Gut gebrüllt, Löwe!

Gut-gebruellt,-Loewe_header

Sie stehen in gefühlt jeder zweiten großstädtischen „Third Wave“-Coffeebar, gelten als Speerspitze der Espressotechnik: die Siebträgermaschinen von La Marzocco. Und während ein Teil der Branche schwächelt, steigert das nördlich von Florenz ansässige Tra­ditionsunternehmen beständig seine Produktionszahlen. Eine Marzocco auf dem Tre­sen, das ist mehr als bloß ein Arbeitsgerät – sie ist Statement, Status­symbol, Kult, vielleicht sogar Fetisch. Wir trafen den Sohn des Gründers, Piero Bam­­bi.

SCARPERIA, MITTE MAI. Eine Klein­stadt im Herzen der Toskana. Unweit des schmucken Örtchens befindet sich – wie gewöhnlich inmitten einer gesichtslosen Ansammlung von Produktions­hal­len – das, was man ohne Übertreibung eine Art Heiligtum der italienischen Espresso­kultur nennen könnte: der Fir­men­sitz von La Marzocco. Heute indes steht hier absurderweise alles im Zei­chen eines britischen Kleinwagens. Auf der Mugello-Renn­stre­cke gleich um die Ecke findet das „Inter­na­tional Mini Mee­ting“ statt, ergo: Mini Cooper aller Spiel­arten, wohin man auch blickt. Alte, ne­ue, seltsame. An jeder Kreu­zung und je­der Tankstelle. In gewisser Hin­sicht sind sie dennoch Vorboten dessen, was auch La Marzocco, die 1927 ge­gründete Mar­ke mit dem florentinischen Lö­wen im Emblem, vermutlich mehr ausmacht als alles andere: diese ganz eigene Kreuzung aus Geschichte und Fort­schritt, Tradition und Moderne.

Spätestens seit Piero Bambi La Marzocco Mit­te der Neunzigerjahre an eine Grup­pe US-amerikanischer Investoren verkauft hat, weht in der Fiorentina ein an­de­rer, gen Zukunft gerichteter Wind. Das Herz ist noch da, aber es schlägt schnel­ler. Schon beim Betreten des schmuck­en, im Inneren wie ein toskanisches Land­haus gestalteten Gebäudes fällt auf, dass hier einiges anders läuft als bei den meisten Mitbewerbern. Sowohl die ansprechenden Aufenthaltsbereiche als auch die nach wie vor komplett auf Hand­arbeit set­zende Produktion ist sau­ber durch­struk­turiert und picobello. Um den Kon­takt mit Marzocco USA zu hal­ten, gibt es ei­nen Video­kon­ferenz­raum. „Wir sind stolz darauf, unseren Strom als eines der ganz wenigen Un­ter­neh­men in Italien zu 100 Prozent aus Solar­ener­gie zu ge­win­nen“, erklärt Ex­port­ma­na­gerin Bar­bara Galea, die mich durch die Hallen führt, und zeigt auf einen Flach­bildschirm. Direkt in Wurfweite prä­sentiert man die eindrucksvolle Mas­chi­nen­­historie: umwerfend schöne Hand­hebelmaschinen aus den Fünf­zigern, für die Sammler ein Ver­mö­gen hinblättern würden, neben wegweisenden Modellen aus den Siebzigern und Achtzigern, allen voran GS und Linea. Und dann steht er plötzlich neben einem: Signor Bambi. Selbst ir­gendwie ein Relikt in dieser Um­ge­bung, aber ein äußerst lebendiges.

„Sie mögen Handhebelmaschinen? Ich nicht. Zu inkonsistent. Sie sind wie ein Glücksspielautomat: Manchmal spuckt er Geld aus, aber meistens liegt man daneben.“ Bambi lacht ein lautes, kehliges Lachen. „Natürlich hatten sie ihre Zeit damals, sie waren eine Revolution. Auf einmal gab es eine Crema beim Kaffee. Aber machen wir uns nichts vor: Mit einem Handhebel können Sie extrem dunkle, harte Röstungen wie Passalacqua oder Izzo brühen, da hierfür hohe Temperaturen vonnöten sind – der Rest verbrennt.“ Wir setzen uns.

