MARO Coffee

Gut möglich, dass diese Maschine uns alle bald alt aussehen lässt. Die Erfinder aus Suhl, beide 22, tun das auf jeden Fall jetzt schon. Ein Hausbesuch in Steve Jobs Garage 2023.

Es ist ein trüber Herbsttag im Oktober 2023. Der Nebel hängt tief. Es ist kalt. Unser Zug kommt zu spät. Und wir verpassen den Bus, der uns weiterfahren sollte und der nur einmal in der Stunde kommt. Alles kein Problem. Denn ein besonderer Tag liegt vor uns. Max Grimm, einer der beiden Gründer von MARO Coffee, holt uns wenig später persönlich vom Bahnhof in Suhl ab. Wir fahren zum Hauptquartier, besser: zum ‚Headquarter‘ von MARO Coffee. Wir sind aufgeregt. Schließlich besuchen wir nicht jeden Tag ein Siebträgermaschinen-Start-Up. Schon gar nicht aus Deutschland. ‚Taste The Future’ heißt der Slogan von MARO Coffee. Sehen wir heute die Zukunft des Siebträgers? Nach 15 Minuten Autofahrt biegen wir in ein Gewerbegebiet ab. Vor uns steht eine große Industriehalle. Das muss es sein. Ein Schriftzug macht uns stutzig. Profectus. Neben der großen Halle steht ein kleiner, schwarz-lackierter Schiffscontainer mit eingebautem Fenster. Der gut gelaunte Max steuert lachend auf ihn zu und sagt: „Willkommen bei MARO Coffee!“. 

Keine Minute später stehen wir mitten im „Headquarter“ von MARO Coffee, einem rund 15 Quadratmeter kleinen Raum. Der zweite Gründer, Robin Kuprat, kommt dazu und begrüßt uns. Wir schauen uns um. Alles hat seinen Anfang. Wir lachen. Start-Up-Stimmung macht sich breit. Rechts und links liegen Einzelteile in Regalen, die wahrscheinlich extra für uns einsortiert wurden. Fünf Schritte später steht sie da. Das Model 1. Das erste Produkt von MARO Coffee. Lance Hedrick, die Kaffeemacher & Co. haben längst ein neugieriges Auge auf sie und die 22-jährigen Gründer geworfen. Für ausgiebige Produkttests ist es noch zu früh. Bis zur ersten Auslieferung, die für März 2024 geplant sind, steht das Model 1 in vollem Funktionsumfang zur Verfügung. Der offizielle Verkaufspreis liegt bei 4.500 Euro.

Unseren Besuch planen wir für zwei Stunden. Es werden sechs. Denn wir erleben Max und Robin, die sich seit Kindesalter kennen, in ihrer wahrscheinlich aufregendsten Phase: der Gründerphase. Unser Gespräch braucht keine zwei Minuten und wir sind mitten im rabbit hole. Wie müssen Verteilerplatten für Brühgruppen zur Vermeidung von (Side)-Channeling optimal konzipiert sein? Es geht um gleichmäßige Wasserverteilung, Lageunabhängigkeit, Kräfteverteilung, usw. „Eine Wissenschaft für sich“, sagt Max, der sich vorwiegend um die Hardware kümmert. Mr. Hardware, wenn man so will. Glücklicherweise steht die Fräse bei Profectus GmbH Electronic Solutions, einem Entwickler hochwertiger elektronischer Leiterplatten und Partner von MARO Coffee, nebenan bereit. Dank der Kooperation können Max und Robin hier experimentieren und produzieren.

Bevor wir uns in Details verlieren, erklären wir euch am besten mit den eigenen Worten der Gründer, was das Model 1 überhaupt ist. Bühne frei:

Für Techniker

Max: „Wir haben ein Gerät entwickelt, das die ingenieurstechnischen Herausforderungen der Marktsituation auf eine komplett andere Art und Weise, mit einem neuen thermodynamischen System zu lösen vermag. Nicht indem wir auf Warm-Wasser-Speicher setzen, sondern auf eine Warm-Wasser-Erzeugung beim Durchlaufen. Wir haben das Verhältnis der thermischen Massen umgedreht, weil wir nicht in einem Boiler viel Masse halten oder in der Brühgruppe etwas zum Abgeben haben, sondern im Durchlauferhitzer nur sehr wenig thermische Masse on demand erhitzen und die Brühgruppe zum Nivellieren agiert. Das Ganze haben wir zu einem digitalen System verbunden, um alle relevanten Parameter der Zubereitung bedarfsgerecht einstellen zu können.“

Robin: „Wir haben ein agiles System im Gegensatz zu den trägen Systemen der Boilermaschinen geschaffen. Das agile System bedarf mehr Regelung, aber ist dafür in der Lage mehr zu schaffen und mit weniger Energie.“

