ACM Pratika im Test

Geradezu unverschämt günstig wirkt das Versprechen der farbenfrohen Mailänderin: Ein vollständiger Zweikreiser ohne wirkliche Abstriche, noch dazu mit kompakten Abmessungen für deutlich unter 1.000 Euro. Kann es das wirklich geben? Es kann. Mit der PRATIKA schickt ACM, eine Schwesterfirma des lombardischen Herstellers SAB, ein Maschinchen ins Rennen, das zumindest auf dem Papier einige Trümpfe in der Hand hält. Bluff oder Wahrheit?

Erstkontakt mit der Pratika von ACM

Die Erfahrung lehrt: Am unteren Ende der Zweikreis-Welt wird die Luft schon mal dünn. Entweder haben wir es mit Thermoblock-Maschinen zu tun, die aufgrund baubedingter Kurzatmigkeit eher in die Milch husten, statt mit Verve zu schäumen, oder aber es fehlen schlicht elementare technische Komponenten, um den Preis im Zaum zu halten. Wir erinnern uns an Nuova Simonellis Oscar ohne Entlüftungsventil; an La Nuova Eras inzwischen von uns gegangenen Blechbomber Agata ohne Teewasserventil. Umso verblüffender tönt da eingangs erwähntes Angebot der ACM Pratika. Sehen wir einmal von der im besten Sinne unprätentiösen Pappkiste sowie dem quasi inexistenten Manual ab, so vermag die regulär in Weiß, Schwarz, Weinrot und Edelstahl erhältliche Norditalienerin vom Fleck weg mit einigen Reizen zu punkten.

Reduce to the max scheint die Devise des Herstellers aus dem Vorort San Vittore Olona, der dem schnörkellosen 20-Kilo-Kubus mit seinen prosaischen Drehknäufen neben dem sonst üblichen Plaste-Mumpitz zwar leider auch das obligatorische Blindsieb vorenthalten, dafür aber – in dieser Preisklasse einzigartig – gleich zwei schwere Gastro-Siebträger beigelegt hat. Von Kugelgelenken an Dampf- und Heißwasserlanze über die massive, z. B. von den größeren SAB-Modellen oder der Rocket Boxer bekannte Messing-Ringbrühgruppe oder das Kesseldruck-Manometer bis hin zur frappierend an die Rocket-Haushaltslinie erinnernden Tankkonstruktion ohne keimanfällige Silikonschläuche: Auch am Gerät selbst ist so Etliches an Bord, was der Maschinist sogar bei teureren Konkurrentinnen mitunter schmerzlich vermisst. Gut, der zentral angebrachte, klobige Bezugsknopf (der einzige neben dem Netzschalter überhaupt) wirkt ziemlich billig. Die Verkleidung ist aus einfachem pulverbeschichtetem Stahlblech und jenseits von entgratet und der Tankdeckel etwas klapprig – aber die Substanz stimmt.

Die ACM Pratika: Von außen nach innen

Am ehesten bereitet uns noch die Abtropfschale Kopfschmerzen. Die ist für den Alltagsbetrieb etwas klein und deren Entfernung gestaltet sich arg hakelig. Hierbei ist im Übrigen zwingend dafür Sorge zu tragen, dass das aus dem Gehäuse ragende Schlauchende für den Überdruck beim Wiedereinsetzen korrekt in der Wanne landet. Sonst wird es feucht unter der ansonsten stimmig benannten Pratika von ACM.