La-Marzocco-HandhebelmaschineSignor Bambi, wie beginnen Sie Ihren Tag? Piero Bambi: Zu Hause, mit einem sehr sanften Americano aus der Caffèttiera und ein bisschen Milch. Den ersten richtigen Espresso trinke ich erst hier in der Firma. Mein Gott, ich bin Italiener! (lacht) Sie werden lachen: Bei mir in der Küche steht eine GS/3, die ich aber so gut wie nie benutze. Wozu auch, wenn man den Rest des Tages umzingelt ist von all den Maschinen.

Hat sich an Ihren Vorlieben und Ritualen über die Jahre etwas geändert? Zumindest trinke ich heute erheblich weniger als früher, in der Regel höchs­tens vier Tassen. Früher war es min­destens das Doppelte. Was letztlich auch noch sehr moderat ist. Mein Onkel, der seinerzeit immer zu den Kunden raus­fuhr, kam meist nicht unter 15 bis 20 Espressi davon und er wurde im­merhin 93. Man probiert, stellt Mühlen ein, will gesellig sein. Aber, hey: Es könnte auch schlimmer kommen. Zum Glück verkaufen wir Espressomaschinen und keinen Grappa! (lacht)

Sagen Sie einem Barista, wenn der Espresso, den er Ihnen bereitet hat, nicht gut war? Natürlich nicht! Das tun wir Italiener nicht. Wir schweigen, verlassen die Bar – und kommen niemals wieder. Ich bin eh kein großer Redner. Es reicht schon, wenn die Dampflanze oder die Glocke der Mühle verdreckt ist. An einem solchen Ort haben Sie mich zum letzten Mal gesehen. Und eigentlich sollte es jeder so halten.

Erinnern Sie sich an den besten Es­pres­so, den Sie jemals getrunken haben? Das wäre gelogen, zumal ich bis vor Kur­zem nicht mit derart hohen Er­war­tungen an das Thema herangegangen bin. Sie müssen sich stets vor Augen halten, dass Espresso hier in Italien ein Grund­nah­rungsmittel ist. Einem Ita­lie­ner fällt eher auf, wenn es mal nicht so stimmt, als dass er einen besonderen Shot bemerkt. Heu­te ist das ein bisschen an­ders. Ich ha­be eine Menge dazugelernt von den jungen Leuten, von unseren Kunden auf der gan­zen Welt. Es­pres­so ist weitaus komplexer, als die meisten meiner Landsleute glau­­ben (überlegt). Aber wissen Sie: Es gibt immer wieder Überraschungen. Erst kürz­­lich hat mir ein ganz kleiner italienischer Röster aus der Gegend eine Tasse kre­­denzt, die mich wirklich umgehauen hat.

Schmecken Ihnen als Italiener denn die extrem hellen Röstungen, die derzeit allen voran in Skandinavien und den USA so angesagt sind? Ich finde diese Entwicklung enorm spannend, ja. Man muss Ohren und Augen offen halten – auch noch in meinem Alter. Sonst entwickelt man sich nicht weiter, sondern bleibt stehen. Wenn Sie mich fragen, dann ist genau das das Haupt­pro­blem dieses Landes: Wir machen immer al­­les so, wie wir es schon immer ge­macht haben. Wir lieben den Status quo, schauen im Zweifel eher zurück in die Ver­gan­genheit statt in die Zukunft. Aus Prinzip und Borniertheit. Ob es nun der Kaffee ist, der Fußball, unsere Bau­denk­mäler oder die Politik. Aber zurück zu Ihrer Frage: Vor einigen Jahren traf ich in Oslo den Norweger Tim Wendel­boe und was der Kerl röstet, ist absolut spit­ze. Ein Tick zu viel Frucht ist mir unterm Strich zehnmal lieber als das alte System (lacht). Al­lei­ne schon aus gesundheitlichen Grün­den.

La-Marzocco-Mitarbeiter-in-der-Mittagspause
Wie meinen Sie das? Ganz einfach: Es fängt bei der Chemie an. Haben Sie geraucht?

