Röster des Jahres 2021

Der „Röster des Jahres 2021“ ist Hoppenworth & Ploch aus Frankfurt am Main. Sie überzeugten die Jury über einen längeren Zeitraum mit der Qualität der angebotenen Kaffees, im Kundenservice sowie bei der Nachhaltigkeit im Einkauf der Rohkaffees.

Bild: Lea Luedermann

Wie jedes Jahr hat unsere Jury es auch 2021 wieder getan: Röstereien gesichtet, Sortimente durchstöbert, Kaffees bestellt, gebrüht, verkostet und bewertet. Besondere Aufmerksamkeit legt unser Expertenkomitee dabei auf die jeweiligen Bezugsquellen des Rohkaffees, Nachhaltigkeitsaspekte,
Umfang und Qualität des Sortiments, Kundenservice und Liefergeschwindigkeit. Nun ist es an der Zeit, den neuen Röster des Jahres zu zelebrieren: Unser 2020er Champion Supremo wird abgelöst von Hoppenworth & Ploch aus Frankfurt am Main.

Progress trotz Pandemie
Statt zu separieren und zu spalten hat die Corona-Krise das ohnehin schon stimmige Team intern noch enger zusammengeschweißt: „Als im ersten Lockdown Kurzarbeit anstand, haben Matthias und Julian sich bemüht, die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter auszuloten und geschaut, ob jemand unbedingt darauf angewiesen ist weiterzuarbeiten oder gerade vielleicht darauf verzichten kann.


So haben wir dann zusammen eine Lösung entwickelt“, erzählt Friedrich. „Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass für uns Mitarbeiter auch kurzfristig auf Gewinn verzichtet wird.“ Der Röster beschreibt den besonderen Spirit, der hinter den Kulissen herrscht. Ausgemacht werde er durch die geringe Distanz zu den beiden Geschäftsführern mit ihrer angenehmen Art, die gute Kommunikation untereinander, die Kritikfähigkeit von allen Seiten und die Förderung der Mitarbeiter, sei es durch Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten oder die Einbindung der erfahreneren Baristi ins Qualitätsfeedback. „Es macht viel Spass und motiviert alle sehr. Dadurch hat man die Möglichkeit, hier zu wachsen, sowohl professionell als auch persönlich. Das ist bemerkenswert und hält unser Unternehmen so am Leben, wie es ist.“


Matthias berichtet, dass die Pandemie ökonomisch betrachtet keine bleibenden Schäden hinterlassen hat: „Wir können uns echt glücklich schätzen, da gibt es andere, denen es wesentlich schlechter ergeht. Anfangs mussten wir schon auch Standorte schließen, hatten dann mit Pop-ups ein bisschen Beschäftigungstherapie. Jetzt kommt die Gastronomie zurück, also ist in der Produktion richtig viel los.“ Auch Julian sieht positive Seiten der Krise: „Wir haben den Vorteil, im dicht bewohnten Nordend so eine Art Stadtteil-Café zu haben. Für die Anwohner waren wir während des Lockdowns teilweise das Highlight des Tages. Unser Café in der Altstadt ist eher ein Ausflugsziel, da kommen gerade am Wochenende viele Main-Spaziergänger vorbei. Wir sind einfach dankbar, dass unsere Gäste uns so supporten. Diese Unterstützung ist vor allem auch im Onlineshop zu merken: Leute, die vorher gar nicht bestellt haben, scheinen durch die Pandemie überhaupt erst auf unseren Shop aufmerksam geworden zu sein. Unser Dank gebührt einfach unseren Gästen, die sich jeden Tag ihren Kaffee bei uns holen!“

Bild: Nico Freund

Wettrüsten im Wohnheim
Was heute zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Spezialitätenröstereien des Landes zählt, nahm
seinen Anfang bei einem Grillabend im Studentenwohnheim. Zufällig entdeckten die beiden Kommilitonen Matthias und Julian damals ihr gemeinsames Interesse für Kaffee. „Matthias ist dann in die Küche gesprungen, um Espresso zu kochen. Von da an tauschten wir uns aus und stachelten uns an, was schließlich zu einem kleinen maschinellen Wettrüsten im Wohnheim führte“, erzählt Julian. „Aus Budget-Gründen war das nicht finanzieller Art, sondern wir haben uns Schrotthaufen – alte Gastro-Klopper – rausgesucht und ‚restauriert‘“, ergänzt Matthias. „Dadurch hatten wir zwar altes, für Espresso aber doch gutes Equipment zu Hause und uns wurde klar, dass das, was wir machten, mit der Gastro schon mithalten konnte“, erzählt Julian weiter. Durch Zufall erfuhren die beiden Hobby-Baristi, dass in dem neu gebauten benachbarten Wohnheim für Räumlichkeiten im Foyer Interessenten ge- sucht wurden und bewarben sich mit dem Vorschlag, ein Café zu eröffnen. 2008, den Studienabschluss frisch in der Tasche, bekamen sie den Zuschlag. „Die Verantwortlichen dachten sich wohl, dass wir einen relativ hohen inneren Antrieb für die Aktion haben“, meint Julian. „So sind wir also in die Gastro reingestolpert. Was dann alles noch so dazu gehörte, um einen gastronomischen Betrieb zu leiten, war uns damals noch nicht so wirklich bewusst. Im Rückblick muss man sagen, dass das anfangs schon ein bisschen dilettantisch war, was wir so gemacht haben.“


