Der Maschinist vs. Vibiemme Domobar
Mal ehrlich: Wäre es nicht klasse, sich auch zu Hause den Luxus erlauben zu können, die eigene Macchina direkt ans Wassernetz anzuschließen? Nie wieder Plastiktanks säubern zu müssen?
In der Tat, das wäre es, und immer mehr Espresso-Fans ziehen die Konsequenzen. Schade nur, dass eine solche Variante nicht in jeder Küche ohne Weiteres zu realisieren ist. Neben Rocket und Izzo hat deshalb nun auch Vibiemme die Zeichen der Zeit erkannt – und bietet mit dem runderneuerten Topmodell Domobar Super PID ein Kombigerät an, bei dem sich der Kunde nicht von vorneherein auf eine der beiden Optionen festlegen muss. Dass die zeitlose Schöne auch sonst nahezu alles unter der Haube hat, was technisch machbar ist, versteht sich da beinahe schon von selbst.
Erstkontakt
Es ist wie so oft im Leben. Wer sich derzeit das Nonplusultra in Sachen Siebträger für daheim gönnen möchte, der steht zuallererst vor einer philosophischen Grundsatzentscheidung, die da lautet: Back to basics oder hochgerüsteter Anything-goes-Tausendsassa? Während nämlich auf der einen Seite die Handhebel-Fraktion fröhliche Urständ feiert und man sich am allerliebsten eine vom Meister handgedengelte Bosco aus Napoli unter den Hängeschrank klemmen möchte, versucht die Highend-Klientel bis zum Exzess das technisch Machbare auszureizen – und treibt mit ihrer Hobby-Experten-Akribie schon mal den Rest der Familie an den Rand des Wahnsinns. Bald schon schwirren Begriffe wie Offset, Hysterese und Cooling Flush durch die Küche, werden Tausende von Euro vom Urlaubsgeld abgeknapst, um sich hochkomplexe Maschinen von Slayer, Kees van der Westen oder La Marzocco leisten zu können.
In exakt dieser Liga möchte auch Vibiemme aus Cinisello Balsamo bei Mailand mit dem im Vergleich deutlich preiswerteren Dualboiler-Topmodell Domobar Super PID spielen, das ab sofort in einer runderneuerten Version erhältlich ist. Das erste Aha-Erlebnis erwartet den Käufer beim Durchblättern der komplett neu gestalteten Bedienungsanleitung: Wo italienische Hersteller sonst gerne den Dadaismus in Form drittklassiger Übersetzungsprogramme bemühen, hat Vibiemme endlich Nägel mit Köpfen gemacht und zwei vorbildliche, äußerst informative und lupenrein übersetzte Büchlein spendiert. Das ist zwar (noch) nicht auf Apple-Niveau (da braucht es gar kein Manual mehr), aber doch nahe dran. Auf gleicher Ballhöhe spielen die zwei mitgelieferten Profi-Siebträger mit rutschfesten Gummi- statt Plastikgriffen.
Auch die bislang angesichts des Preissegments stets etwas befremdlich wirkenden arg dünnen Bleche gehören der Vergangenheit an und präsentieren sich jetzt deutlich verwindungssteifer und wertiger. Das Entgraten derselben hat den Herren aus Norditalien demgegenüber noch immer niemand gezeigt. Wenig Begeisterung rufen beim Maschinisten auch die nach wie vor arg kurz geratene Heißasserlanze (Verbrühung vorprogrammiert!) sowie der ungünstig, weil deutlich zu hoch platzierte Wasserablauf hervor, der stehendes Brackwasser geradezu heraufbeschwört. Im Gegensatz zu dem zwecks der platzintensiven Rotationspumpe zuliebe etwas klein geratene Wassertank. Zwei fraglos vermeidbare Sollbruchstellen.
Von außen nach innen
Doch was hat uns die Dame – trotz ihrer würfeligen Schwere eine wahre Schönheit in zeitlosem Chrom – im Inneren zu bieten? Ein Blick unter das mit einigen Handgriffen leicht zu lösende Stahlkleid gibt Aufschluss: Wohlgeordnet, aber eng geht es hier zu, denn nicht nur die Rotationspumpe, sondern auch der mit 2,7 Litern üppig dimensionierte, separate Dampfkessel aus Messing fordern seinen Tribut. Auch die Isolierung des aus dem Domobar-Einkreiser bekannten 0,7-Liter-Brühkessels wirkt vorbildlich, alles scheint penibel verarbeitet. Was das Gerät neben der besagten, per Kipphebel am Boden realisierten Schaltbarkeit zwischen Tank- und Festwasserbetrieb zuallererst zu etwas Besonderem macht, ist die Weise, in der Vibiemme trotz verhältnismäßig kleiner Wassermenge die Konstanz der gradgenau digital justierbaren Brühtemperatur erreicht: Statt direkt kaltes Wasser aus dem Reservoir bzw. der Leitung nachlaufen zu lassen, hat man dem Dampfkessel einen extra Wärmetauscher spendiert, der selbiges auf ca. 80 °C vorwärmt und schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Brühkessel reagiert bei geringer Wassermenge flink auf neue Temperaturvorgaben – und läuft bei größeren Bezugsmengen dennoch nicht gleich aus dem Ruder. Clever! Dass der große Kessel der Dualboiler-Maschine bei Bedarf abschaltbar ist, sollte über längere Zeit kein Dampf oder Heißwasser benötigt werden, freut den umweltbewussten Käufer. Nicht nur in Zeiten knapper werdender Ressourcen und explodierender Kernkraftwerke.