Nein, ich bin Nichtraucher. Seien Sie froh. Wären Sie Raucher, dann wüssten Sie, dass man als solcher fast manisch bei derselben Zigarettenmarke bleibt. Wie andere Drogen auch machen die Alka­loide im Kaffee abhängig, umso mehr, wenn Sie stets dasselbe trinken. Der Mensch gewöhnt sich an einen Ge­schmack, wenn er jeden Tag exakt die glei­chen Bestandteile im Kaffee zu sich nimmt. Der Röstvorgang ist mit das Kom­plexeste, was man sich vorstellen kann. Baut man an dieser Stelle der Ket­te Variationen ein, statt immer und im­mer wieder nach Schema F zu verfahren und Standard zu liefern, beugt man all­zu starker Gewöhnung und damit auch Ab­hängigkeit vor. Geschmacklich bin ich nach wie vor auf der Suche nach meinem Geschmack. Das Nonplusultra habe ich noch nicht gefunden.

Veränderung und Wandel scheinen mir in der Tat ganz zentrale Ge­dan­ken Ihrer Philosophie zu sein. Exakt. Als in den Sechzigern alle auf die neuen Pum­penmaschinen auf E61-Basis um­stie­gen, waren es die Röstereien, die vor den Kopf gestoßen waren. Ihre Mi­schun­gen, die auf die Bedürfnisse von ­Hand­heb­lern zugeschnitten waren, erwiesen sich allesamt als zu dunkel. Sie mussten sich anpassen und das fiel vielen an­fangs schwer. Aber so ist der Lauf der Zeit. Die Dinge ändern sich, ob es einem nun persönlich gefällt oder nicht. Früher lie­fen die Maschinen mit 1,5 Bar, heute oft bei 0,8. Die Ergebnisse in der Tasse sind erheblich softer, runder.

Wenn man sich viele der modernen „third wave“-Baristi ansieht, hat man es eher mit kulturellen Ikonen, teil­wei­­se gar tätowierten Popstars am Sieb­­träger zu tun, nicht mehr mit klas­sischen Gastronomen. Können Sie diese Entwicklung noch nach­voll­zie­hen? Absolut, diese Welt fasziniert mich zutiefst. Diese jungen Leute widmen sich mit derartigem Forschergeist und so viel Passion meinem Le­bens­the­ma – wie sollte es da anders sein? Be­wun­derung ist da weitaus mehr am Platze als Überheblichkeit. Dass sie an­ders aussehen, sich anders kleiden als ein Mann meines Alters, der ihr Groß­vater sein könnte, ist doch ebenso klar wie positiv, denn es generiert Auf­merk­sam­keit. Sie begegnen mir mit größtem Respekt und das erfüllt mich mit Stolz. Dass Espressomaschinen noch einmal derart im Fokus stehen, macht mich einfach nur glücklich. Es gibt Tage, da stehe ich hier staunend in der Firma und kann das alles gar nicht fassen.

Gleichwohl geht es – allen Latte-Art-Championships zum Trotz – am Ende auch bloß um ein Heißgetränk. Schüt­teln Sie da nicht manchmal zu­min­dest im stillen Kämmerlein den Kopf? Nein, weil es reinsten Enthu­sias­mus verkörpert. Hingabe in reinster Form. Allein schon der Wille, etwas zu erreichen, das schein­bar Unmögliche zu schaffen, hat Prei­se verdient, finde ich. Das kann man lei­der von etlichen der hier in Italien ar­bei­tenden Baristi nicht mehr behaupten. Zumeist bekommen Sie in hiesigen Bars Standard zu trinken – nicht mehr, aber zum Glück auch nicht weniger. Mehr kann man eben für einen Euro nicht erwarten. Überall sonst in der Welt wird erheblich mehr für einen Espresso ge­zahlt. Zu Recht, denn ein perfekter Es­presso sollte genau das sein: ein kleines Luxusgut. Unsere Maschinen helfen da­bei, ihn zu einem solchen zu machen, aber man muss sie sich auch leisten können. Genauso wie einen guten Barista, der verstanden hat, wie alle Details in­einan­dergreifen. Bis hin zur Hygiene.

