Im Test: Slayer Single Group

Gutes war schon immer etwas teurer, ein erlesener Geschmack seit jeher ein Luxusproblem; egal, ob es um Uhren, Plattenspieler, exklusive Weine oder Fahrräder geht. Irgendeine Achillesferse hat jeder – und da gibt es ohne Zweifel sinnlosere Laster als guten Kaffee. Am Ende sollte stets die Frage stehen, was man für seinen hart erarbeiteten Mammon als Gegenleistung bekommt. Wir meinen: Im Falle einer Slayer nichts weniger als die technisch momentan beste und spannendste Siebträgermaschine der Welt.

Slayer single groupMaße (Breite/Höhe/Tiefe in cm): 46,5 x 40 x 46 cm
Gewicht: 46 kg
Leistungsaufnahme: 2.600 W
Kesselvolumen: 3,3 Liter (Dampf/Heißwasser) 1,1 Liter (Kaffee) 60ml Pre-Heat-Leitung
Features:
» Festwasser
» gesättigte Brühgruppe
» Dualboiler/PID
» einzigartiges Prew-Brew-System mittels Präzisions- Nadelventil
» Shot- und Pre-Prew-Timer
» Reinigungsprogramm
» Auto-Bleeding
» Touchdisplay für alle
Einstellungen (inkl. Timer)
UVP: 13.000 € (Standardversion ohne Extras)
Hersteller-Website: www.slayerespresso.com

Damit wurde getestet:
Mühle: Ceado E37S
Espresso: La Tazza d’oro ‚Gran Miscela’ aus Sardinien (70% Arabica/ 30% Robusta), Square Mile ‚Red Brick’
Tamper: Epico-Tamper, 58,5mm
Milchkanne: Motta ‚Europa’ Milchschäumkanne, 0,5 Liter

ERSTKONTAKT
Und da ist sie dann: die Mutter aller Holzkisten. In der Tat ist die Ankunft einer Slayer bereits das erste Spektakel eines an Spektakeln nicht eben armen Abends. Die Farbe des Testgeräts – einer sinnvoll, aber nicht überkandidelt aufgepimpten Eingruppigen – lässt sich schon am außen aufgesprühten Graffito erkennen, das in unserem Falle auf ein sattes Signalrot statt Standard-Schwarz hinweist. Ziemlich coole Idee. Um den Kontrast zur Farbe zu erhöhen, hat man in Seattle zudem das X, also den Rahmen, poliert sowie das regulär verbaute peruanische Walnussholz an Siebträger (ja, Einzahl!) und Maschinengriffen gegen Kayha, eine brasilianische Mahagoniart, ersetzt. Da jede Slayer ein handgefertigtes Einzelstück darstellt, ist die Liste der Optionen schier uferlos. Irgendwelche Makel oder Schludereien: Fehlanzeige. Solider, sauber behandelter Stahl trifft auf edelste, zu wahren Handschmeichlern geformte Hölzer. So bleibt einem nichts als zunächst staunend und mit offenem Mund vor dem lediglich über Festwasser zu betreibenden 46-Kilo-Boliden zu stehen.Der Blick aufs Preisschild holt uns dann flugs auf den granitharten Boden derRealität zurück: Schlappe 15 Tausender sind für die Lady beim Kreditinstitut locker zu machen. Allein die erwähnten Extras schlagen mit 1.550 € zzgl. Märchensteuer ins Kontor – dafür gibt es in der realen Welt nicht nur Schnappatmung, sondern on top einen gestandenen Dualboiler! Noch mal zur Info: Das Ding hier ist eine Kaffeemaschine, kein Kleinwagen. Da wäre zumindest ein Slayer-Tamper angebracht, meinen Sie? Irrtum. Mitgeliefert wird exakt ein bodenloser Siebträger. Ende Gelände.Selbst das allerdings makellose Manual finden wir bloß digital vor. In einem Umfeld, wo eh nur noch absolute Überzeugungstäter und Bestverdiener mitspielen, die sich ihr Zubehör im Zweifel selbst aussuchen möchten, ein fraglos konsequenter, gleichwohl überdenkenswerter Schritt – zumindest im Haushaltssegment, für das die Single Group vornehmlich entwickelt wurde. Als deren größtes Distinktionsmerkmal zu ihren mehrgruppigen Schwestern entpuppt sich ein ausladender Touchscreen, über den sämtliche Einstellungen von der Brühtemperatur über den Pre-Brew- Timer bis hin zu Power Management, Reinigungsautomatik und einem üppig personalisierbaren Timer vorgenommen werden. Letzteren hat man indes auchbitter nötig, denn einen Netzschalter sucht man vergebens. Da bleibt nur das Ziehen des (nicht mitgelieferten) Steckers oder eben die Programmebene. Dass das Display sowie die zur Trägheit neigenden Tastenfelder im Normalfall ausgerechnet von den Tassen verdeckt werden, wirkt vor diesem Hintergrund gleich doppelt fehlkonzipiert.

