Im Test: La Pavoni Professional

Weil das Bankkonto bestimmt bei vielen Lesern über die Weihnachtszeit gelitten hat, testen wir in dieser Ausgabe die La Pavoni „Professional“. Denn der Hersteller ruft hier – im Gegensatz zum Mitbewerber und deren „Profitec“-Modell mit 2.599 Euro – gerade mal 600 Euro auf. Die La Pavoni ist vielleicht kein roter Flitzer aus Maranello, sondern eher gute Hausmannskost à la Golf. Oder entpuppt sich die La Pavoni als der ultimative Golf im Schafspelz? Wir werden es sehen.

Unboxing

Schon die Verpackung verspricht goldene Kaffeezeiten: Auf dem Karton thront eine goldfarbene „Professional“ mit mächtigem Adler als Topping. Alles sieht schmuck und vielversprechend aus. Allerdings wurde die abgespeckte nur äußerlich einfach gehaltene Version in Chromfarben mit schwarzen Applikationen geordert. Na ja, entpuppt sich die kleine Italienerin vor dem Test bereits als Blenderin? Wir hoffen nicht. Und bangen.

Okay, im Karton ist das bestellte Objekt der Begierde. Blitzender in Chrom gehaltener Body mit einem rassigen pechschwarzen Haupt. So wie vielleicht eine Italienerin sein soll. Das Foto auf dem Karton mit Messing-pling-pling und goldenem Adler ist schnell vergessen. Entwarnung für alle Handhebel-Enthusiasten mit einem Faible für Brünette: Auch für diese Leidenschaft hat La Pavoni vorgesorgt. Chrombody mit Holzapplikationen, was für ein paar Cent mehr käuflich zu erwerben ist.

Verarbeitung

Beim genaueren Hinsehen ist unschwer zu erkennen, dass die auf den Namen Professional PL hörende La Pavoni fein verarbeitet ist. Keine Ecken und Kanten, keine scharfen Metallteile. Alles ist übersichtlich gehalten, ohne zu verwirren. Sämtliche Zubehörteile entsprechen dem Durchschnitt eines Mittelklassewagens, sprich Siebe für je einen Single-und Doubleshot. Ein Tamper ist ebenfalls an Bord, allerdings aus profanem Plastik. Nur der Schriftzug „La Pavoni“ auf dem Erdölprodukt zeugt von einem Originalteil aus dem Hause und stellt kein billiges Importplastik dar. Molto bene. Im Gegensatz zur etwas kostspieligeren Ausführung mit Holzapplikationen muss sich die PL mit einem Abtropfblech, wenn es überhaupt so genannt werden darf, hergestellt aus Plastik, begnügen. Muss es denn nicht Abtropfkunststoff heißen? Egal.

Aber da fängt es schon an. Das Kunststoffteil besteht aus zwei Teilen. Auffangwanne und dem Rost. Irgendwie mag es jedoch nicht so richtig in die dafür vorgesehene Aussparung passen. Es rastet nicht ein, es wackelt. Hier wünscht der Benutzer das im Zubehör erhältliche Metallblech. Aber ob es besser passt? Die Verarbeitung sowie die Haptik ist dennoch gut. Einziger Wermutstropfen ist der „prodotto in plastica“ gehaltene Zeiger des Druckmessers. Okay, nun sind wir äußerst pingelig, zumal dieses Feature auch weitaus teurere Maschinen wie Rocket Evoluzione oder Rocket Giotto schmückt. Mit an Bord ist bei diesem Modell ein Auto-Cappuccinatore, der das Milchaufschäumen vereinfachen soll.

Ab in den Netzstecker

Nun ist es an der Zeit, die aus Norditalien stammende Signorina richtig heiß zu machen. Dafür genügt etwas Wasser, wobei generell kalziumarmes Wasser bevorzugt wird, um eine frühzeitige Verkalkung der Maschine zu verhindern. Rund 1,6 Liter fasst der Boiler (bei den Typen „Professional“ und „Stradivari“), wenn das schwarze Haupt abgeschraubt wird. Das Modell „Europiccola“ fasst mit zirka 800 Milliliter etwas weniger, wobei dies locker für acht wohlschmeckende Espressi reicht. Nun das schwarze Haupt schnell zugedreht, Netzstecker in die Schukosteckdose und den einzigen Schalter am linken Rand auf on stellen. Die alten Modelle der Marke schmückte ein Schalter in der Farbe „Rosso“, doch zwischenzeitlich stiegen diese auf die Farbe „alles paletti“, also Grün, um. Grün wie freie Fahrt. Nach wenigen Minuten vernimmt der erwartungsvolle Konsument ein Blubbern.

