Im Test: SAB Viennetta

Der Maschinist vs. SAB Viennetta

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Die Marke SAB ist Ihnen kein Begriff? Keine Sorge, das ging uns bis vor Kurzem ganz ähnlich. Bis dato machte das norditalienische Unternehmen aus San Vittore Olona bei Mailand höchstens auf nationaler Ebene sowie osteuropäischen Nischenmärkten von sich Reden – als Hersteller preiswerter, aber funktionaler Gastro-Siebträger. Mit der edel anmutenden VIENNETTA gibt es nun aber ein Gerät, das qua Abmessung und Features auch für den gehobenen Heimsektor oder als elegante Bürolösung spannend ist. Der Maschinist hat sie en détail unter die Lupe genommen.

Erstkontakt
Mein lieber Scholli, was für ein Quader. Allein das Unterfangen, die glänzende Wienerin ohne Hilfe aus der Kartonage und auf die Arbeitsfläche zu bugsieren, mutiert zum Kraftakt. Dabei steht die Verpackung leider im unschönen Kontrast zur Wertigkeit des bleischweren Inhalts: Mehr als ein schnöder, dünnwandiger Pappkarton ohne jede Polsterung war scheinbar nicht im Budget; auch das mitgelieferte Zubehör beschränkt sich auf das Allernötigste: Zwei schwere 58mm-Gastro-Siebträger, Blindsieb, Ablaufschlauch, Zulauf fürs Festwasser, rudimentärer „Beipackzettel“. Punkt. Ende im Gelände. Das können andere durchaus besser. (Gerade eine Firma, die sich eine neue, verwöhntere Klientel erschließen will, sollte hier mit mehr Liebe zum Detail vorgehen. Doch dies nur am Rande…). Und dann steht sie da und glänzt in der Sommersonne. Ganz recht, denn aufgrund geradezu subtropischer Temperaturen hat der Maschinist sein Laboratorium kurzerhand ins Freie verlegt.

Ein Open-Air-Test, sozusagen. Was bei einem ersten Rundgang neben der großzügigen Tassenabstellfläche sofort ins Auge sticht, ist das Fehlen normaler (im Zweifel leider meist haptisch unansprechender) Druckschalter, denn hier geht SAB einen smarteren Weg.Programmiert und bedient wird die Dame nämlich über ein verschleißfreies kapazitives Touchpad, wie wir es von modernen Smartphones kennen, sprich: über ein durch Induktion gesteuertes Tipptastenfeld. Vier Ausgabemengen lassen sich hier ebenso voreinstellen wie das Teewasser, während der Dampf ganz traditionell über ein wertiges Drehventil gesteuert wird. Wer das Gerät nicht über den unter einer Blechabdeckung verborgenen 3-Liter-Wassertank fahren möchte, findet unter der leider arg niedlich geratenen Abtropfschale die Möglichkeit zum Anschluss ans Wassernetz. So weit, so perfekt.

Wirklich rund wäre das Bild allerdings erst, hätten die Konstrukteure auch hier (also quasi unterm Teppich) ebensoviel Qualitätsbewusstsein walten lassen wie im sichtbaren Bereich: Sowohl der Netzschalter als auch die Tankumschaltung wirken billig und sind wacklig verbaut, die Beschriftung besteht aus Aufklebern (!), die eine erste Reinigung kaum überstehen dürften. Die schiere Größe der Viennetta wird übrigens geschickt abgemildert durch die geradezu verspielt gestalteten Seitenteile, die dem an sich geradlinigen Design den nötigen Pfiff geben. Neben der Edelstahlversion sollen laut Hersteller ab sofort auch die Farbvarianten Rot, Schwarz, Weiß und Gelb (!) erhältlich sein, was wir uns aber ohne Bildmaterial nicht wirklich vorstellen können.

Von außen nach innen
Unterm Blechkleid präsentiert sich uns ein durchweg positives und erfreulich aufgeräumtes Bild. Statt Wildwuchs gibt es sauber gebündelte und sogar mit einer Schutzhülle versehene Kabel, die Messingverrohrung wirkt klar und fachgerecht ausgeführt. Links oben, gut zugänglich neben dem liegend verbauten 2,5-Liter-Kessel, befindet sich der Profi-Pressostat von Sirai, und auch die zwei Magnetventile für Teewasser und Brühgruppe sind im Falle eines Falles einfach zu erreichen. Wo andere im Heimbereich Flowmeter (das ist der Durchflussratenmesser für die Mengenautomatik) aus Plastik einsetzen, macht SAB keine Kompromisse und spendiert ein robustes Bauteil, das auch in den Gastro-Maschinen des Herstellers zuverlässige Dienste leistet. Da sollte also nichts anbrennen. Vergleichsweise versteckt platziert ist höchstens die amtliche Rotationspumpe, die sich zum Glück aber von außen justieren lässt. Insgesamt ist dem Maschinisten eine frappierende Nähe zu Rocket aufgefallen, bis hin zur identischen Tanklösung. Im Grunde ist das eher ein Lob, denn es gibt zweifellos schlimmere Verwandtschaften.

