Exportverarbeitung

Ungleiche Bohnen können in keinem Röstverfahren der Welt zu einem homogenen hochqualitativen Produkt „veredelt“ – werden, die Verarbeitung vor dem Export hat also einen großen Einfluss auf die Qualität unseres Kaffees. In unserer Serie stellt uns der crema-Autor und Kaffeeexperte Dr. Steffen Schwarz die wichtigsten Wissensgrundlagen vor, für alle, die beim Thema Kaffee mitreden möchten.

Das Export-Processing (die Verarbeitung und Bereitstellung von exportfähigem Rohkaffee) ist ein sehr unbeachtetes Themengebiet innerhalb der Wertschöpfungskette des Kaffees – insbesondere in den Konsummärkten, die weitab dieses Prozesses keinen Bezug und meist keinerlei Kenntnis von diesem so wichtigen Schritt in der Kaffeeproduktion haben.

Die Exportverarbeitung des Kaffees fristet ein nahezu unbeachtetes Dasein, weit entfernt von den bildgewaltigen Plantagenbildern, ihren Landschaften, prachtvollen Kaffeekirschen, Kaffeeblüten und den Menschen, die dort die vielfältigen, diversen Aufgaben und Arbeiten erledigen, die je nach Jahresverlauf auf den Kaffeeplantagen anfallen. Hier herrschen große Verarbeitungsanlagen, geschlossene Maschinenparks, die dem Betrachter auf den ersten Blick kein schlüssiges Verständnis der während dieser Verarbeitung stattfindenden Prozesse vermitteln oder ermöglichen. Nur durch mehrere Besuche zu verschiedenen Zeiten mit teilweise geöffneten Anlagen kann man im Laufe der Zeit ein vollständiges Bild der diversen, nacheinander ablaufenden Arbeitsschritte gewinnen.

Die Kaffeeverarbeitungsanlagen und -gebäude gleichen meist alten Mühlen, die große Volumen von Rohstoffen in eine gut lagerfähige und weiterverarbeitbare Form bringen, ohne dass sich alle Vorgänge und Prozesse unmittelbar von außen erkennen lassen. Das Export-Processing ist meist wenigen großen Exportverarbeitern und Kaffeelagereien in den Ursprungsländern vorbehalten. Nur wenige Kaffeefarmer sind in der Lage, ihren eigenen Kaffee bis zur Exportfähigkeit zu verarbeiten und damit Einfluss auf die Rohkaffeequalität bis zum Export zu nehmen. Um zu exportieren, sind zumeist Exportlizenzen vorgeschrieben, die sich einzelne Farmer meist nicht leisten können und die daher bei wenigen großen Exporteuren (privaten Unternehmen und Kooperativen) liegen.

Einschränkung von internationalem Marktwissen

Über die Reduzierung und Kontrolle von Exportlizenzen steuern und regulieren viele kaffeeproduzierende Länder ihren eigenen Kaffeemarkt und dessen Preise. Importe von Kaffee aus anderen Produktionsländern sind entweder gänzlich verboten oder mit empfindlich hohen Steuern und Schutzzöllen belegt. Dies ist auch einer der Gründe, warum in den kaffeeproduzierenden Ländern ein ausgesprochen hohes lokales Marktwissen zu Kaffees und Kaffeeanbaugebieten besteht, Kaffeearten und -varietäten anderer Anbauländer und -gebiete zumeist aber vollkommen unbekannt sind. Die Marktabschottung führt also zu einer massiven Einschränkung von internationalem Marktwissen.

Besäßen national im Export tätige Cuptaster oder Kaffeefarmer ein tieferes Verständnis von verschiedenen Kaffeearten und -varietäten sowie deren aus der Aufbereitung resultierendem Flavour-Profil, könnten sie vielfältigere Kaffees mit einer deutlich breiter gefächerten Aromen- und Geschmacksvielfalt erzeugen und auf den Markt bringen. Das Export Processing oder auch die Exportverarbeitung reinigt und sortiert den Kaffee, und verfüllt den Rohkaffee, je nach Bestellung und lokalen sowie kundenseitig bestehenden Anforderungen, in Säcke, Big bags oder lose als Schüttgut in Container.

