Pausa Caffè und Chicco d’Oro haben eines gemeinsam. Beide rösten guten Kaffee im Tessin. Unterschiedlicher könnten sie aber nicht sein. Eine zwei Mann Rösterei und eine mit nationaler Bedeutung.
Unsere Fahrt zum ersten Besuch der Rösterei Pausa Caffè in Rivera führte uns durch kleine idyllische Dörfer am Monte Ceneri. Ein kleines Dorf mit 1450 Einwohnern, 554 Meter über Meer. Weinbau, Landwirtschaft und Tourismus prägen das Dorf. Zu Fuss finden wir die kleine Rösterei leicht versteckt in einem verwinkelten Gässchen. Von aussen erkennen wir sofort, dass hier eine Rösterei sein muss: Der Geruch nach röstfrischem Kaffee weist uns den Weg zur richtigen Tür. Einer Art Cantina. Herzlich werden wir begrüsst von Attilio Filippini, dem Röstmeister, und seinem Schwager Giovanni Galfetti. Jetzt stehen wir, so glauben wir, in der kleinsten Rösterei der Welt. Zwei Räume, einer zum Rösten und Konfektionieren, der andere als Lager und zum Degustieren. Alles auf etwa 40 Quadratmeter. Unglaublich, dass man auf so kleinem Raum einen grossen Kaffee rösten kann. Zuerst trinken wir einen Espresso und lassen uns erzählen, wie die Idee der Rösterei Pausa Caffè entstanden ist. Vor fünf Jahren begann die schöne Geschichte mit einer 1-kg-Röstmaschine. Heute steht ein 10-kg-Röster da. Gerade die Grösse, die noch durch den Eingang gehievt werden konnte. Geröstet wird morgens während fünf Tagen. Alles wird von Hand gemacht, sei es das Mischen des Rohkaffees, das Bedienen der Röstmaschine oder das Verpacken des gerösteten Kaffees. Ab und zu kommt ein Nachbar zum Schwatz oder ein Kunde zum Kaffeekaufen.
Etwa 50 Meter neben der Rösterei liegt das Lager des Rohkaffees für ein paar Monate. Attilio Filippini erzählt uns, wie die Rohkaffeesäcke über den kurzen, aber steilen Weg in das Lager gelangen. Der Lastwagenchauffeur ist jedes Mal gefordert, wenn er rückwärts durch das halbe Dorf fahren muss. Wenn der Wagen dann endlich am richtigen Ort steht, müssen alle anpacken. Kein Lift, kein Hubstapler – nur Manneskraft.Extra für unseren Besuch hat Attilio Filippini das Rösten ein bisschen nach hinten verschoben. Zuerst werden etwa 10 kg Rohkaffee gemischt aus bis zu sieben verschiedenen Sorten, fein säuberlich abgewogen. Jede Mischung ist mithilfe der Familie entstanden. Es wurde so lange geröstet und probiert, bis alle begeistert waren. Heute stehen drei verschiedene Kaffees im Sortiment. Gourmet – Cremoso e raffinato, Mocca – Gusto rotondo e delicato und Bar – Espresso tradizionale. Die Namen der Kaffees sind Programm. Zusätzlich gibt es noch einen Biokaffee und einen Max-Havelaar-Kaffee. Die Röstmaschine von Trabattoni aus Lecca wird mit Gas betrieben und steht nun bereit. Der Rohkaffee wird oben in die sich drehende Trommel gegeben. Zirka 18 bis 21 Minuten soll der Röstprozess dauern. Also genügend Zeit, um sich noch eine kleine Erfindung von Giovanni Galfetti anzuschauen: eine Beutelfaltmaschine. Kaffeebeutel werden flach angeliefert und müssen vor dem Abfüllen geöffnet werden. Am Boden entstehen Falten. Damit diese Falten schön und einheitlich sind, wird der Beutel über einen Stiel mit einem Stück Holz, das genau die richtige Grösse des Bodens hat, gestülpt. Mit einem geübten Handgriff werden die Falten dann gelegt. Fertig ist der Sack zum Abfüllen. 15 Minuten sind vom Röstprozess vorbei, leichtes Knistern ist zu hören. Ab und zu nimmt der Röster eine Probe, vergleicht die Farbe, immer wieder. Höchst konzentriert wartet er den richtigen Zeitpunkt ab. Dann geht alles schnell. Der fertig geröstete Kaffee wird aus der Trommel in das Kühlbecken mit Luftkühlung geleert. Unter Bewegung wird der Kaffee auf Zimmertemperatur gekühlt. Vor uns liegt der frisch geröstete Kaffee mit einem ausgeglichenen Bohnenbild. Am nächsten Tag wird der geröstete Kaffee von Giovanni Galfetti von Hand abgefüllt, verpackt und etikettiert, geliefert oder versendet. Die Produktbezeichnung auf den Etiketten ist auch in Blindenschrift geschrieben.