Auf Herz und Nieren
Leise surrt die Rota los, bis nach kürzester Zeit der Kupferkessel komplett befüllt ist – so haben wir das gerne. Es ist ja letzten Endes nicht bloß das Schweigen im Walde, was einen an Rotationspumpen begeistert, sondern auch der enorme Durchsatz. Nachvollziehbar bei dem Kesselvolumen, dass es immerhin acht Minuten dauert, bis das Unterdruckventil mit vernehmbaren Schnaufen schließt; nach zehn Minuten vermeldet das Doppelmanometer Volldampf voraus, und der Pressostat regelt knapp über einem Bar ab. Soweit alles nach Vorschrift und perfekt ab Werk eingestellt. Nach einer guten Viertelstunde – eher flott für eine Macchina dieser Größe – kann il vero caffè bereitet werden. Im Praxischeck gab es dann auch entsprechend wenig bis nichts zu mäkeln– kein Wunder bei der Hochwertigkeit der tragenden Bauteile.. Den ersten, noch etwas zu fein gemahlenen Shot nutzen wir, um die Wassermengen zu programmieren. Dies geschieht kinderleicht: Entsprechende Kaffeemenge für Einer- oder Doppelsieb mahlen, Siebträger einspannen, so lange auf die Dauerbezugstaste („P“) tippen, bis die LEDs über den Tastenfeldern zu blinken beginnen, Bezug starten und nach gewünschter Füllmenge durch nochmaliges Antippen stoppen – fertig. Wenn es aufhört zu blinken, ist der Vorgang automatisch gespeichert; für Heißwasser verfährt man identisch.

Das Touchpad reagiert bei alledem zuverlässig und sicher, man darf es nur nicht mit allzu spitzem Finger versuchen. Bereits der zweite Schuss mit der „Gran Miscela“ (16 Gramm im Doppel, 27 Sekunden Bezugszeit bei 9,5 Bar) überzeugt uns vollends: Fingerdick liegt die braun-getigerte Crema in der Tasse, das Aroma ist weich, tief und von angenehmen Schokoladen-Untertönen geprägt. Um mit der Viennetta warm zu werden, braucht es nicht lange. Dazu ist sie einfach zu sehr Gastro-Maschine und schnurrt angenehm sonor daher.
Bleibt letztlich noch die Milchfrage. Dass da nichts anbrennt, sollte allerdings Formsache sein bei 2,5 Litern Hubraum. In der Tat geht die SAB – ab Werk mit einer Zweilochdüse ausgestattet – behände, aber niemals brutal ans Werk. Latte-Art-kompatibler Microfoam ist mit ihr, unterstützt von ihrem sensibel zu dosierenden Federventil, fast schon ein Spaziergang, und auch von beängstigenden Mengen Milchschaum ließ sich die Wienerin nicht in die Knie zwingen. Da kann die nächste Familienfeier getrost kommen.

Resümee
Die Viennetta erscheint uns perfekt fürs Büro und Menschen mit großem Milchdurst: flink, mit ordentlich Power gesegnet, spielend einfach zu programmieren und zu bedienen. Darüber hinaus bietet sie einfach mal etwas Frisches von zig E61-Bombern für das langsam aber sicher gelangweilte Auge – vorausgesetzt, man kann ohne Namedropping leben. Sollte SAB jetzt noch die paar angemahnten äußerlichen Ungereimtheiten in den Griff bekommen, könnte das new kid on the block ein echter Renner werden.

Steckbrief

Maße (Breite/Höhe/ Tiefe in cm): 35,5 x 45 x 46cm

Gewicht: 27 kg

Leistungsaufnahme: 1.400 W

Kesselvolumen:2,5 Liter

Features

» Zweikreissystem/Thermosyphon

» Kapazitives Touchpad

» programmierbare Kaffee- und Teewasserausgabe

» Tankbetrieb/Festwasser schaltbar

» Rotationspumpe

» Verschiedene Farbvarianten wählbar