Kopi Luwak und andere

Kaffee geht durch den Magen. Die Menschheit ist immer auf der Suche nach neuen verrück­ten Raritäten. Beim Kaffee ist das der Kopi Luwak. Wobei sein Erfolg aufgrund der Herkunft doch sehr verwundert.

Immer wieder gerät er in das Vi­sier der Presse und der Öffentlichkeit: Ani­mal Coffee – Kaffee, der von Tieren „g­e­­­erntet“ oder selektiert wird. Meist eher als Marketing-Gag inszeniert und zwi­schen absurd, skurril und ekelerregend angesiedelt, befindet sich die Mark­t­­­­n­i­sche dieser Kaffees. Zu Unrecht – denn der Verzehr von Kaf­feekirschen durch verschiedene Tier­ar­ten ist genauso gewöhnlich wie der tierische Verzehr von Weintrauben oder an­de­ren landwirtschaftlichen Er­zeugnis­sen in unseren Regionen. Große An­bau­flä­­chen stellen auch für Tiere reich ge­deck­te Gabentische dar, die gerne an­ge­nom­­men werden. Und je nach der beste­hen­­den alternativen Versor­gungs­si­tua­tion entscheiden sich die Tiere für oder ge­­gen den „Besuch“ einer Kaf­fee­plan­ta­ge. Verständlich also, dass die Kaf­fee­kir­schen-konsumierenden Tiere auch als „Kaf­feeschädlinge“ gelten.

Kopi Luwak

Der bekannteste Vertreter der tierischen Kaf­­fees ist zweifelsohne der Kopi Luwak – und fast jeder kennt ihn – zumindest na­­­mentlich. Ein exklusiver, kurioser Kaf­fee aus Indonesien mit bizzarer Ge­schich­­te. Der Geschichte der Schleich­kat­­ze (mit drei Unterarten: Zibetkatze, Pal­­­men­roller und Bänderroller), sie wird häu­­­­fig falsch beschrieben und verwechselt. Ebenso bestehen hartnäckig viele fal­s­che und naturwissenschaftlich nicht halt­­bare Annahmen über den mit der Schleich­­katze in Zusammenhang ste­hen­­­den Kaffee – den Kopi Luwak.

Der Fleckenmusang (Paradoxurus he­r­­­ma­phro­ditus) zählt zur Unterfamilie der Pal­menroller. Der Allesfresser er­nährt sich von Früchten, Insekten, Wür­mern und Vogeleiern. Eine reine Er­näh­rung aus Kaf­­feekirschen stellt keine ge­eig­nete Nah­­rung für einen Allesfresser dar. Den­noch stammt der größte Teil des rea­len Ko­pi Lu­wak von Tieren aus Ge­fan­ge­n­­schaft (zahl­rei­­­che Filme hierüber füllen in­­zwischen die Arsenale von Vi­deo­por­­ta­len).

Diese Kä­fig­­haltung gleicht der in­­zwi­schen in Deutsch­land verbotenen Kä­­fig­hal­tung bei Hüh­­nern. Dieser auch als „Stopf“-Luwak be­­zeichnete Kaffee hat nichts mit dem Kaf­­fee des wild lebenden Fle­­­­ckenmusangs zu tun. Der daraus re­sul­­­tierende nicht ty­pi­sche Geschmack ist die eine, Tier­quä­le­rei die andere Seite der Medaille. Wie aber kommt es zu dem be­­­sonderen Geschmack des Kopi Luwak? Al­­les nur Einbildung oder steckt tatsächlich mehr dahinter als ei­ne ab­surde Idee von Geschäftemachern? Ent­­ge­gen weit­läu­­figer Meinungen, steckt die Be­­son­derheit des Kopi Luwak nicht in ei­­ner „intra-animalen“ Fermentation – es han­­­delt sich also nicht um eine Bil­dung von besonderen Aromen durch die Ver­dau­­­ungsenzyme der Tiere. Sonst müss­te der Kaffee von gefangenen Tie­ren das glei­­che Ge­schmacks­profil wie der von frei­ le­benden Tie­ren aufweisen. Dies ist jedoch nach­­weis­lich nicht der Fall.

Was macht tierische Kaffees besonders?

Es handelt sich bei allen tierischen Kaf­­­fees um eine besondere Selektion, da Tie­­­re nicht alleine nach der Optik der Kaf­fee­­­kirschen gehen, sondern auch den Ge­­ruch der Kirsche als wesentliches Kri­te­­rium für die Auswahl zugrunde legen. Das besondere Geschmacksprofil der Kaf­­fees entsteht also nicht durch die vielfach auf­geführten fermentativen Pro­zes­se in den Verdauungsorganen der Tiere, son­­dern durch die besonders selektive Aus­­wahl der Kaffeekirschen – bei denen es sich also ausschließlich um idealreife Ka­f­fee­kir­schen handelt. Die Tiere ent­schei­­den sich weder für unterreife noch für teil­weise schon überreife, angegorene Früch­te.