Für Kaffee-Einsteiger

Max: „Der Einstieg in das Hobby der Espressozubereitung mit Siebträgermaschinen im Heimbereich birgt ein hohes Potenzial für Frustration. Man muss viel lesen, Videos schauen und sich mit der Thematik auseinandersetzen. Und genau das macht am Anfang nicht so viel Spaß, wenn man viel Geld investiert hat und (gerne) ein tolles Ergebnis in der Tasse hätte, aber genau das nicht kommt. Um das Problem zu lösen, haben wir auf unserer digitalen Bedienoberfläche eine Live-Interaktivanleitung hinterlegt, damit du ohne Stress und externe Medien auf unsere Art und Weise herangeführt wirst und die Maschine mit deinen Kenntnissen mitwachsen kann.“

Robin: „Siebträgermaschinen müssen nicht kompliziert sein.“

Für Kaffee-Nerds

Max: „Schau dir den Markt aktuell an. Jede Kaffeemaschine hat ihre kleinen, coolen USPs, gerade im hohen Preisbereich. Es gibt zum Beispiel eine Slayer für zehn, zwölftausend Euro, bei der du mit einem Nadelventil den Durchfluss steuern kannst, den du manuell ablesen und immer wieder manuell reproduzieren musst. Es gibt Dualboiler-Systeme, die mega viel Dampfleistung zur Verfügung stellen und du relativ viel konsistent brühen kannst. Manchmal kannst du auch da schon kleine Sachen einstellen, wie den Druck oder den Durchfluss. Stell dir vor, du nimmst all die Systeme, die du cool findest und packst sie vom Funktionsumfang her in einem Gerät zusammen und hast dabei noch den Vorteil, dass du weniger Aufheizzeit hast, mehr Temperaturstabilität und mehr Reproduzierbarkeit bei weniger Energieverbrauch. Das ist Model 1.“

Robin: „Da muss ich gar nichts anschließen.“

Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. Hier kommt unser erster Eindruck: Unter Haube setzt das Model 1 u.a. auf einen Dickfilmheizer, vier Temperatursensoren und einer sehr leisen, regulierbaren Rotationspumpe. Die Leistung der Rotationspumpe übersetzt sich an einen Durchfluss und einen Druck, abhängig vom Widerstand, den der Kaffee entgegensetzt. Dahinter steht ein smarter Algorithmus. Das verbaute Material im Model 1 ist eine 25 Kilogramm schwere Liebeserklärung. Ein Festhalten der Maschine beim Einspannen des Siebträgers ist nicht notwendig. Das Gehäuse setzt auf eine Technologie namens Himacs®. Der Acrylstein, der sich wie Keramik anfühlt, wird üblicherweise im Luxus Küchen- und Badbau eingesetzt. Die individuell beheizbare Tassenablage wird aus einem Stück Aluminium gefertigt und kratzt nicht. Das vollintegrierte 7“ Touch Display besteht aus Glas und rundet das Zusammenspiel aller Materialien wunderbar ab. Spaltmaße? Fehlanzeige. Wir sind begeistert.

Die Software lässt sich intuitiv bedienen. Wir erstellen individuelle Profile, probieren Rezepte und lassen uns von der Software Vorschläge zur Verbesserung des Espressoshots anzeigen. Wir diskutieren: soll der Shot in Gramm oder Milliliter angezeigt werden? Fragen, wie diese, müssen noch beantwortet werden. Dank der Möglichkeit, Updates und Upgrades over-the-air einzuspielen, lässt der softwarebasierten Funktionserweiterung in Zukunft viel Spielraum. Aber ein Schritt nach dem anderen. Denn bis zum Verkaufsstart bleibt für Robin, der IT-Zentrale von MARO Coffee aka Mr. Software, noch reichlich zu tun. Drei Modi sollen im März 2024 zur Verfügung stehen. Ein ‚Explorer Mode` für Beginner mit Live-Anleitung. Ein ‚Expert Mode` für Fortgeschrittene mit Vorliebe für Espressophysik (u.a. mit Einstellung von Pre-Infusion, Brühdruck, Temperatur, usw.). Und ein ‚Freak-Modus‘, der im ersten Quartal 2024 vorgestellt wird.

Uns  erscheint das Model 1 auf den ersten Blick wie eine Kreuzung aus einem Tesla und einem iPhone. Wir sind tief von den Gründern Max und Robin beeindruckt. Nicht, weil sie erst 22 Jahre jung sind. Ja, sie sind jung. Das wissen sie selbst. Aber was sie von null an und ohne unternehmerische Erfahrung konzipiert, entwickelt, in- und extern abgestimmt und umgesetzt haben, verdient große Anerkennung. Was vor drei Jahren bei Max als Espresso-Frust gegenüber Siebträgermaschinen anfing, wurde aufgrund der Gründer-Vorliebe für Technik & Software erst zur technischen Spielwiese und schließlich zu einem verkaufsfertigen Produkt. Jetzt stehen Max und Robin vor dem, was Elon Musk einmal als Produktionshölle bezeichnet hat. Bis zu vier Stunden Fertigungszeit braucht es aktuell für genau eine Maschine. Das wird in Zukunft schneller gehen müssen. Nach der Produktionshölle, so Elon Musk, kommt die Auslieferungshölle. Auch daran wird bei MARO Coffee im Rekordtempo gearbeitet, ein Händlernetzwerk aufgebaut. Wir lassen die Gründer besser weiterarbeiten und kommen gerne wieder. Herzlichen Glückwunsch, Max und Robin. Ihr rockt!