Im Test: Bezzera Strega

Der Maschinist vs. Bezzera Strega

Als ohne große Vorwarnung Anfang des Jahres erste Bilder und Be­schrei­bun­gen der Bez­zera „Strega“ im Netz kursierten, war der Aufruhr in den einschlägigen Foren und Com­munities beträchtlich. Ein ausgewachsener Gas­tro-Hand­­­he­bel für daheim? Auf Ba­sis eines Zweikreissystems? Mit Tank und Vi­bra­­ti­ons­­­pumpe?! Zugegeben: Das klingt zu­­nächst kurios. Doch da es be­kannt­lich nicht nur beim Fußball erst auf dem Platz so rich­­tig ernst wird, darf nach eingehender Probefahrt vermeldet werden: Es lebe der Hyb­­rid, Baby!

Erstkontakt
„Strega“ heißt übersetzt „Hexe“ – zu gu­ter Letzt vielleicht auch schon allein des­­halb, weil ein Schuss derselben hier schon beim Auspacken winkt: An die 30 Kilo sind aus dem wie immer bei Bez­ze­ra vorbildlich gesicherten Karton zu wuch­­­ten; da jubiliert auf jeden Fall schon mal die Leiste. Danach gilt es voller Vor­freu­­de, den Hebel anzuschrauben. In vol­­ler Pracht ist die bei Er­schei­nen des Hef­­tes bereits käufliche „Stre­ga“ (in unserem Fal­le haben wir es noch mit ei­nem Vor­­se­rien­modell zu tun) mit ih­ren in tut­ti 71 cm lichter Höhe nicht unbedingt ei­ne Kandidatin für beengte Verhältnisse. Was soll’s: ein solches Maschinchen soll ja auch anständig auf den Prä­sen­tier­tel­ler und nicht in die nächstbeste Küchen­ec­ke.

Was dem Maschinisten sogleich ins Au­ge sticht, ist die absolut tadellose Ver­ar­beitung des deutlich an ECMs Technika an­gelehnten Gehäuses. Ganz unitalie­nisch trüben hier nirgendwo schlecht ent­gra­tete Kanten das Bild, alles wirkt peni­­belst sauber, geradezu luxuriös nach­­be­han­delt und massiv. Sogar den im­mer wie­der monierten Plastik-Netz­schal­ter hat man endlich gegen eine gum­mierte Pro­fiversion aus Stahl er­setzt. Schwer sein muss das Chassis der „Stre­ga“ schon al­leine deshalb, da ja bei ei­nem Gastro-Hand­hebel – anders als bei ei­ner „La Pa­voni“ etwa – der Hebel aus dem oberen Ru­­hezustand zunächst mit be­­trächtlicher Mus­­kelkraft nach unten an­gespannt werden muss.

Nach erfolgter Präinfusion bleibt einem dann als Barista eigentlich bloß noch kontrolliertes Loslassen: Im In­­nern der aus Bez­zeras Profi-Hand­he­bel­­maschinen be­kann­ten Brühgruppe näm­­lich versieht eine mörderische Stahl­fe­­­der mit ca. 8 Kilo Zug ihren Dienst und erledigt so den Rest. Aber Vor­sicht: Eine Be­die­nung des Hebels ist aus­schließ­­lich(!) in mit Kaf­­fee befülltem, ein­­geschaltetem Zu­stand anzuraten – sonst kommt ei­nem das Ding mit Kara­cho und völlig oh­ne Wi­derstand entgegen. Damit der ers­te Schuss auch für Hand­­hebel-No­vi­zen nicht mit einem Kie­fer­­bruch endet, hat man diesbezüglich ne­­ben zwei Sieb­trägern sowie diversen an­­deren Klein­teilen vorsichtshalber eine an­schauliche No­tiz beigelegt. Eine klitzekleine Inkonsequenz hat sich Bez­zera dann aber schließlich doch noch erlaubt: Der Kopf der Brühgruppe könnte ruhig aus verchromtem Blech ge­fer­tigt sein statt aus Plastik. So fiele er selbst bei näherem Hinschauen nicht aus dem rundum stimmigen Bild.