Auf Herz und Nieren
Der erste Hingucker nach der Inbetriebnahme ist dann eigentlich eher ein Hinhörer: Selten jedenfalls haben wir ein geschmeidiger surrendes Bienchen auf dem Prüfstand gehabt. In noblem Blau schimmernd, zeigt das PID-Display (auch hier: das einzige mit Stil am Markt!) schon beim Aufheizen gradgenau die mittels Offset* errechnete Brühtemperatur. Nach zwölf Minuten sind Brühkessel und Brühgruppe auf Temperatur, nach weiteren vier Minuten steht auch der Dampfkessel in vollem Saft – was angesichts der Dimension aller Ehren wert ist. Insgesamt 19 Minuten nach dem Einschalten können wir ohne Leerbezug loslegen – und sind dann doch latent baff. Denn obwohl der erste Shot tendenziell zu flink läuft, erweist er sich zu unserem Erstaunen als ziemlich bitter. Aha, vermutlich zu heiß, denkt man – doch ein prüfender Blick aufs Display zeigt 87 °C, was eher am unteren Ende der erlaubten Spanne liegt.
Vor diesem Hintergrund hätten wir eher Säure erwartet. Da hilft bloß eine Absenkung des vordefinierten PID-Sollwerts, was an der Vibiemme ein Kinderspiel ist, oder – das nötige Know-how vorausgesetzt die weitaus klügere Variante – eine Angleichung des mit 19 °C vermutlich deutlich zu hoch eingestellten Offsets, damit Ist- und Sollwert der Brühtemperatur zur Deckung gelangen. Besser wäre es freilich, wenn das Ganze gleich ab Werk so eingemessen würde, dass der Endkunde ein „fertiges“ Gerät vorfindet. Speziell die intern verstellbaren PID-Parameter sollten bei einem Haushaltsgerät nur dem Fachpersonal zugänglich sein (zumindest jedoch sollten sie stimmen). Hat man diesen Fels jedoch erst einmal aus dem Weg geräumt, bereitet die Arbeit mit der Vibiemme einfach einen Höllenspaß und man wird tatsächlich mit verschwindend geringen Temperaturschwankungen verwöhnt. Nicht zuletzt das Milchschäumen gerät dank der schlichtweg sensationellen Dampfpower zum reinsten Spaziergang. Sogar die Latte-macchiato-Versorgung von Kleingruppen in Faustballteam-Stärke sollte hiermit kein Problem darstellen.
Resümee
Womöglich muss man es einfach so direkt sagen: Ein technisch derart ausgeklügeltes System ist nichts für Gelegenheitstrinker, Novizen und bloße Alltags-Espressonisti. Wer indes als Heimbarista nach Höherem strebt, gerne sämtliche Fäden in der Hand hält und auch sonst auf alle Eventualitäten (Hausbau, neue Küche, die Zubereitung komplexester Blends etc.) vorbereitet sein möchte, der findet für sein Geld momentan schwerlich Besseres. Korrekt eingemessen, zaubert die neue Domobar Super PID jedem Genießer ein Grinsen ins Gesicht. Respektive einen Milchbart. Denn Letzteres gilt speziell für die Latte- und Cappuccino-Fraktion, die mit dem immensen Hub des Dampfkessels einen nie versiegenden Quell der Freude erwirbt. Und wenn Vibiemme jetzt noch die Werkseinstellungen besser in den Griff bekäme, spränge der Maschinist vor Freude im Dreieck.
Für die Vibiemme Domobar spricht:
- enorm flexibel
- Milchschäumen durch hohen Dampfdruck bis zum Exzess möglich
- erstklassige Espressoqualität (sofern PID korrekt eingestellt)
- solide Verarbeitung
- hohe Temperaturkonstanz durch extra Wärmetauscher
- elegantes Design
- informative Bedienungsanleitung
Steckbrief
»Maße: (Breite/Höhe/Tiefe in cm) 27 x 41 x 53
»Gewicht:33 kg
»Leistung: 2.100 Watt
»Kessel: 2,7 Liter (Dampf), 0,7 Liter (Kaffee)
Features
»Dualboiler-System
»Rotationspumpe
»gradgenau steuerbare Brühtemperatur (PID)
»je ein Manometer für Dampf- und Kaffeekessel
»umschaltbar von Tank- auf Festwasserbetrieb
»Dampfboiler bei Bedarf abschaltbar