Neben dem Fleckenmusang ernährt sich auch die in Afrika und in Vorderasien hei­­­mi­sche Zibetkatze (Civettictis civetta) bei Nah­rungsknappheit und ent­spre­chen­­dem An­gebot von Kaffeekirschen. So­­mit ist es al­so durchaus möglich, Zi­bet­kat­zenkaffee aus Indien oder aus Äthi­o­pien zu finden. Ko­pi Luwak stammt al­so vom Fle­cken­mu­sang, Zibetkaffee von der Zi­­bet­katze – und beide gehören zur Fa­mi­­­lie der Schleich­kat­zen (Viver­ri­dae) – sind also nahe Ver­wand­te. Den­noch sollte und muss der Kaffee un­ter­­schie­­­den wer­­den, da es sich um ver­schie­­dene Re­gio­nen mit unterschiedli­chen Kaf­fee­arten und -varietäten handelt.

Nicht nur Katzenkaffee

Neben dem Zibetkaffee und dem Ko­­pi Luwak existiert auch der Kopi Mun­cak (Ko­­pi Muntjak), der Kaffee, der vom In­­di­schen Rothirsch (dem „barking deer“) (Mu­n­­tiacus muntjak) aufgenommen und spä­­ter wieder ausgeschieden wird. Das Ver­­breitungsgebiet des Indischen Rot­­h­­ir­sches erstreckt sich über Indien und das ge­­samte südostasiatische Ge­biet. In­teres­sant in diesem Zu­sam­men­hang ist die deut­­lich geringere Be­kannt­heit und Ge­sam­t­produktion dieses Kaf­­fees. Den Ind­i­schen Rothirsch ver­bin­­­det übrigens mit dem Menschen ein Gen­­defekt, der zur Un­­fähigkeit der endo­genen Erzeugung von Ascor­bin­säure (Vitamin C) führt.

Vor wenigen Jahren betraten dann  wei­te­­re „Protagonisten“ die Bühne der tie­­­ri­schen Kaffee-Experten: der bra­si­lia­ni­­­­sche Ja­cu – das Schakuhuhn- und seine bei­­­­den häu­­figsten brasilianischen Ver­tre­­­­ter in den Kaffeegebieten von Minas Ge­­­­rais, der Weiß­stirnguan (Penelope su­per­­­cilia­ris) und der Bronzeguan (Pe­ne­lo­pe obs­cu­ra), die für einen besonderen Kaf­­­­fee sor­gen. An­ders als beim Kopi Luwak oder Ko­pi Mun­cak, bei denen es sich meist um Mi­schun­gen verschiedener Kaf­­­­fee­ar­ten (Cof­­­fea Arabica, Coffea Cane­­­­phora, Cof­fea Li­be­rica und Coffea Ex­­­­cel­sea) handelt, stammt der Kaffee vom Jacu aus­schließ­lich von Arabicapflan­­­­zen. Der Vo­gel be­vor­zugt hierbei meist noch die gelb- oder rot­kirschigen Ca­­­t­uai-Varie­tä­ten. Also ein rei­ner Ara­bi­cakaffee – wie in der meist so ideen­rei­chen Kaf­fee­wer­bung.

Elefantenkaffee

Nahezu ohne Export oder in­ter­na­tio­nale Wahr­nehmung ist auch der „Ele­fan­­ten­kaffee“, der nicht mit den „Ele­fan­ten­­boh­nen“ verwechselt werden darf. Bei den Letzteren handelt es sich um be­son­ders großkalibrige Kaf­fee­boh­nen, die man da­her auch als „Elephants“ oder in der eng­lischen Klassifizierung als „Size E“ be­zeich­nete. Der Elefantenkaffee – der im Gegensatz zum Jacu-Kaffee ausschließlich von der Cof­fea Canephora stammt – wird von In­di­schen Elefanten (Elephas maximus) meist erst am Ende der Trockenzeit (also in der Zeit zwischen Ende Januar und Feb­ruar) aufgenommen.

Davor leben die wild­ lebenden Elefanten in weitläufigen Ur­waldbereichen mit ausreichend Nah­rung. Erst mit der einsetzenden Ver­knap­­pung verlassen zumeist die jungen Ele­­fantenbullen die schützenden Wäl­der, um sich auf der Suche nach Nah­rung in die Plantagengebiete Südindiens zu begeben. Meist halten sie sich dabei in der Nähe von Flüssen und in Tal­sen­ken auf. Die Tatsache, dass zu dieser Zeit die Arabicaernte bereits abgeschlossen ist, ist der einfache und leicht nachvollziehbare Grund für die vermeintliche „Bevorzugung“ von Canephora-Kaffee.