Mit der 3rd Wave kamen die beiden Jungunternehmer durch Matthias’ Internetrecherchen in Kontakt. Ihn interessierte einfach, was andere Röster auf der Welt so fabrizierten. Kaffees aus England und den USA wurden bestellt. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir das auch machen wollen. Da war Matthias dann ganz vorne mit dabei und hat angetrieben, dass wir auch so – heller – rösten“, erklärt Julian. So tüftelten die beiden Anfang 2011 erstmals an einer Röstmaschine herum. „Anfangs haben wir uns in Röstereien eingemietet, um selbst zu experimentieren“, berichtet Matthias. „Dann wollten wir unseren Kaffee selber einkaufen, alles über die Wertschöpfungskette erfahren und erzählen. Wir haben gesehen, wie die Engländer und Amerikaner den Namen der jeweiligen Farm, die Varietät und einige Flavor Descriptors auf der Packung kommunizierten. Wir haben erlebt, dass Rohkaffeeimporteure, von denen es damals noch nicht viele gab, diese neue Klaviatur gespielt haben. Die Specialty-Coffee-Szene war noch sehr jung damals.“ 2014 wurde der zweite Standort in der Friedberger Straße eröffnet – Mit eigener Rösterei, was Hoppenworth & Ploch etwa zeitgleich mit Backyard Coffee zu Vorreitern der 3rd Wave in Frankfurt machte. „So wurden wir Teil einer Szene, die damals gewachsen ist, die noch komplett undefiniert war“, so Matthias. „Mittlerweile merkt man schon, dass man ein alter Hase ist, wenn man manche Skills im Kontext sieht und überlegt, wie man – nicht nur wir – früher so gearbeitet hat und was sich daraus entwickelt hatte. Der Kaffee, den wir 2008 gemacht haben war ein komplett anderer.“ Heute betreibt Hoppenworth & Ploch drei Cafés: Das Mutterschiff am Campus, Nummer zwei im Nordend in der Friedberger Straße und ein drittes in der Altstadt. Seit etwa zwei Jahren ist die Rösterei nicht mehr ans Café im Nordend angegliedert, sondern es befindet sich autark in Sachsenhausen.

„Hätten wir keinen Zucker eingeführt, würden heute nicht so viele Leute bei uns arbeiten.“

Seit der Gründung 2008 kam es bei Hoppenworth & Ploch zu zwei entscheidenden Umbrüchen: Zuerst die Umstellung vom traditionellen Espresso zu ausschließlich Spezialitätenkaffee, dann die Öffnung für den Mainstream. „Heute verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz“, erzählt Matthias. „Wir machen Specialty Coffee, wollen aber gleichzeitig auch bodenständig bleiben. Wir wollen nicht, dass sich zwei Lager bilden zwischen traditionellem und Spezialitätenkaffee. Wir wollen auch Leuten, die traditionellen Kaffee trinken etwas bieten, auch da haben wir inzwischen eine Linie, das hatten wir vor ein paar Jahren nicht.“ Das Team rund um Matthias und Julian will niemanden mehr wegschicken müssen, vielmehr in Kontakt treten und auch Gästen etwas bieten, deren Geschmack Spezialitätenkaffee eben einfach nicht trifft. „Dieses ‚Hipster Ding‘ hat immer auch etwas Abweisendes“, so Matthias.