Hierbei werden diverse Arbeitsschritte durchlaufen, die je nach Land und vorherrschendem Technologisierungsgrad noch in vielen Bereichen manuell mechanisch bis vollautomatisiert elektronisch stattfinden. Inzwischen sind auch vielfältige Kombinationen dieser Arbeitsschritte an der Tagesordnung. Zunächst wird der von den Farmen angelieferte Rohkaffee vorgereinigt oder besser gesagt vorgesiebt, wobei Äste und Steine entfernt und feine Schmutzpartikel ausgesondert werden. Meist erfolgt anschließend eine Beseitigung magnetischer Fremdkörper aus dem Rohkaffee, die häufig aus verlorenen Schrauben oder Nägeln von Trocknungs- und Wendegeräten oder Werkzeugen bestehen die während der Trocknung in den Kaffee gelangt sind.

Gravimetrische Sortierung

Das sich anschließende Selektierungsund Sortierverfahren stellt mehrheitlich die Gravimetrie dar, die meist in zwei nachgelagerten Schritten erfolgt. Im ersten Schritt werden kleinere Steine vom Rohkaffee getrennt, die sich aufgrund des spezifischen Gewichts (der Dichte) unterscheiden. In einem zweiten, feiner differenzierten Schritt, werden dann voll entwickelte Kaffeebohnen von unterentwickelten (sogenannten Quakern) getrennt. Die Gravimetrie nutzt dabei das Trennverhalten von Teilchen mit unterschiedlichem Gewicht. Die schrägstehenden vibrierenden Gravimetriesiebe sorgen dabei dafür, dass die jeweils schwereren Teilchen schneller zur Seite der Stoßrichtung laufen und sich dabei von den leichteren Teilchen trennen.

Nach der gravimetrischen Sortierung erfolgt die Siebung nach Größe der Kaffeebohnen. Dies geschieht mehrheitlich in flachen übereinander angeordneten Siebtürmen, wobei die Kaffeebohnen von oben durch die zunächst großen Siebe so lange durchfallen, bis sie entsprechend ihrer Größe aufgehalten und abgetrennt werden. Alternativ kann die Größensortierung über trommelförmige Rotationssiebe erfolgen, bei denen die Bohnen mit zunehmender Größe der Sieblöcher durchfallen. Die Anordnung der Siebtrommeln verläuft also von kleinen Größen zu den großen Größen.

Die Kaffeebohnen werden nach mehrfachen Anteilen von 1/64 Inches nach Größen sortiert. So besitzen hochwertige brasilianische Catuai-Kaffees meist eine Größe von 16up, also ausschließlich Bohnen, die 16/64 Inches und größer sind. Maragogype-Kaffees werden meist als 18up sortiert und erreichen weit größere Dimensionen.

Einteilung nach Größe

In den ehemaligen britischen Kolonien (z. B. Indien, Kenia, Australien …) werden Buchstaben als Größeneinteilung verwendet. Die großbohnigen Kaffees werden dabei als AA (Double-A) oder AAA (Triple-A) bezeichnet, kleinere Größen sind dann AB, B und C. Perlbohnen erhalten die Kennzeichnung PB (Peaberries). Auffallend große Kaffeebohnen werden als E (Elephant) bezeichnet, Bruchbohnen mit CT gekennzeichnet.

Neben diesen beiden weltweit am gebräuchlichsten Größeneinteilungen gibt es noch zahlreiche weitere nationale Systeme, die sich an den hauptsächlich angebauten Kaffeevarietäten und deren Größen orientieren. Die beiden daneben gebräuchlichsten stellen die internationale Größeneinteilung sowie eine lateinamerikanische Größeneinteilung dar.

Die einsämigen, kugelförmigen Perlbohnen werden mit Sieben sortiert (in diesem Fall Schlitzsiebe), die ein Durchrutschen der sich querstellenden Flachbohnen zwar zulassen, die Perlbohnen aber zurückhalten und dadurch aussortieren. Alternativ dazu werden Sortierverfahren auf nach oben laufenden Förderbändern eingesetzt, auf die die Kaffeebohnen in der Mitte des Bandes auftreffen. Die Flachbohnen drehen sich irgendwann im Laufe des Herabrutschens auf die flache Seite, bleiben dort liegen und werden so nach oben abtransportiert. Die runden Perlbohnen dagegen rollen gegen die Laufrichtung des Bandes nach unten und werden so von den Flachbohnen getrennt.