Anlaufschwierigkeiten

Generell dauert die Aufheizphase fünf Minuten. Zeit genug, um sich zwischendurch mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen. Kartonage und Styroporverpackung entsorgen oder Wohnung saugen als Beispiel. Leider oder zum Glück wurden die anderen Tätigkeiten von einem lauten „Dauerzisch“ jäh unterbrochen. Der Zeiger des Druckmessers stand auf 0,3 bar, die Küche war vernebelt und es zischte unentwegt aus dem Überdruckventil. Das kommt davon, wenn die hübsche Südländerin allein gelassen wird. So straft sie den wartenden Espressofan schnell ab. Schalter auf 0, Gerät rund eine halbe Stunde abkühlen lassen. Anschließend nochmal Wasser nachfüllen, Netzschalter auf on und warten. Die Dame fing nach kurzer Zeit dennoch erneut zu fiepen an. Was ist los? Es entspricht nicht unserem Naturell, der Damenwelt etwas grob zu Hand zur gehen. Dennoch sah sich der Bediener gezwungen, mittels Milchkännchen dem Ventil einen kleine Klaps zu verpassen. Schon herrschte versöhnliche Ruhe in der Küche. Das Rendezvous konnte weitergehen.

Es dauerte keine drei Minuten, schon stand der Druckmesser im „Alles-paletti“-Bereich zwischen 0,7 und 0,8 bar. Alles war wieder gut, das Tête-à-Tête steigerte sich. Im Gegensatz zur Bezzera „Strega“ oder der Profitec „300“ ist das Gehäuse der La Pavoni eher unscheinbar und eigentlich für unzählige auch klein gehaltene Küchen uneingeschränkt geeignet. Allerdings bemerkt die Hängeschrank-Fraktion in der Küche schnell, dass die La Pavoni bei „Hebel unten“, der Standardstellung, gut in das Küchenumfeld passt, was allerdings beim Einfließen des Wassers in die Brühgruppe in Stellung „oben“ nicht immer passend sein muss. Kein Problem, die junge Italienerin ist mit 5,5 kg beweglich und kann im Gegensatz zu den Konkurrenten der 30-kg-Liga problemlos auf der Arbeitsplatte wie ein Sonnenstuhl am Sandstrand von Rimini verschoben werden. Chapeau! oder wie in dem Falle unsere Italienerin sagen würde: Rispetto.

Los geht’s!

Der eh schon gewöhnungsbedürftige kleine Siebträger mit einem Durchmesser von 52 Millimeter ist zu groß für den noch kleineren Tamper. Wie bitte? Das Kaffeemehl kann nicht in voller Breite getampt werden? Eine nicht zu vernachlässigende sehr ärgerliche Angelegenheit, legt doch jeder Kenner auf das einwandfreie Pressen von Kaffeemehl höchsten Wert. Das kann nicht als Kleinigkeit abgetan werden. Es ist anzuraten, im Zubehörhandel zum Kauf dieser Maschinengattung umgehend einen passenden Tamper zu erwerben. Das Rendezvous bekam einen nicht unerheblichen Dämpfer. Das Mehl musste im Uhrzeigersinn mehrmals am Rand getampert werden. Dann wurde der Siebträger eingespannt. In der Regel handelt es sich um einen rechtsdrehenden Verschluss. Die La Pavoni zeigte sich aber zickig und verlangte nach linksdrehender Arbeit.

Als nächstes verweilt die linke Hand im Kaffeebezugsmodus lethargisch auf dem Siebträger, um das Abheben der Maschine beim „Hebel-nach-oben“ zu unterbinden. Wie bequem. Handhebel langsam nach oben ziehen, bis ein zischendes Geräusch zu vernehmen ist. Zischen bedeutet, dass Wasser vom Boiler in den Siebträger durch den Überdruck im Kessel fließt. Nun kommt es zum eigentlichen Akt: Mit Gefühl, aber dennoch ordentlich Kraft den Handhebel nach unten drücken. Anfangs ist der Widerstand beim Drückvorgang eher gering, dann merkt der Barista, dass schnell mehr Kraftaufwand nötig ist. Gespannt wird das Augenmerk auf die Espressiausgabe gelegt. Bei rund 3 Uhr oder einem 90 Grad Winkel zur Arbeitsplatte kommt die ins Schwarz gehende sämige Flüssigkeit aus dem Doppio-Auslauf. Erst tröpfelnd ölig, dann dickflüssig. Alles Negative der leicht biestigen Italienerin ist wie verflogen.

