ge­legentliche Teetrinker schwelgt im Lu­xus, indem er mittels eines rechts unter der Abdeckung positionierten Fein­ventils die Gelegenheit erhält, nach Gus­to Kaltwasser beizumischen. Alle anderen relevanten Parameter wie Bezugs­men­gen, Präinfusionszeiten, Heiz­mo­dus, die Brühtemperatur und die PID-Ein­stellungen en detail sind von außen be­quem über das Bedienfeld zu kontrollieren und recht intuitiv zu programmieren. Wir empfehlen dennoch dringend die genaue Lektüre des in seiner Aus­führ­lichkeit vorbildlichen Handbuchs, besser noch: den Aufbau durch einen sach­kundigen Fachhändler vor Ort. Warum? Nur Geduld …

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Auf Herz und Nieren
Selten war der Maschinist derart ge­spannt vor der Erstinbetriebnahme. Nach dem Betätigen des rückwärtigen Wipp­schalters ist die Maschine zunächst im Stand-by-Modus. Wir entscheiden uns zu­nächst für einen Gegencheck der vorein­gestellten Werksparameter – und su­chen (ganz Profigerät) vergeblich nach der Sprache Deutsch. Zumindest eine ru­dimentäre Kenntnis des angelsächsischen Idioms ist damit beinahe schon ver­pflichtend. Ein Druck auf den Stand­by-Schalter und … wir hören so gut wie nichts! Zwar werden simultan beide Boi­ler gefüllt, doch die GS3 ist derart flüster­lei­se, arbeitet so vibrationsarm, dass man nebenher entspannt Beethoven-So­na­ten hören könnte. Allein das Schalten der Ventile ist ein soundmäßig derart sat­tes „Klack“, dass einem als Heim­ba­ris­ta das Herz höher schlägt. So weit, so gut und simpel.

Nun fordert zunächst die gesättigte Brüh­gruppe unsere volle Auf­merk­sam­keit, die im Zuge der Installation mittels ei­ner oben auf dem Kopf angebrachten Schrau­be ma­nuell entlüftet werden muss, damit sie ihre ganze Größe aus­spie­len kann. Hat man dies er­ledigt, ist wei­­terhin die Jus­tage des Ex­pan­sion­s­ven­tils (und da­mit des Brüh­drucks) angezeigt, das sich hinter der Auf­fang­schale oben links versteckt. Nach­dem auch dies bei Blind­siebbezug getan ist, kann es los­ge­hen. Dass der Vor­gang selbst bei Licht be­trachtet nichts an ei­ner Heim­­maschine zu suc­hen hat, steht auf einem an­­deren Blatt. Denn weder möchte man sich nach solch üppigem monetärem In­vest­ment beim Drehen des feuchtheißen Ex­pan­sion­s­ventils die Fin­ger verbrühen, noch kann man sich hierbei auf die lediglich auf Englisch verfasste Be­die­nungs­anleitung verlassen, die dum­mer­­weise die Dreh­rich­tungen ver­­tauscht. Plug-and-Play geht fraglos an­ders. Aber ein Gerät wie die GS3 ist eben ver­mutlich auch nichts für Lies­chen Mül­ler, son­dern für den kundigen Akri­bi­ker. Letz­teres gilt umso mehr für die al­ter­nativ erhältliche Paddle-Version, bei der man über einen oben an der Brüh­gruppe angebrachten Schieber so­wohl Pum­pendruck als auch Dauer der Ex­­tra­k­tion komplett in Echtzeit manuell steuert.