Von außen nach innen
Die Spannung steigt dramatisch, sobald man sich mit den inneren Werten aus­ei­n­an­­­­­­dersetzt. Hier nämlich gehen Bez­ze­ras In­genieure einen eigenen Weg: Statt – wie bei Handhebelmaschinen üblich – die so­ge­­nannte Präinfusion (das Vor­brü­hen) ent­weder über den an­lie­­genden Lei­­tungs- (Fest­wasser­ma­schi­nen) oder aber den Kes­seldruck zu steuern wie zum Beispiel bei den Pavonis oder Olym­pia Express’ Cre­­­­mi­­­­na, wo jener direkt von außen be­füllt wird, erledigt im Bauch der Hexe ei­ne han­­­­­delsübliche Vib­ra­tionspumpe den Job. Sobald man den He­bel nach ganz un­­­ten gedrückt hat, setzt ein Mo­men­t­schal­­­ter die Pumpe in Gang und frisches Tank­­­was­­ser aus dem sat­te vier Liter fas­se­n­­den, von ei­­ner Klap­pe verdeckten Re­ser­­voir wird durch den Wärme­tau­scher auf Tem­pe­­­r­a­tur ge­­­bracht. Zeigen sich die ers­­ten Trop­­­fen nach Durch­feuch­tung des Kaf­­fee­mehls im Aus­­lauf, ist es an der Zeit, den He­­bel wie­der zu lö­sen – und die lautlose Ex­­trak­tion per Fe­der beginnt.

Am ehes­ten kann man sich das Ganze vor­­stel­len wie das An­schlep­­pen beim Se­gel­­flie­gen: Erst hilft die Mo­­tor­winde – dann kommt die gro­­­ße Stil­le. Ein direkt würde­vol­ler Mo­ment. Dass diese Art von Hybrid-Architektur die Puristen auf die Barrikaden rufen dürf­­­­­­te, ist klar. Dennoch fragt man sich, wa­­­­­­r­um auf diese Idee nicht schon eher je­­­­­­mand gekommen ist. Denn die Vorteile des Zweikreissystems im Alltag liegen auf der Hand: Erstens trinkt man auch bei längeren Standzeiten kein stehendes Kes­­­­­­selwasser und zweitens ist der Heiß­dam­pf zum Milchschäumen tendenziell troc­­­­­kener. Zu guter Letzt wird der Nutzer durch diesen Kniff in die seltene Lage ver­­­­­­setzt, auch mit einer Hand­he­bel­ma­schi­­­­­ne Verlängerte oder Schümlis bereiten zu kön­­­nen: Hierzu einfach ganz nach Gusto die Pumpe etwas länger werkeln lassen – et voilà! Auch die verbaute Brü­h­­­­kopf­hei­zung (eine Technik, auf die der Her­steller auch im Rahmen seiner BZ-Serie er­folg­reich setzt) erleichtert das all­­­­mor­gend­li­che Caffè-Ritual ungemein. Oh­­­­ne sie müss­­ten wir an die 60 Mi­nu­ten war­ten, bis die bullige Gruppe be­reit wä­­­re für den ers­­ten Shot.

Auf Herz und Nieren
Dann also los auf den Platz: Einmal mit­tels des satt klickenden Kippschalters in Be­­­­trieb genommen, beweist die „Strega“ so­­­­gleich ordentlich Durst und füllt den 2-Li­ter-Kessel surrend mit Wasser. Be­reits nach zwei Minuten zeigt die Brüh­kopf­­hei­zung, dass sie es ernst meint mit den neun Kilo Messing. Nach sechs Mi­nuten wiederum schließt das Über­­druck­ventil – und das, was ansonsten ger­ne eine Stunde beansprucht, ge­lingt hier tatsächlich in rekordverdächtigen 20 Minuten: Der Ko­loss aus Mailand ist antestbereit! Oder besser: scheint. Denn der erste Bezug mit 16 Gramm im Doppelsieb sieht zwar nach Göt­ter­schuss aus, schmeckt auch seidig weich und definitiv anders als der­sel­be Espresso per E61 zubereitet, lässt aber doch noch die letzten paar Grad Temperatur ver­mis­­sen. Nach 30 Minuten dann auch auf diesem Terrain ein anderes, ganz­­heitlich positives Bild.