Gesättigte-Strada-Brühgruppen
Mit La Marzocco und Maschinen wie der Strada, die als Statussymbole des technisch Machbaren gelten, sind Sie zum festen Bestandteil der Szene avan­ciert, haben sie sogar bis zu ei­nem gewissen Punkt mitgeprägt. Was genau hebt Sie vom Rest der Her­steller ab? Zunächst einmal, dass wir letztlich ticken wie unsere Kunden! Wir sind und waren von Anbeginn an eben­­so mutig und neugierig wie die Rös­ter, über die wir eben gesprochen haben, und wir hören ihnen wirklich zu, nehmen ihre Belange ernst. Der Trick ist hier wie dort: Lerne aus der Geschichte – und wage etwas Neues! Florenz zum Bei­spiel lebt im Gegensatz dazu einzig und allein in und von der Ver­gan­gen­heit. Wo immer Sie auch hinschauen: Me­dici, Medici, Medici! (stöhnt) Alles, was in Italien staatlich ist, rostet vor sich hin. Eine Katas­trophe. Aber lassen Sie uns bitte von et­was anderem reden, sonst werde ich bö­se.

In der Tat haben Sie sich bei La Marzocco nie auf dem ausgeruht, was Sie geschaffen haben. Als alle Welt vertikal baute, entwickelte mein Va­ter Giu­sep­­pe 1939 den horizontal ein­ge­bau­­ten Kes­sel. Keiner nahm ihn ernst, als er Ende der Sechziger die ers­ten Dual­boiler­ma­schinen testete, die schließ­­­lich in der GS kulminierten. Und auch die erste semiautomatische Gruppe stammt von uns. Oder nehmen Sie die ver­­wendeten Werk­stoffe: Alle vertrauen auf Kupfer und Mes­sing – wir verwenden für unsere Boiler, Brüh­grup­pen und sogar die Siebträger seit den­ Sieb­zigern aus­schließlich Edelstahl.

Warum? Weil es in Kombination mit hei­ßem Wasser hygienischer und weniger belastet ist. Edelstahl ist weitaus komplizierter in der Verarbeitung, aber technisch und damit ge­schmack­lich überlegen. Er benötigt län­ger, um auf Temperatur zu kommen, hält diese aber dafür dann auch besser. Wir wollen immer das Op­ti­mum. Es gab eine Zeit, da experimentierten auch andere Firmen mit Edel­stahl – alle sind zu Kupfer zurückgekehrt. Alle bis auf uns und ein paar verrückte Klein­hersteller (lacht).

Was war in der Rückschau die komplizierteste Erfindung? Ganz klar der Dop­pelboiler – aber nicht aufgrund der neuen Architektur, sondern weil wir ihn eben unbedingt aus Edelstahl bauen woll­ten.

Wer hatte seinerzeit eigentlich die Idee, zwei unabhängige Boiler zu verbauen? Es war das letzte Projekt meines Va­ters, weil er gegen Ende seines Schaf­fens mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt war, dass die Temperatur des Brühwassers ebenso wichtig, wo­mög­lich gar noch wichtiger ist als der Brühdruck. Sämtliche Pumpen in jener Zeit lieferten einen nahezu identischen Druck, gleichwohl war das Ergebnis enorm unterschiedlich. Die Lösung war, die Temperatur sowohl direkt steuerbar als auch stabiler zu machen.

Haben die Leute Giuseppes Ansatz sofort verstanden und angenommen, oder gab es zunächst Widerstand? Un­s­ere Kunden waren begeistert. Wer nicht so gut damit klarkam und die Sa­che schlecht geredet hat, waren unsere Mit­bewerber (lacht). Komisch, dass sie seit­her alle auf den Zug aufgesprungen sind.

Was ist in Ihren Augen das größte technische Problem, das es demnächst zu lösen gilt? Neben einer weiteren Reduzierung der Temperatur­schwan­kungen, die wir mittlerweile über ge­sättigte Gruppen sowie auf etwa 70 °C vor­geheiztes Brühwasser auf 0,25 °C be­grenzen konnten, sicher die Größe der Maschinen. Banal, aber wahr. Professio­nel­le Espressomaschinen verschlingen einfach noch viel zu viel Platz. Wem es gelingt, die Dinger kleiner zu machen, ohne dass zu viel Platz für Tassen verloren geht, der hat gewonnen.