Nach bei den ge­gebenen Boi­ler­größen flin­ken 13 Mi­nuten kann es dann los­gehen. Das Display im­­mer im Blick, das den Ba­ris­ta jederzeit über alle wich­­tigen Pa­­ra­me­ter informiert, interessierte uns vor dem sensorischen Test zu­erst die tatsächliche Tem­pe­ra­tur­­stabilität. Und die, da gibt es kein Ver­tun, ist le­gendär: Auch bei wirklich aus­gie­bigen Be­zü­gen, die im Alltag kaum vor­kommen dürften, konn­ten wir im „Full“-Modus lediglich Ab­wei­chun­gen von 0,2 °C nach oben und unten ver­zeich­­nen. Selbst bei he­run­ter­ge­dros­sel­ter Heiz­leis­tung waren die Werte noch über alle Zweifel erhaben. Die Program­mie­rung der Volu­met­rik geht ebenfalls kin­d­erleicht von der Hand und nachdem wir uns mit unserem bewährten Test-Setup an einen brauch­baren Mahl­grad herangepirscht ha­ben, sieht schon der erste Espresso bei 92 °C verdammt an­spre­chend aus. Ein biss­chen Mühlen-Fine­tu­ning, später läuft die sardische Gran Mis­cela dann wie Öl aus dem Dop­pel­sieb­trä­ger. Das letzte Quänt­­chen Tie­f­gang kitzeln wir schließlich per PID aus dem Caffè, der uns bei 93,5 °C restlos begeistert. Und wem der Sinn nach letztgültigen Wahrheiten steht, dem bleibt – Fest­was­serbetrieb vo­raus­gesetzt – ja immer noch das weite Feld der durch den an­lie­gen­­den Lei­tungs­druck generierten und va­riabel pro­g­rammierbaren Präinfusion.

Lang­wei­­lig wird’s einem mit der GS3 be­stimmt nicht. So weit, so formidabel, doch es kommt noch besser. Speziell der ambitionierte Lat­­te-Künstler findet in der kleinen La Mar­­zocco sein wahres Eldorado. Wie nicht anders zu erwarten, bläst einem der 3,5-Liter-Dampfkessel bei Bedarf so rich­tig die Butter vom Brot und geht auch bei semiprofessioneller Nutzung nicht in die Knie. Gleichzeitig aber lässt sich dessen immense Po­wer per Kipp­he­bel derart feinfühlig dosieren, dass es ei­ne helle Freude ist. Ein Übriges tut die enorm lange Lan­ze, die ei­nem nach ei­ner ge­wissen Ein­­gewöhnung alle er­denk­­­lichen Hand­­ling-Frei­räume verschafft.

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Resümee
Tja … was sollen wir sagen? Es gibt ei­gent­lich nicht viel Besseres, wenn der Geld­­beutel mal so richtig egal und die Ar­­beitsfläche ausreichend tief ist. Denn ab­­gesehen von ein paar Un­gereimt­hei­ten in der B-Note (verbesserungswürdige Tanklösung, unschönes Display, Erst­in­stal­lation) geht La Marzocco mit der GS3 kei­nerlei Kompromisse ein. Gleich­wohl gilt: Anfänger und Angeber mit Pro­fil­neu­rose werden das volle Po­ten­zial der Ma­schine – im Vergleich zum Es­presso-Kön­ner mit Spaß am technisch Mach­ba­ren – kaum nutzen können. Wir emp­feh­­len dringend den Betrieb am Fest­wa­sser.

Für die Marzocco GS3 spricht:

  • Sensationelle Temperaturstabilität
  • unerreichte Milchschaumqualität durch enormen Dampfdruck
  • erstklassiger Espresso durch flexible Brühtemperatur
  • robuste Technik aus der Gastronomie
  • große Abtropfschale

Steckbrief

»Maße: (Breite/Höhe/Tiefe in cm) 40 x 35,5 x 53

»Gewicht:33 kg

»Leistung: 2.100 Watt

»Kessel: 3,5 Liter (Dampf), 1,5 Liter (Kaffee)

Features

»Edelstahl-Dualboiler-System

»vorgewärmtes Brühwasser

»gesättigte Brühgruppe, auf 0,5 °C genau regelbare Brühtemperatur (PID)

»elektronisch regelbarer Kesseldruck für Dampfboiler

»per Feinmischventil einstellbare Teewassertemperatur

»Rotationspumpe

»Tankbetrieb/Festwasser schaltbar

»optional: Paddle-Version (+ ca. 500 Euro)

Seitenteile aus Glas (+ ca. 500 Euro)