Irgendwann wurde den beiden Geschäftsführern bewusst, dass man mit dieser aufgeschlosseneren Art mehr Menschen für guten Kaffee begeistern kann und außerdem – vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet – auch nachhaltiger davon leben kann. Das Kaffee-Kollektiv betrachtet es als seine Aufgabe, herauszufinden, was die Gäste wollen. Inzwischen steht auch Zucker auf den Tischen, was in der heißen Specialty-Phase undenkbar gewesen wäre. „Es ist Teil des Learnings und ich bin froh, dass wir es gemacht haben!“ meint Matthias. „Wenn Leute Zucker wollen, dann haben sie eben einfach gerne Zucker im Kaffee. Es ist nicht unser Job ihnen zu sagen, wie sie ihren Kaffee trinken sollen. Darauf muss man aber erstmal kommen, wenn man ambitioniert ist und Ideologien hat, dazu muss man sich erstmal durchringen.“ So gibt es heute neben acht bis neun Single Origins für die Specialty-Fans, auch vier Blends im Sortiment für das traditioneller angehauchte Publikum.

Bild: Nico Freund

Rohkaffeebezug & Röstung
„Rohkaffeeeinkauf ist sehr viel Planung“, erklärt Joris. Wir haben verschiedene Plätze definiert, die unsere
Kaffees einnehmen sollen: Welche, die den Einstieg in die Specialty Coffee Welt vereinfachen sollen, solche, die ihr jeweiliges Terroir sehr gut repräsentieren oder aber Kaffees, die einen einfach flashen. Wir versuchen da viel abzudecken.“ Dem Hoppenworth & Ploch-Team ist es einerseits wichtig zu verstehen, wie die Wertschöpfungskette ihrer Produkte aufgebaut ist und andererseits, den direkten Kontakt zu den Produzenten zu haben, um sowohl für die technische als auch soziale Situation vor Ort sensibel zu sein. Seit einem Jahr ist die Rösterei biozertifiziert. „Qualität ist uns wichtiger als Siegel, gleichzeitig holen Siegel die Kunden ab und vereinfachen die Kommunikation“, erzählt Joris. „Jedoch sind sie kein Auswahlkriterium für uns, sondern spielen eher mit rein. Die Auswahl erfolgt in der Regel primär über Geschmack und Frische.“ Auf Nachhaltigkeitskriterien wird schon im Vorhinein bei der Selektion geachtet. „Über Preisprämien im Specialty Segment wird vieles aus dem Bereich Nachhaltigkeit schon abgedeckt.“ Ein Transparenzbericht ist aktuell in Arbeit. In diesem Zuge wollen die Frankfurter sich bei „The Pledge” einbringen, einer internationalen Initiative, bei der Teilnehmer sich verpflichten, Transparenz- und Nachhaltigkeitskriterien beim Einkauf von grünem Kaffee einzuhalten und offenzulegen. „Das ist unser Weg zur Nachhaltigkeit: Transparenz und Ehrlichkeit, verbunden mit einer gewissen Offenheit für mögliche Problematiken im Ursprungsland anstatt einfach nur ein Siegel zu kaufen ohne zu wissen, was dahinter steckt und was es mit den Wertschöpfungsketten macht,“ so Joris. Über den jeweiligen „Kaffee des Monats”, der per Abo erhältlich und einen Monat lang in den Mühlen der drei Cafés ist, werden massig Hintergrundinformationen über die sozialen Medien kommuniziert.


Geröstet wird etwa eine Tonne pro Woche – Tendenz steigend – in Sachsenhausen an einem 30 kg Gießen Röster Baujahr 2019. „In der Regel entwickeln wir unsere Kaffees mit einem Ikawa-Teströster, um zu schauen, was man aus den Bohnen potenziell rausholen kann und vergleichen die Ergebnisse mit unseren Produktionsröstungen“, erklärt Friedrich. Seit etwa drei Jahren werden nun also auch etwas dunklere Espressi und Blends angeboten, nachdem vorher nur Single Origins auf dem Programm standen. „Wir haben uns da einfach erweitert, viel Arbeit und Zeit reingesteckt, um herauszufinden, wie man eigentlich Blends macht. Mittlerweile machen wir das auf einem sehr hohen Niveau, unser Kundenstamm wird dadurch immer größer“, erzählt Kilian. „Gerade unsere Kunden aus der Gastronomie sind auf Kaffees angewiesen, die einfach im Handling sind. Sie dürfen weder die Baristi vor Ort überfordern noch deren Publikum, das vielleicht noch nicht mit solchen Kaffees in Kontakt gekommen ist, die wir vorher ausschließlich gemacht haben“, führt der Leiter der Rösterei weiter aus. Die Gäste in den Cafés bevorzugen dagegen nach wie vor die heller gerösteten Spezialitätenkaffees. „Mit der Öffnung Richtung Mainstream wollen wir unseren Impact vergrößern, um bestimmte Prozesse effizienter zu machen, um mehr Reichweite zu haben mit den Projekten, die uns besonders am Herzen liegen“, ergänzt Friedrich.

Zum Röster des Jahres 2021: hoppenworth-ploch.de