Der Maschinist vs. Nuova Simonelli MusicaEines steht schon vorab fest: Nuova Simonelli traut sich was. Im Gegensatz zum Gros der Konkurrenz auf dem Heimgerätemarkt wagt die südlich von Ancona angesiedelte Espressomaschinen-Schmiede mit der Musica designtechnisch die mutige Abkehr vom sattsam bekannten Chrombomber-Look handelsüblicher E61-Boliden. Stattdessen beherrschen fließende, moderne Formen das Bild, gekrönt von einem spielerischen, elegant hinterleuchteten Soft- Touch-Tastenfeld in der Mitte. In der getesteten Lux-Version erstrahlt gar das Gehäuse in hellblauem LED-Lichterglanz. Wir hatten die Maschine im Alltagstest…
Erstkontakt
Sicher ist dieses doch auffällig technoide „Tokio by night“-Feeling nicht jedermanns Sache – für glänzende Augen sorgt das erste Umlegen des gleich neben dem Netzschalter platzierten Lichttasters am Boden des Gerätes indes allemal. Wenn, sagen wir mal, eine BFC Ela aufgrund ihrer Masse der Volvo, die funky La Nuova Era Agata der Fiat 500 und eine Rancilio der VW Golf unter den Siebträgern ist, dann käme für die Musica im Grunde bloß eine Entsprechung infrage: ein aufpolierter Ford Mustang neueren Jahrgangs. Sprich: ein bisschen auf dicke Hose, aber irgendwie très chic. Neben designorientierten Heimanwendern mit Sinn fürs Außergewöhnliche spricht Nuova Simonelli hierbei insbesondere semiprofessionelle Einsatzgebiete an: Kanzleien, Arztpraxen, Büros, kleine Läden mit Ausschank – sie alle dürften sich vom schnieken Äußeren des Gerätes ebenso angezogen fühlen wie von der vom Hersteller angegebenen Leistung von bis zu 70 Tassen am Tag. Zumal auch mit der Ausstattung nicht gegeizt wurde, was sich äußerlich zunächst an ergonomisch gut zu handhabenden, im 360°-Radius schwenkbaren Milch- und Heißwasserlanzen, einer frei programmierbaren Dosierelektronik sowie einem aus dem professionellen Barbereich stammenden Kippventil für den Dampfbezug bemerkbar macht. Das riecht geradezu nach Spaß bei der Arbeit! Einzig die Abtropfschale und der Tankdeckel aus Plastik wollen nicht recht ins ansonsten wertige Bild passen; hier hätte Nuova Simonelli gerne eine etwas edlere Ausführung spendieren können. Apropos Ausführung: Das getestete Modell besticht nicht nur durch das illuminierte Gehäuse, sondern on top durch das mitgelieferte „Professional Pack“ (Aufpreis: knapp 100 happige Euro), bestehend aus einem zusätzlichen Einer-Siebträger und einem professionelleren Thermostat, sowie einem Siebträgergriff aus echtem Leder(!).
Von außen nach innen
Also Schutzfolie abgefummelt und näher rangewagt. Auch technisch gibt es wenig zu beanstanden. In der Tankversion setzt die Musica – ähnlich wie die neueren ECM-Modelle oder Rocket Espresso – auf ein wartungsfreies und handliches Ventilsystem am Boden des sicher einrastenden Wasserbehälters. Dem Umstand, dass die Kalk-Prävention hierdurch etwas eingeschränkt ist, da keine Ansteckfilter verwendet werden können, hat man durch den Einbau einer eigenen Lösung vorgebeugt – löblich! Auch sonst bieten sich viele interessante Detaillösungen: So wurde der mit zwei Litern Fassungsvermögen üppig dimensionierte Kupferkessel lobenswerterweise wärmeisoliert, sodass lange Standby-Zeiten wenig Strom verplempern. Als Heißwasser kommt – anders als üblich – frisches aus dem Tank zum Einsatz, nicht der per se latent abgestandene Boilerinhalt, was die Teetrinker freuen dürfte. Der Profi-Brühgruppe aus eigener Produktion wiederum hat Nuova Simonelli eine aus der Gastronomie bekannte zuschaltbare Preinfusionsroutine verpasst, was im Endeffekt zu aromatischeren Shots führen soll: Die ersten zwei Sekunden nach Betätigung einer Bezugstaste feuchtet die Maschine das Kaffeemehl per Pumpe an und lässt es quellen – erst dann öffnet sie das Magnetventil und gibt Schub. Soweit die Theorie. Das sonstige Innenleben macht einen sauber verarbeiteten und hochwertigen Eindruck.
Auf Herz und Nieren
Der Praxistest erweist sich dann auch in der Tat als Paradedisziplin der Musikantin. Noch nie zuvor hatte der Maschinist derart wenig Probleme bei der Inbetriebnahme eines Siebträgers – mal abgesehen von einer kleinen Schrecksekunde zu Beginn. Sauber schnurrend füllt die Dame zunächst den Kessel und man ist geradezu betört von diesem allumfassenden, edlen Leuchten. Doch nach etwa einer Minute stoppt die Maschine plötzlich – und alles blinkt gleichzeitig! Keine Taste reagiert. Haben wir etwas falsch gemacht? Ist womöglich das Wasser alle? Nein, alles scheint korrekt. Also tun wir, was bei so vielen Geräten mit Elektronik die Dinge geraderückt – ausschalten – und wieder anschalten. Und siehe da, alles ist wieder im Lot. Weiteres Wasser befüllt den durstigen Kessel. Puh! In rund 7 Minuten ist selbiger auf Druck und nach insgesamt 15 Minuten kann es inklusive Leerbezug losgehen. Bereits der erste Schuss mit 16 Gramm im Doppelsieb und mit werkseitig programmierter Standardlänge – right off the box sozusagen – sieht super aus, wenngleich er etwas arg kurz geraten ist. Dank der sehr intuitiven Programmierung ist dies aber binnen Sekunden korrigiert. Der zweite Doppio sitzt dann – kaum zu glauben, aber wahr – schlicht perfekt: 25 Sekunden Bezugszeit ergeben einen hocharomatischen, gut temperierten Espresso mit zwei Zentimeter dicker, tragfähiger Crema wie aus dem Lehrbuch. Dasselbe Bild beim Zubereiten des Milchschaums. Hat man sich erst einmal an das nach oben sauber einrastende Kippventil gewöhnt, entdeckt man beinahe automatisch bislang im Verborgenen schlummernde Latte-Art-Skills. Ohne langes Hantieren gelang mit dem ordentlich potenten, in alle Richtungen schwenkbaren Hahn eine gießfähige, feinporige Creme, die jeden Cappuccino zum Genuss macht. Fazit: Noch nie hatten wir mit einer Maschine spontan ein derart exzellentes Resultat. Auspacken und ab dafür!
Resümee
Einen besonders guten Stand hat die Musica vermutlich dort, wo es um ein schönes Äußeres, einfache Handhabung und Zuverlässigkeit gleichermaßen geht. Hier brilliert sie in allen Belangen. Von ein paar kleinen Ungereimtheiten (vor allem bei der Festwasser-Variante, die inkonsequenterweise auf eine Rotationspumpe verzichtet) abgesehen, möchte man speziell ihren Bedienkomfort kaum mehr missen. Und mit hervorragenden Espressi oder Cappuccini, die mit etwas Übung an italienische Bars heranreichen, verwöhnt sie ihren Besitzer überdies. Siebträger-Muffel können die Musica immer noch als formschöne Lichtquelle zweckentfremden. Es gibt wahrlich Schlimmeres.
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