Mit vielen neuen Erkenntnissen und Erlebnissen verabschieden wir uns von Attilio Filippini und Giovanni Galfetti. Mit einer leichten Überdosis Kaffee wird uns dieser Besuch bei Pausa Caffè in Rivera noch lange in Erinnerung bleiben. Weiter geht die Fahrt über die Tessiner Berge Richtung Chiasso. Zu Chicco d’Oro in Balerna.
Etwas beeindruckt stehen wir vor dem Eingang und schauen uns den modernen Bau von Chicco d’Oro an. So gross haben wir es uns nicht vorgestellt. Wir steigen über eine Treppe zu dem etwas erhöht liegenden Eingang. Drinnen werden wir von Direktor Carlo Piffaretti und Manuel Dennler begrüsst und in das Kaffeemuseum geführt. Ein grosser und hoher Raum mit unzähligen Vitrinen mit den tollsten Exponaten aus vergangener Zeit. Angefangen bei Kaffeemühlen jeglicher Art über Kaffeemaschinen für Private und Gastronomie sowie Kaffeekocher und Hand-Kaffeeröster bis hin zum Kaffeegeschirr. Das sei nur ein kleiner Teil der Ausstellungsstücke, die gesammelt wurden. Chicco d’Oro hat dieses Museum errichtet, um die Geschichte des Kaffees zu kommentieren, um die wirtschaftliche Bedeutung zu illustrieren. Die Schautafeln mit historischen Angaben, die verschiedensten Maschinen, Geräte und Objekte veranschaulichen den Werdegang des Kaffees durch die Jahrhunderte, von der frühen handwerklichen Entwicklung bis zum heutigen Stand der Technologie. Wer die Begabung hat, sieht in den alten, einfachen Geräten nicht nur kalte Formen, sondern lebende Zeugen vergangener Bräuche der Kaffeezubereitung. Wir wissen nicht, wie viel Zeit wir brauchten, um diese Ausstellung zu durchforsten. Aber unsere Blicke schweiften danach ab über ein Fenster auf die gesamte Rösterei. Ein grossartiger Ausblick. Seit 1949 konzentriert sich Chicco d’Oro auf die Röstung von Kaffeemischungen mit dem Ziel, das raffinierte Geschmackserlebnis der italienischen Espressokultur einer grossen Kundschaft in der Gastronomie und im Einzelhandel zugänglich zu machen. Auf dem Schweizer Markt hat Chicco d’Oro eine bedeutende Stellung errungen und gewinnt auch in Italien und Deutschland immer mehr an Beliebtheit. Carlo Piffaretti und Manuel Dennler führen uns durch alle Stationen in die Rösterei.
Zuerst das grosse Lager für Rohkaffee. Wir bekommen einen Überblick, mit wie viel Tonnen Kaffee die Logistik bewältigt werden muss, damit kein Engpass entsteht. Jeder Kaffeesack wird, bevor er in die Silos kommt, mit einem Roboter gewogen. Der Rohkaffee wird kontrolliert und von allfälligen Metallteilen, Steine etc. befreit. Jede Kaffeesorte steht nun im eigenen Silo für die Röstung bereit. Drei grosse Trommelröster von Brambati stehen in einem speziellen Raum. Wie von Geisterhand werden die zwei Röster gesteuert. Der Röstmeister bedient per Computersteuerung den ganzen Prozess. Das Einzige, was bleibt, ist die lange Röstzeit von zirka 15 Minuten. Alles andere wird ohne manuelle Einwirkung bewältigt. Ausser den Proben für die Qualitätssicherung. Wirklich Beeindruckend. Die nächste Station ist die Verpackungstrasse. Hier wird der Kaffee als Bohne oder gemahlen in unterschiedlich bedruckten Behältnisse verpackt. Jedes System hat seine eigene Maschine. Jetzt sehen wir die goldenen Verpackungen der Produkte «Tradition» und «Miscela Bar» in allen Grössen und Formen. Sobald sie verschweisst sind, kommen sie in Kartonboxen, dann auf Paletten. Es gibt kein Lager. Alles wird auf Bestellung verarbeitet. Zum Abschluss fanden wir uns wieder im Museum an der Kaffeebar – nicht zum Kaffee, sondern zum Weisswein aus der Gegend von Balerna. Das war ein lehrreicher Tag. Einen würdigen Abschluss fanden wir in einem typischen Tessiner Grotto.
Mehr über Röstereien in der Schweiz findest Du im Röster-Guide.
Text und Fotos: Armin Luginbühl, Kaffeezentrale Schweiz