Häufig wird dieser Zu­sam­men­hang fälschlich mit den gebündelt sit­zen­­­den Kaffeekirschen der Canephora und der daraus vermeintlich resultierenden besseren „Greifbarkeit“ mit dem Ele­­­fantenrüssel begründet. Wer einmal ei­­­nen Elefantenrüssel und dessen enorme und zugleich präzise Beweglichkeit ge­­­sehen hat, kann über solche Thesen nur müde lächeln. Ebenso wird ein be­s­se­­rer Geschmack diskutiert. Beide The­sen haben nichts mit der einfachen Rea­li­­tät zu tun, die darin besteht, dass die Ele­­­fanten nur in Notzeiten die sicheren Wä­l­­der verlassen und sich auf den Weg in die Plantagen machen. Auch der zur glei­­­chen Zeit hergestellte Likör aus Jack­frucht, der in großen Kesseln eingekocht wird, lockt die jungen Elefanten an die mensch­­lichen Siedlungen heran. Nach Ge­­­nuss dieses Likörs „strapazieren“ die Jung­­­bullen allerdings häufig etwas die Gast­­­freundschaft der Plantagenbesitzer, wenn sie in den Vorgärten der Farm­häu­ser ihren Rausch ausschlafen und dabei für erhebliche Verwüstungen sorgen.

Tiere und Kaffee – keine Seltenheit

Neben Schleichkatzen, Hirschen, Vögeln und Elefanten, zählen auch Ziegen, Af­fen, Fledermäuse und der Silberfuchs zu den Kaffeegenießern. Die nordafrikanischen Ziegen (Capra nu­­biana) – die aus der Geschichte um Kal­di den Ziegen­hir­ten bekannt sind – sind fast voll­ständig aus dem Blickfeld der Kaf­fee­ge­meinde verschwunden. Den­­­­­noch vertilgen Ziegen bis heute in den Berg­ge­bie­ten Äthi­o­piens große Men­­­­gen an Kaf­fee­kirschen und scheiden die Kaf­­fee­­boh­nen wie­der aus. Es ist si­cher­lich nur eine Fra­ge der Zeit, bis er­neut die Idee entsteht, die­sen Kaffee auf­zu­­be­rei­ten und daraus den ech­ten Zie­gen­kaffee oder „Kal­dik­af­fee“ zu ma­­chen.

Die Produktionsmengen des Kaffees des Sil­berfuchses (Vul­pes vulpes var. argentata) in Lateinamerika sind sehr ge­ring und auch mir bot sich bislang noch kei­ne Gelegenheit, die­sen Kaffee zu verkosten. Aber – ich habe bereits ein Ge­biet mit vielen Silberfüchsen ausgemacht und es wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es mir möglich sein wird, auch diesen Kaffee zu verkosten. Al­lerdings sind solche Ge­biete wie bei Pilz­suchern – leider geheim.

Unverdaute tierische Kaffees

Der Affenkaffee oder „Monkey Chew“ des Rhesu­s­af­fen (Macaca mulatta) entspringt im Gegensatz zu den an­de­ren Tier­­­kaffees nicht dem Durchlauf durch den gesamten Ver­da­u­ungs­trakt, son­dern wird von den Affen lediglich in den Mund­ta­schen gelagert, nachdem das Frucht­fleisch von den Kaf­fee­kir­­schen ab­ge­nagt wurde. In einem ge­eig­ne­ten Mo­ment spuckt der Affe die Boh­nen aus, um neue Kaf­fee­kirschen ein­zusam­­meln und dann gemütlich abzu­na­gen. Hier handelt es sich zu­meist um Ara­bicakaffees, da die Af­fen auch ohne gro­ße Nah­rungs­­knap­pheit die Plantagen auf­su­chen – al­so in einer Zeit, in der der Ca­nephora-Kaf­fee noch nicht reif ist und sich noch nicht allzu viele Pflücker in den Plan­ta­gen aufhalten. Die Plan­ta­gen bie­ten den Af­fen dabei Sicherheit vor Raub­katzen, die sich nicht so nahe an mensch­liche Sied­lungen heranwagen. So hat jedes Tier unterschiedliche ­Grün­de, zu den Kaf­fee­plan­ta­gen auf­zu­bre­chen.

Ein letztes Kuriosum ist der karibische „Bat Crop“- Kaf­fee, der von kleinsten tro­pi­­schen Fledermäusen angebissen wird. Die­se Fledermäuse ernähren sich fast aus­schließlich von Früchten und haben ei­nen ausgeprägt hohen Zucker­ko­n­sum. Die Zahnspuren dieser Kleinst­fle­der­mäu­se dienten früher den Pflückern als Hin­weis auf ideal reife Kir­schen, die un­­mit­telbar nach Sonnenaufgang geerntet wur­den und nur als erlesenster Kaffee für Gäste der Plan­ta­gen­besitzer ausgeschenkt wurde. Heute ist es nicht möglich diesen Kaffee käuf­lich zu erwerben – doch wer weiß, auch hier könnte die gro­­ße Mode rund um den Kaffee neue Blü­ten treiben. Bat­man würde sich si­cher darüber freuen.

Text: Dr. Steffen Schwarz / coffee-consulate.com