Mokka – Das wohl größte Miss­ver­ständ­nis der Kaffeewelt

Was hat der heute gerade in Coffee-Shops so beliebte Mochacchino ei­gent­lich mit der Stadt Al-Muchá zu tun? Und ist Mokka eine Zu­be­rei­tungsart oder eine besondere Boh­ne? Unser Kaf­­fee-Experte Dr. Steffen Schwarz klärt auf.

Text: Dr. Steffen Schwarz

Kaum ein Begriff zugleich so be­kannt und doch so mehrsinnig und miss­verständlich wie der Begriff Mokka. Dies zeigt sich auch an den diversen Schreib­­weisen, die von Mokka, Moka, Mocca, Moca, Mocha bis Mucha reichen. Mok­ka bezeichnet zugleich eine Stadt, eine Varietät, eine Zubereitungsform, ei­ne Kaffeemischung, einen Geschmack, ei­­ne Bohnenform und ein Getränk.

Mokka – Die Stadt

Zunächst stammt der Begriff Mokka von der Hafenstadt im Südwesten des Je­men, die vermutlich aus der antiken Ha­fen­­stadt Muza hervorgegangen ist. In­zwi­­schen ist die einst blühende Stadt am Ro­ten Meer fast in der Be­deu­tungs­lo­sig­keit ver­­sunken. Al-Muchá oder al-Muhá, wie die heute knapp 15.000 Ein­woh­ner zäh­­len­de Stadt im Ara­bi­schen genannt wird, war einst der wichtigste Aus­fuhr­ha­­fen des Jemen für Kaffee, der eben nach die­ser Hafenstadt Mokka ge­nannt wur­de. Die Stadt, die sich gerade einmal auf 12 Me­­ter über dem Meeres­spie­gel be­findet, bot verschiedensten christli­chen, jüdischen und arabischen Händ­lern Quar­tie­re und beste Handels­mög­lich­keiten. Ihr Ab­stieg be­gann 1820 mit der Be­set­zung durch britische Marine­sol­daten und der spä­­teren Ver­­le­gung des Ma­­rine­stütz­punk­­tes im Jah­re 1839 nach Aden wegen dem damit einhergehenden Ha­fen­aus­bau.

Die alten Handelshäuser der Stadt wurden inzwischen dem Verfall preisgegeben und versinken langsam im Sand der angrenzenden Tihama-Wüste. Lange wurde die gesamte Welt­pro­duk­tion des Kaffees, der zumeist wild in Äthi­­o­pien wuchs und später im Jemen auch auf Pflanzungen angebaut wurde, aus­­schließlich über Mokka ausgeführt. Um anderen Ländern keine Möglichkeit des Kaffeeanbaus zu bieten, wurden die Kaf­­feebohnen im Jemen vor dem Export mit heißem Wasser übergossen, um deren Keimfähigkeit zu unterbinden. So be­­handelt verließ der Kaffee die je­meniti­sche Hafenstadt Mokka in alle Welt und mach­te den Begriff Mokka zum Syno­nym für kräftigen Kaffee mit fruch­tigen Ka­kao­noten.

Mokka – Die Varietät

In ganz Äthiopien wächst Mokka-Kaffee, daher wird Kaffee aus Äthiopien auch im­­mer als „äthiopischer Mokka“ be­zeich­net. Es können dabei verschiedene An­bau­gebiete und gleichlautende Varie­tä­ten u­n­terschieden werden. Es ist bo­tanisch umstritten, ob es sich beim Mok­ka um eine Art („Coffea Mokka“) oder eine Varie­tät („Coffea Arabica var. mok­ka“, [aus der Tipica-Linie]) handelt. Die Mehr­zahl der Autoren zählt gegen­wär­tig den Mok­ka zu einer der Ara­bi­ca­varie­täten, wo­bei es eindeutige Hinweise auf die be­rech­tigte Be­­­trach­­tung als ei­gen­stän­dige Art gibt. Die größten An­bau­ge­biete stellen Sidamo, Limu, Gim­ba/Gimma, Lekemp­ti, Yirgacheffe, Bon­ga und Harar dar. Dabei kann zwischen zwei bo­tanisch eigen­ständigen Gruppen un­ter­schieden wer­den – eine nord­west­li­­che und eine süd­öst­li­che, die sich geo­graphisch durch den „gro­ßen Gra­­benbruch“ getrennt ent­wickel­­ten und ihre Eigenständigkeit oh­ne genetische Durchmischung erhalten ha­ben. Die Qualitäten der äthiopischen Mok­kas wer­­den nach der Auf­be­rei­tung (trockene oder nasse Aufbereitung) und nach der re­­gionalen Herkunft be­zeich­net.