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(1) Hier spielt die Musik: Linker Hand die Pre-Heat-Leitung, rechts darüber der blaue Regler des Nadelventils, das die Flussrate steuert. (2) Solide: Der Kesseldruck wird mittels eines externen Drucksensors aus der Heizungsbranche ausgelesen. (3) Vor dem ersten Shot wird die Getriebepumpe mittels Touchdiplay auf 10 Bar Höchstlast kalibriert. (4) Ein wahrer Handschmeichler: Die Slayer-Gruppe vereint feinstes Holz- Handwerk mit bester Temperaturstabilität. Die anfällige Mechanik ist Geschichte. (5) Informativ und intuitiv verständlich, aber leider etwas träge beim Swipen: Das Display mit integriertem Tastenfeld.

slayer 5

VON AUSSEN NACH INNEN
Doch kommen wir zum Wesentlichen, den Innereien. Idealerweise können wir den Schraubendreher diesmal links liegen lassen, denn um den Zugang zum Herzen des ganzen Slayer-Konzeptes – dem Präzisionsnadelventil zur manuellen Kalibrierung der Flowrate – so komfortabel wie möglich zu gestalten, lässt sich die massive Tassenablage einfach abheben. Sofort fällt einem das kleine   Drehrad in leuchtendem Blau auf, doch daneben gibt es weitere spannende Details zu entdecken: Die beiden separaten Boiler (üppige 3,3 Liter für Dampf und Heißwasser, immerhin 1,1 Liter für den Kaffee) sind selbstredend aus Edelstahl, wobei im Unterschied zu den größeren Slayers in diesem Falle kein weiterer Boiler, sondern aus Platzgründen eine außen um den Dampfkessel gewundene, 60ml fassende Kupferleitung das Brüh-wasser vorwärmt. Das heißt im Umkehrschluss: Diese Macchina ohne zugeschalteten Servicekessel zu betreiben, ist im Hinblick auf die ansonsten über alle Zweifel erhabenen Temperaturstabilität keine allzu gute Idee. Nicht tragisch, muss man aber wissen. Ein kleines rundes Bauteil hinter dem Dampfkessel wiederum entpuppt sich als professioneller Drucksensor aus der Heizungstechnik. Clever, denn so umgehen die Amerikaner das Problem, dass Temperatursensoren je nach Platzierung im Boiler unterschiedliche Werte messen würden.Und auch am Heizelement, mit bissigen 2.000 Watt alles andere als unterdimensioniert, erkennen wir die Handschrift konsequenter Weiterentwicklung, das Streben nach dem Nonplusultra: Eine spezielle Silberlegierung verhindert hier selbst beim Betrieb ohne Wasser ein sonst unvermeidliches Durchbrennen. Insgesamt haben wir selten ein derart aufgeräumtes Innenleben gesehen. Hier ist keine Schraube zu viel verbaut, sämtliche Kabel sind nachvollziehbar mittels Steckverbindungen verlegt. Fast luftig wirkt die Slayer trotz all ihrer Features. Eine vorbildliche thermische Trennung schützt die von hinten leicht zugängliche Elektronik vor der Hitze des Gefechts. In punkto Druckerzeugung setzt Entwickler Jason Prefontaine auf eine qua Software kalibrierbare Getriebepumpe – primär aus Platzgründen, versteht sich. Was soll der Geiz.

AUF HERZ UND NIEREN
Wer ernten möchte, der muss säen. Indiesem Falle heißt das: Es ist ein bisschenVorarbeit vonnöten, die aber dank der minutiösen englischen Installationsanleitung leicht von der Hand geht. Nachdem das Gerät verkabelt und der Pumpendruck kalibriert ist, schalten wir beide Heizungen scharf. Bei privater Nutzung macht es hier Sinn, die Priorität auf die Brühkessel-Temperatur zu legen; nach ca. 15 Minuten ist er auf Temperatur, benötigt aber noch einige Zeit mehr, um sich vollständig einzuschwingen. Der Dampfkessel ist wenige Minuten später am Start. Nächste Aufgabe: Justage der Pre-Brew- Flowrate. Mittels einer geeigneten Feinwaage (z.B. Brewista Smartscale) ist auch dies rasch erledigt. Wichtig: Darauf achten, zuvor eine gute Menge Wasser durch die Gruppe laufen zu lassen, damit es hier keine Aussetzer durch Luft im System gibt! Wir entscheiden uns, abweichend von der doch ziemlich sportlichen Werkseinstellung, für eine Rate von 60 statt40ml pro 30 Sekunden. Um dem sonst in dieser Rubrik üblichen Prozedere Rechnung zu tragen (und also nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen), beziehen wir zunächst 16g sardische ‚Gran Miscela’ bei straighten 9 Bar und 93,5°C durch ein handelsübliches Doppelsieb. Schon mit diesem für Slayer-Homies komplett gegen den Strich gebürsteten Vorgehen findet sich ein Niveau in der Tasse, das definitiv neugierig macht auf das, was gleich kommen könnte. Unser zweiter Schuss mit 20g im mitgelieferten18g-Sieb (ridgeless) ist bereits gesegnet mit einer wundervoll getigerten Bilderbuch-Crema und fließt wie Öl aus dem Bodenlosen. Und dann, bei Nutzung des Pre-Brew-Szenarios, geht die Sonne so richtig auf: Wir schieben das satt gleitende Paddle für 25 Sekunden – also bis zum Moment der Sättigung – in die Mittelstellung. Just bevor die ersten Tropfen in der Mitte zusammenlaufen, gehen wir für eine weitere halbe Minute in die Vollen. Nie zuvor hatte die 70/30-Mischung eine derart runde, wattige Tiefe, einen solch mit dem Zirkel vermessenen, dabei aber kurioserweise absolut feinsinnigen Punch. Wow! Da sage noch einer, man könne mit diesem Baby nicht dunklere Blends direkt in die Geschmacks- Überholspur katapultieren. Mehr Viskosität war nie, mehr Smoothness auch nicht.

FÜR & WIDER
Slayer Single Group
– einzigartige Geschmackstiefe
– absolut temperaturstabil
– voll-customisierbar
– makellose Verarbeitung
– unkaputtbare Komponenten (z.B. Heizelement)
– einzigartiger, radikaler Look
– perfektes Benutzerhandbuch

– nicht völlig durchdachtes, träges Touchdisplay
– kein Netzschalter
– recht laute Magnetkreiselpumpe
– kaum mitgeliefertes Zubehör
– extrem hoher Anschaffungspreis