Im durch wenige Handgriffe zu erreichenden Inneren setzt sich der generell positive Grundeindruck fort. Ma-Ter-Pressostat, ULKA-Vibrationspumpe (ab Werk auf 12 Bar eingestellt), das im Ernstfall lebenswichtige Entlüftungsventil, welches Milch-Kontamination im Kessel verhindert – die maßgeblichen Bauteile sind aus etlichen anderen Haushaltsmaschinen bekannt, auf Aufsehenerregendes stößt man nicht. Für ordentlich Ballett dürfte der stehend verbaute 1,5-Liter-Kupferkessel sorgen, lediglich bei der Elektronik haben sich die ACM-Entwickler mit Pro EL.IND für einen Nischen-Zulieferer entschieden statt für den Fast-Monopolisten Gicar. Zugegeben, ein bissel eng geht es schon zu in der Butze, aber irgendwo müssen sich die geringen Abmessungen ja niederschlagen. Positiv: Der üppig dimensionierte Wassertank ist vorbildlich durch ein großflächiges Blech vom Rest des Interieurs getrennt, das Magnetventil im Servicefall zentral von oben gut zu erreichen und die Elektronik zumindest nicht in direkter Nachbarschaft zu den wasserführenden Komponenten.

Auf Herz und Nieren

Also frisch ans Werk! Nachdem der Stecker versenkt und der Wassertank mit etwas zu viel benötigter Muskelkraft zum Zwecke des Befüllens seiner Behausung entrissen ist, drückt der Maschinist das unscheinbare Plastikknöpfchen – und prompt erhebt sich ein garstiges Dröhnen. Oder ist es eher ein kehliges Rasseln? Fest steht: Die Signora röhrt beim Befüllen des Kessels gar unfeminin drauflos, ist eher krachlederne Gianna Nannini denn sanfte Sirene. Dann herrscht vorerst Stille.

Der vergleichsweise kompakt gebauten Brühgruppe ist es zu verdanken, dass die ACM Pratika bereits nach fixen 10 Minuten tatsächlich passable Espressi zustande bringt – sofern man sich, bewaffnet mit Ohrenschützern, wieder traut, den Taster zu betätigen. So schlimm wird es dann glücklicherweise aber gar nicht. Unter Druck (also mit genug Kaffee im Doppelsiebträger) wird auch die lauteste Diva zahm. Trotz nicht vorhandener Preinfusion überraschen die Shots bei passend einjustierter Eureka-Mühle ohne viel Geschraube mit angenehmer Balance und ausreichend Facettenreichtum. Das hätten wir zweifellos flacher erwartet, so viel ist mal sicher. Insbesondere mit einer emotionalen, nicht zu filigranen italienischen Miscela wie unserem La Tazza d’oro geht die sardische Sonne auf, und der Alltag kann kommen. Daumen hoch.

Eine veritable Überraschung steht dann abschließend noch beim Thema Milchschaum ins Haus. Die zierliche Dame entpuppt sich in dieser Disziplin als rüde zupackender Dampf-Muskelprotz. Standardmäßig liefert ACM die Pratika mit Vierlochdüse aus. Die entfacht allerdings derart viel Feuer, dass selbst dem Profi vorübergehend Hören und Sehen vergeht. Da ist H-Milch vorprogrammiert, Freunde. Anfänger sollten deshalb bereits beim Kauf nach der optional erhältlichen Zweiloch-Variante fragen. Mit der geht das Schäumen erheblich smoother von der Hand und cremiger Cappuccino, wird wie im Lieblingscafé zum Alltagsvergnügen. Die Post geht so oder so ab.

Resümee zur ACM Pratika

Zum Angeben ist die kleine Pratika von ACM eher ungeeignet. Dafür passt sie in nahezu jede Küche. Sie ist ein willkommener Farbtupfer im Edelstahl-Einerlei und hat als ausgewachsener Zweikreiser so ziemlich alles zu bieten, was auch für die Latte-Fraktion vonnöten ist – zu einem schier unschlagbaren Tarif. Vor diesem Hintergrund fallen die Punktabzüge für den latent erhöhten Lärmpegel sowie die etwas beengte Arbeitsfläche kaum ins Gewicht. Anfänger sollten lediglich darauf achten, sich die separat erhältliche Zweilochdüse zu besorgen, damit einem der Brüllwürfel nicht mit Verve die Milchkanne aus der Hand fetzt. Gut angelegtes Weihnachtsgeld? Allemal.