Vater-und-Sohn
Zurück zu Ihrem Vater: War er als Mensch so rastlos, wie man ihn sich vorstellt? Es liegt mir fern, ihn einseitig zu idolisieren, aber es ist schon so: Mein Vater war eine enorm starke Persön­lich­keit mit einem schier unbändigen Wi­l­len. Für ihn stand die absolute Hingabe an seine Arbeit immer an erster Stelle. Giu­seppe hat sozusagen in seiner Werk­statt gelebt. Wenn Sie mit rastlos umschreiben, dass er auf vielen Ebenen zu­ Hause war, dann trifft es das. Mein Va­ter hatte etliche Talente, vom Pro­dukt­design über handwerkliches Geschick auf mancherlei Terrain bis zum Verkauf. Im Grunde konnte er jedes Projekt in All­einregie umsetzen, bis hin zur Me­tall­verarbeitung – eine Qualität, die es heute in dieser Form gar nicht mehr gibt.

Aber war das für Sie als Kind nicht mitunter hart, mit solch einem Work­a­­ho­­lic als Familienoberhaupt? Da ist schon was dran, ja. An Sonntagen muss­ten meine Brüder und ich definitiv zu­meist mit unserem Onkel ins Kino gehen, weil Papa mal wieder in der Firma über irgendeinem technischen Pro­blem brütete. Wir waren damals alles an­dere als wohlhabend. La Marzocco, das waren er und sein Bruder Bruno – e bas­ta! Das Meer habe ich zum ersten Mal mit 13 oder 14 gesehen, als mein Vater direkt nach dem Krieg nicht produzierte und zeitweise ein einfacher Angestellter war. Sonst hat er niemals mit uns Urlaub gemacht.

Es stimmt also, was man über Sie erzählt: Sie seien praktisch in der Werkstatt groß geworden. (Lacht) Ja. Das ist aber auch nicht schwer, denn un­sere Woh­nung befand sich genau darüber. Ich bin als kleiner Junge oft nach un­ten ge­laufen, um mir die Maschinen und Werk­­zeuge anzuschauen. Mein Va­ter hat mich ab und zu sogar an die Fräse gelassen, die hat einen Höllenlärm gemacht. Die­­s­e Welt hat mich schon früh fasziniert, und daran hat sich bis heute nichts ge­än­dert.

La-Marzocco-Firmengebäude
Warum haben Sie die Marke dann Mit­te der Neunziger an eine Gruppe ame­rikanischer Investoren veräußert? Es hatte jedenfalls nicht unmittelbar etwas mit Starbuck’s zu tun, wie gerne von der Konkurrenz behauptet wird. Das kam erst später. Nachdem mein Vater 1987 ge­storben war, hatte ich einen Herz­an­fall. Und da ich selbst keinen Sohn habe, stell­te sich mir ganz konkret die Frage nach der Nachfolge. Es ging primär da­rum, die Marke im Gedenken an Giu­sep­pe Bambi zu sichern, bevor mir irgendwas zustößt. Mit Kent Bakke, unserem heutigen CEO und ehemaligen US-Impor­teur, verband mich seit den Sieb-­zi­ger­jahren eine gute Freundschaft. Ich wuss­te, dass er intuitiv versteht, worum es uns mit La Marzocco geht und dass mir zwei Dinge wichtig waren: den Er­halt des Namens und des Pro­duktion­s­stand­ortes in der Nähe von Florenz.

Der Erfolg gibt Ihnen Recht: Zurzeit produzieren Sie mehr als 5.000 Ma­schi­nen pro Jahr, exportieren weltweit in über 90 Länder. Aber ganz eh­r­­lich: Fühlt sich diese Firma noch italie­nisch an? Absolut. Es geht vielleicht logistisch ein bisschen geordneter, weniger chaotisch zu als früher, aber der Geist ist derselbe. Sonst wäre ich mit 79 Jahren nicht jeden Tag hier.

Das heißt, Sie würden diesen Schritt genauso noch einmal gehen, wenn Sie die Wahl hätten? (Überlegt lange) Die Frage ist obsolet. Damals war es das Beste für uns, dessen bin ich sicher. Ich bezweif­le auch, dass wir ohne diese Stärkung die Wirtschaftskrise 2009 überstanden hätten. Aus heutiger Perspektive … (lächelt) Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung.

Interview, Text & Fotos: Patrick Großmann