Auf wiedersehen?

Zeigt der Shot je grande tazza ca. 30 ml bei roundabout 25 Sekunden, ist der Handhebelbetreiber zufrieden. Aber bis zu diesem nahezu perfekten Ergebnis ist es ein langer Weg – verglichen mit einem Hamburger Kiez bis zum brodelnden Ätna auf Sicilia. Ohne Autobahn A7 und ohne Brennerautobahn. Beim System von La Pavoni wird der Boiler direkt mit Wasser befüllt, daher kommt diese Art der Maschinen auch ohne Pumpe aus.

Fragt sich mancher, worin sich die La Pavoni von ihren größeren Mitbewerbern außer bei Kaufpreis, Größe und Gewicht unterscheidet? Die Antworten sind schnell gefunden. Es liegt an der Einfachheit der Maschine. Es gibt einen direkt zu befüllenden Kessel mit Heizwendel à la Tauchsieder, Pressostat für die Überwachung des Innendrucks und fertig. Auf der Geräteunterseite ist zu sehen, oder besser gesagt, es ist nichts zu sehen, außer ein paar Elektrokabeln für die Stromversorgung der Heizung und die Verbindung zum Netzschalter. Sehr viel mehr hat die Maschine nicht zu bieten.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Bei der Zubereitung von Espressi werden Sie sehr schnell feststellen, dass sehr viel Feingefühl verlangt wird. Das Ergebnis ist nicht immer im Wohlfühlbereich, schließlich ist neben Mahlgrad, Tamperdruck und Kaffeemenge noch die Möglichkeit der Preinfusion zu nennen. Zieht der Espressionist den Hebel nach oben, strömt heißes Wasser in das Mehl. Erst beim Drücken des Hebels nach unten wird die Zufuhr gestoppt und der eigentliche Kaffeebezug beginnt. So kann die Preinfusion nach Belieben gesteuert werden. So sind die eh schon unbegrenzten Möglichkeiten der Zubereitungsparameter noch unbegrenzter.

Sie allein steuern somit den Druckverlauf beim Extrahieren. Das schaffen sonst nur Maschinen mit programmierbarer Druckverlaufskurve wie die Quickmill „Andreja Profil“ für 3.500 Euro. Allerdings ist dort der Druckverlauf stets gleich, da maschinenseitig programmierbar. Bei der La Pavoni entscheidet der Barista, was als Vorteil genannt werden kann. Meist schmeckt das Ergebnis bei jedem Bezug etwas anders, was zudem sehr interessant da abwechslungsreich ist. Eine genaue Reproduzierbarkeit der Shots ist somit nur schwer gegeben.

Fazit

Alles in allem ist die La Pavoni eine rassige und klassische Südeuropäerin mit vielen Vorteilen, aber auch kleinen Macken. Für alle Schwaben unter uns sei angemerkt: Wer auf 800 Milliliter Boilervolumina und die schon sehr aparte Druckanzeige verzichten kann, spart rund 100 Euro, die in eine Mühle investiert werden können, die wir in einer der nächsten Ausgaben vorstellen werden.

In Anbetracht der Tatsache, dass für einen Einstandspreis von rund 600 Euro ein durchdachtes, einfach zu handhabendes sowie platzsparendes Gerät zu haben ist, zeigt der Must-have-Daumen eindeutig gen „la bella sole“ – vorausgesetzt, dass der Bankberater keinen Strich durch die Kaffeerechnung macht.

Steckbrief:
Maße (Breite/Höhe/ Tiefe in cm): 20 x 32 x 29 cm
Gewicht: 5,5 kg
Leistungsaufnahme: 950 W
Kesselvolumen:  1,6 Liter
UVP: ca. 600 €

Es wurde getestet mit:
Mühle: Mazzer Mini A
Espresso: 100 % Robusta, Röster:
Ziener, Schwäbisch Gmünd