Mokka – Der äthiopische Wildkaffee

In den letz­­ten Jahren machte ins­besondere der äthi­opische Wildkaffee von sich reden. Die äthiopischen Mok­ka-Kaffees zeichnen sich durch einen aus­geprägten Kör­per, kräftige Ka­kao­no­ten und balancierte Frucht­­töne (Cassis, Brombeere, Josta­beere, Schwarzkirsche etc.) aus und be­sitz­en je nach Terroir auch florale, jas­min­­ähnliche Aromen. In Äthiopien wird Mokka immer im Rah­men der äthiopischen Kaffee­zere­mo­nie ge­­reicht. Dabei wird der Kaffee zu­nächst auf einer Metallpfanne über glü­hen­­den Kohlen frisch geröstet, in einem Holz­­mörser zerstoßen und später in ei­ner Tonkanne (Jebanna) gesiedet. Zum Kaf­­fee wird traditionell Popcorn oder ge­rös­­tetes Getreide (Kolo) gereicht, das eben­falls frisch über der Glut auf der Kaf­­fee­pfanne zubereitet wird.

Der Kaf­fee wird aus kleinen Tassen ohne Hen­kel ge­trun­ken (inzwischen stammen die meisten dieser Tassen aus Chi­na) und in vielen Regionen Äthiopiens (Sidamo, Yirga­cheffe, Golocha etc.) mit frischen wilden Kräu­tern versetzt. Die äthiopischen Kaffees wurden noch bis vor Kurzem zentral über die staatliche Cof­­­fee-Authority in Addis Abeba gehandelt und dort zunächst für den Export auf­be­rei­­tet, klassifiziert, qualitativ be­wer­tet und versteigert. Eine Aus­nah­me stell­ten die Harar-Mokkas dar, die über die im Nord­­osten gelegene Oromo-Haupt­stadt Di­re Dawa (Dirre Dhawaa), der zweit­größ­­ten Stadt Äthiopiens, und nicht über Addis Abeba gehandelt wurden und meist für den arabischen Markt be­stimmt wa­ren.

Mokka – Die Zubereitung

Neben der Varietät bezeichnet der Mokka auch eine Zubereitungsform. Beim Türkischen Mokka handelt es sich um eines der ältesten Zu­be­reitungs­ver­fahren, das zur Gruppe der Aus­lau­gungs­v­er­fah­ren gezählt wird. Der mehl- oder staubfein gemahlene Kaffee wird hier­bei in ei­ner offenen Stielkanne (der Cezve, Ibrik oder Briki) mit Wasser auf­ge­­gossen und auf­­gekocht. In den meisten Ländern des öst­­lichen Mit­tel­meer­rau­mes wird der Kaf­fee hierbei mit reich­­lich Zucker vermischt. Diese Kaf­fees werden im Wei­te­ren häufig mit Kar­da­­­mom, Nelken, Zimt, Pi­ment oder an­de­­ren Gewürzen versetzt. Teilweise wird in ara­bi­­s­chen Ländern dem so zubereiteten Kaffee auch Rosen­was­ser zugege­ben. In der türkischen Stadt Bursa werden bis heute die elegantesten Cezves aus Kup­fer hergestellt, die auch aufgrund ihrer be­sonderen galvanischen Eigenschaften ei­­nen einzigartigen Geschmack erzeugen.

In Nordafrika sind vielfach auch Stiel­­kannen aus Messing gebräuchlich und verbreitet. Der Griechische Mokka ist aus dem Tür­kischen Mokka hervorgegangen und unterscheidet sich meist nur im skalierbaren Zuckeranteil (glycos, metrios oder sketos), wobei bereits „met­rios“ also „halbsüß“ eine Zucker­kon­zen­tra­tion aufweist, die einen ungeübten Zentral­europäer leicht überfordern kann. In einigen Cafés wird der Briki in ei­nem be­heizten Sandbad er­hitzt, um die Hit­ze mög­lichst gleichmäßig dem Kaffee zu­zu­führen. Nur noch we­nige Cafés in den gro­­ßen griechischen Metropolen bereiten allerdings den Mok­ka auf traditionelle Weise zu. Ins­tantkaffee hat die traditionelle Zu­be­rei­tung vielerorts verdrängt und wird nun durch moderne Coffee-Shops langsam wie­der auf­ge­wer­tet.

Mokka – Die Designlegende

Die 1933 entwickelte italienische „Moka Express“- Kanne aus Aluminium von Alfonso Bialetti (1888 – 1970) ist bis heu­te eine Legende. Nach Angaben des Un­ternehmens wurden seit 1950 weltweit über 300 Millionen Stück dieser acht­eckigen Kanne verkauft. Die Kanne wird in verschiedenen Größen je nach Vo­lu­men als 1-Tassen-Kanne, 2er-, 3er-, 6er-, 9er-, 12er- und 18er-Kanne angeboten. Die gebräuchlichsten Größen sind 3, 6 und 9 Tassen. Das Verfahren wird zu den Pressionsverfahren gezählt und arbeitet mit dem durch Erhitzung ent­stehenden Dampfdruck. Nachteilig ist dabei die zu hohe Brühtemperatur, die keine kontrollierte Extraktion ohne ein Verbrennen des Kaffees zulässt und dadurch immer ein herbes bis bitteres Geschmacksprofil entwickelt. Die Kan­nen sind aufgrund des eingesetzten Materials (Aluminium) immer wieder we­gen möglicher Gesundheits­beein­träch­­­­tigung in der Diskussion.