Optische Sortierung

Zuletzt werden die Kaffeebohnen optisch verlesen. Dies geschieht vielfach noch durch Menschen – meistens Frauen –, die teilweise zu Hunderten in großen Schuppen mit Förderbändern oder einfach auf dem Boden sitzend die Kaffeebohnen optisch sortieren und zu helle oder zu dunkle Bohnen oder auch Bohnen mit optisch erkennbaren Defekten (wie z. B. Schädlingsbefall oder Pulperquetschungen) händisch aussortieren. Immer häufiger werden für diese Arbeiten auch fotooptische Sortieranlagen eingesetzt, die mono-, bi- oder trichromatisch arbeiten. Einige Anlagen sortieren nur nach Helligkeit, andere zusätzlich nach Kontrast und die neueste Generation von optischen Verleseanlagen zusätzlich nach Farben oder Oberflächenbeschaffenheit.

Die wesentliche Aufgabe des Export-Processing ist es, eine möglichst homogene Bohnenqualität aus den von den Farmen gelieferten Kaffees bereitzustellen. Je nach Verwendung oder Einsatz des Kaffees wird es das Ziel sein, einen mehr oder weniger fehlerfreien Kaffee zu erzeugen oder einen Kaffee, der eine präzise Fehleranzahl hat, um qualitativ und vertragsgemäß nicht zu über- oder unterliefern. Die Homogenität der Kaffeebohnen in Größe, Dichte oder Restfeuchte ist eine wesentliche Grundlage für ein gutes Resultat in der Tasse. Ungleiche Bohnen können in keinem Röstverfahren der Welt zu einem homogenen hochqualitativen Produkt weiterverarbeitet – oder wie auch gerne in Kaffeekreisen genannt „veredelt“ – werden.

Exportverarbeitung entscheidend für die Qualität

Es ist ein entscheidender Schritt, der den Preis für den Kaffee bestimmt, jeder Fehler fällt auf den Farmer zurück, auch wenn der Fehler in der Exportverarbeitung hätte behoben werden können (also durch Aussortierung). Kaffee ist als Naturprodukt zwingend auf eine saubere Exportverarbeitung angewiesen, um ein hochqualitatives Ausgangsprodukt für die weitere Verarbeitung zu sein. Maschinen und komplexe Algorithmen sind inzwischen in der Lage, genau und ohne Ermüdung diese Verlese- und Sortierprozesse abzubilden und auszuführen.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Industrie bereit ist, hier mitzugehen und den Verbraucher mit besseren Kaffeequalitäten, die dann natürlich auch nur zu höheren Preisen angeboten werden müssen, abzuholen und damit vieles für die Farmer, deren Familien und zahlreichen Mitarbeitern und Hilfskräfte zu verbessern. In den kommenden Jahren werden immer mehr dieser vielfach noch auf menschlicher Arbeit beruhenden Sortierund Verlesearbeiten mechanisiert und automatisiert werden.

Moderne Computertechnologie zieht auch in die Kaffeebranche ein – und das ist gut so. Doch es wird auch wichtig sein, neue Tätigkeitsfelder in den Anbauländern zu entwickeln, die Beschäftigung schaffen für die Menschen, die zuvor in nunmehr wegfallenden Bereichen tätig waren. Die Bilder von heutigen Kaffeeaufbereitungen werden schon sehr bald der Vergangenheit angehören, ja historisch anmuten, denn auch in den Kaffee produzierenden Ländern steigen die Lohnkosten und es fehlen Arbeitskräfte für die heute noch typischen landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Mehr über Kaffee, seine Verarbeitung und Genetik bieten unsere Workshops und die CoffeeBasics-Posterserie.

Der Autor:

Dr. Steffen Schwarz ist crema-Autor der ersten Stunde und einer der renommiertesten Kaffee-Experten weltweit. Seine Informations- und Schulungsplattform „Coffee Consulate“ gilt als eine der Topadressen für die Kaffeeausbildung in Europa.