Die „Strega“ belohnt die zusätzliche Null­runde mit einem 25-Sekunden-Bezug und einem per­fekten Bilderbuch-Shot mit dunkler, extrem gemaserter und stand­fester Crema. Die geschmackliche Intensität lässt den Ma­schinisten dann vollends aus dem Häuschen geraten: Sorg­­­sam aufgefächerte und tief gestaffelte, klar definierbare Scho­­­konuancen umschmeicheln die Zunge, angeführt von ei­­­nem deutlich wahrnehmbaren Vorboten aus dunklen Bee­ren. Die Viskosität und der Körper sind ebenfalls schlicht ex­zel­­lent. Wer jetzt nur ein bisschen weiter mit Prä­in­fusionsdauer und Shot-Länge (durch rechtzeitiges Weg­zie­hen der Tasse) experimentiert, dem stehen sämtliche Türen of­­­fen. Und auch das Milchschäumen gerät mit dem von Bezzera-Maschinen gewohnten Hub sowie der mitgelieferten 4-Loch-Düse zum reinsten Spaziergang – ein bisschen Übung an den progressiv arbeitenden Kippventilen vorausgesetzt. Da soll noch mal einer behaupten, ein Handhebel wäre lediglich was für Profis und Fummler. Alles Quatsch: Mit der „Strega“ gelingen auch dem aufgeschlossenen Heimanwender mit ein wenig Muße verblüffend konsistente Espressobezüge.

Resümee
Ob die Welt in kommerzieller Hinsicht auf eine Spezialistin wie die „Strega“ gewartet hat? Wir wissen es nicht. Ein mutiger, frischer Schritt zur Seite, weg vom Mainstream ist sie zweifellos. Vom enormen Spaßfaktor beim heimischen Hebeln und Mittrinker-Beeindrucken einmal ganz abgesehen. Denn was zunächst komplex aussieht, ist im Alltag so auch von jedem halbwegs instruierten Laien konstant zu bedienen – ganz im Gegensatz etwa zur Pavoni-„Diva“, die zwar in jeder zweiten Küche und im MoMA in New York verstaubt, bei der aber jeder Schuss zum Wagnis für die Gäste wird. Indem sie eben nicht nur aufsehenerregend aussieht, sondern auch die Geschmacksknospen adäquat in Wallung bringt, erweist sich Bezzeras Hexe als echter Geheimtipp.

 

Für die Bezzera Strega spricht:

  • für Handhebel extrem konsistent
  • fantastische Espressoqualität
  • vergleichsweise rasche Aufheizzeit
  • einmaliges Hybridkonzept
  • Frischwasser durch Zweikreissystem
  • hervorragende Verarbeitung
  • hoher Spaßfaktor

Steckbrief

»Maße: (Breite/Höhe/Tiefe in cm) 33 x 71 (inkl. Hebel) x 47 

»Gewicht: 28,5 kg

»Leistung:1.350 Watt

»Kessel: 2 Liter,

»Inhalt Vorratstank: 4 Liter

Features

»Profi-Handhebel-Gruppe

»Zweikreissystem (Thermosyphon)

»Kupferkessel mit mikroprozessorgesteuerter  Wasserstandskontrolle

»Brühkopfheizung

»Kesseldruckmanometer

»einfach handhabbare Kippventile für Dampf  und Heißwasser

1 comments
  1. Vielen Dank für diesen ausführlich beschriebenen Test. Ich spiele mit dem Gedanken, mir eine Strega für den Heimgebrauch zuzulegen. Gibt es auch Erfahrungsberichte von Frauen (“gehöriger Kraftaufwand nötig”)? Welche Bezzera-Händler in und um Berlin sind empfehlenswert, falls Reparaturen mal nötig sein sollten? Danke!

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