Viele Kan­­nen in unterschiedlichen Formen wer­­den inzwischen auch anstelle von Alu­mi­nium aus Edelstahl gefertigt. Die Mokkakanne wird auch als Caf­fè­tiè­ra bezeichnet und fehlt in fast keinem italienischen Haushalt. Die neuesten Modelle verfügen inzwischen auch über eine Auf­schäum­mög­lich­­keit für Milch, um nicht nur Es­pres­so, son­dern auch Cappuccino oder Latte mac­­­­chiato zubereiten zu können. Die Mok­­­­­kakannen sind vorallem bei Stu­den­ten auf­grund des günstigen An­schaf­fungs­­­­­­prei­­ses sehr beliebt. Im Laufe der Zeit wer­­den die Dichtungsringe in der Mok­­­­­­­kakan­ne rissig und spröde – diese kön­­­­nen aber für wenig Geld bei Kaf­fee­spe­­­­­zia­listen erworben werden. Kein Grund also, bei einsetzender Un­dich­tig­keit, die ganze Mokkakanne zu ent­sor­gen.

Mokka – Der Verschnitt

Auch in Deutschland gibt es eine alte Mok­­­­­katradition. Diese beginnt mit der nur begrenzten Verfügbarkeit von Kaffee im 17. und 18. Jahrhundert und der aus­ge­­präg­­­­­­­ten zentralisierten Röstkultur durch Heim­­­­­­­röstverbote. Die entstandenen in­dus­­­­­­­­­­triellen Röstereien konnten den echten Mokkakaffee (aus Äthiopien) kaum er­­­­­hal­ten und versuchten nun, den Ge­­schmack durch Mischung anderer Pro­­ve­nien­­­­zen nachzuahmen – teilweise auch durch Mischröstungen mit Ka­kao­­boh­nen. Die zu Beginn des 18. Jahrhunderts un­ter Napoleon durch die Pfalz marschie­ren­den französischen Soldaten der Gran­de Armée tranken diesen Kaf­fee­­blend und bezeichnetet ihn als „Mocca faux“ (falschen Mokka), woraus sich später der Begriff Muckefuck ableitete. Eine wei­­­tere negative Be­deu­tungs­wand­lung er­­­hielt der Begriff durch die Gleich­­set­zung mit schwachem, unterdosier­tem Kaf­­fee in großblumigen Tas­sen, dem Blüm­­­chen­kaffee, durch den der Begriff Muck­e­fuck immer mehr zum Sinnbild für schlechten und schwachen Kaffee wur­­de und sich von seiner ur­sprüng­lichen Bedeutung entfernte.

Mokka – Die Bohnenform

Da der äthiopische Mokka sehr viele ein­sä­­­mige Kaffeebohnen – also Perlbohnen – ent­hält, verbanden die Brasilianer diese Boh­nenform mit dem Begriff Moca. In an­deren Ländern werden die ku­gel­förmi­gen, einsämigen Bohnen als Perl­bohnen, Peaberries (PB) oder auch Cara­coli bezeichnet. In Brasilien werden die Perlbohnen (Moca) als eher un­er­wünscht betrachtet und zu geringeren Prei­sen verkauft. Perlbohnen gelten in allen anderen Län­dern als be­son­ders hochwertige Form des Kaffees und wer­den im Ver­kauf deutlich hochpreisiger angeboten. Grund hierfür ist ne­ben der reinen, auffällig anderen Optik die weit verbreitete Idee, dass Perl­boh­nen ei­nen besseren Geschmack aufwei­sen, weil sich durch das einsämige Wachs­tum mehr Geschmacksstoffe in ih­nen an­gereichert haben. Dies ist wis­sen­schaft­lich nicht haltbar. Es lässt sich je­doch ein geschmacklicher Unterschied mit einer Trommelröstung erzielen, da die Boh­ne die kontaktvermittelte Kon­duk­­tions­­wärme durch die runde Ober­fläche bes­ser gleichmäßig aufnehmen kann. Die Aromenbildung durch Kon­duk­tion und die durch Induktion führen zu deutlich unterschiedlichen Kon­zen­tra­tionen und Stoffklassen.

Mocha – Das Getränk

Caffè Mocha ist ein Cappuccino-Derivat, lei­tet sich also vom Cappuccino ab, dem Scho­ko­lade zugesetzt wurde. Der Caffè Moc­­ha wird auch häufig als Mochaccino be­zeichnet. All diesen Getränken ist ei­nes gemeinsam: der von der Ha­fen­stadt Mok­ka abgeleitete Name, der seit Jahr­hun­derten zum Synonym für einen wei­chen balancierten Kaffee mit Kakao­aro­men geworden ist – eben Mokka. In Ös­ter­reich wird der kleine Schwarze, also ei­gentlich ein in Österreich zubereiteter Es­presso, ebenfalls als Mokka bezeichnet.

Mehr zu Röstereien in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es im Röster-Guide.