Rocket R58 im Test

Fein, nun baut also auch Rocket Es­presso Milano, mit der R58 einen Dualboiler in bewährter E61-Bauweise – und prompt fragt man sich: Muss das wirklich sein? Unser Test beweist: Ja, es muss! Dass mit der Edelstahlschönheit der Status quo auf den Kopf gestellt sei, wäre gleich­­wohl zu weit gesprungen. Zum Pri­­mus inter Pares nämlich wird das Flagg­schiff aus Settala durch etliche span­nende Detaillösungen, die es so zu­vor nicht gab. Mal abgesehen von einer nahezu fehlerfreien Performance …

Erstkontakt mit der Rocket R58

Meine Herren, was ’ne Wuchtbrumme! Stör­rische 29 kg sind aus dem wie im­mer vorbildlich ausstaffierten und gesi­che­r­ten Karton zu hieven. Danach kann in der hei­­mischen Küche die Chrom-Sonne auf­­gehen. Aber dann steht sie da und will nicht mehr weichen: ein stählernes, zeitlos elegantes Stück Espressotechnik. Mit so ziemlich allen Ausstattungs-Wassern ge­­waschen und Rocket-typisch robust ver­­arbeitet. Zunächst als „Rivoluzione“ im Gespräch, verleugnet die R58 weder äu­­ßerlich, noch vom Gewicht her die na­he Verwandtschaft zur ebenfalls seit Mitte 2011 erhältlichen Profise­rie von Rocket.

Zur Feier des Tages hat die kleine, aber feine Manufaktur aus dem Dunst­kreis Mailands neben zwei Siebträgern, ei­­ner vorbildlichen Be­dienungs­an­lei­tung sowie einer Einführung per DVD-Tu­­torial nicht nur einen tatsächlich nutz­ba­­­ren(!) Tamper aus Aluminium spendiert, sondern endlich auch die stabile Edel­­stahlreling serienmäßig an Bord ge­­­nommen. Bravo! Fast ein bisschen insektengleich wirkt die R58, durch die seitlich ab­ge­hen­den, üp­pig dimensionierten und völlig frei be­weglichen No-Burn-Lan­zen, die ent­fernt an Fühler erinnern. Da soll­te das Milch­­­schäu­­men zum entspannten Schau­lau­­­­f­en geraten. Links und rechts über der Ab­­­­­tro­pfschale sind zwei gut ab­les­bare hoch­­­­wertige Manometer verbaut.

Display on Demand

Das Bes­­t­e jedoch: Die in nahezu allen PID-Mit­­be­wer­berinnen verbaute, stillose Bil­­lig-Di­gi­tal­anzeige glänzt durch Ab­we­sen­­­heit. Statt ihrer steuert der R58-Ba­ris­ta säm­t­­­li­che re­le­vanten Parameter (Kes­sel­­tem­­pe­ra­­turen, Be­triebszustand des Dampf­­­­­­kes­­sels, Be­triebs­modus Tank­/­Fest­­­wasser) über ein klei­nes Metall­käst­chen samt An­zei­­gefeld, das bei Bedarf seit­­lich per se­riel­lem Port an die Ma­schi­ne angedockt wird. Ei­ne ebenso na­he­lie­gen­­­de wie sen­sa­­tio­nel­le Idee, die in punc­­­­to Aus­füh­rung gleich­wohl noch et­was ver­besserungsfähig, nicht hun­­dert­pro­­­zen­tig zu En­de kon­zi­­piert wirkt. Die Ein­­heit selbst macht da­bei durch­aus ei­nen wertigen Ein­­druck. Prob­lem­atisch scheint dem Ma­­­schinisten viel­mehr die im Alltag si­cher stark beanspruchte Ver­bin­­dung zwi­schen Ka­bel und Ro­­cket bzw. Bedienteil. Auch fehlt eine Art Hal­­­te­rung oder ein Stand­­fuß, um selbige im Be­­­trieb bequem park­en zu kön­nen, ohne die Brüh­tem­pe­ra­tur aus dem Auge zu ver­lieren.

Und, wo wir ge­­rade beim mo­sern sind: Warum nur einem der beiden Dreh­kne­bel ein „R“ genehmigt wur­de, wird wohl auf ewig das Ge­heim­nis der Pro­duk­t­de­sig­ner bleiben.

Von außen nach innen

Innen dagegen regiert die pure Kon­se­quenz. Trotz akuten Platz­man­­gels haben die Entwickler von Rocket, der R58 ihr so ziemlich alles mit auf den Weg gegeben, was gut und teu­er ist: Die per Mes­sing­schrau­be von au­­­­­­­ßen justierbare, ebenso leise wie uner­bit­t­­­­­­lich zur Tat schreitende Ro­­­tations­pum­­­­­­pe zieht das Nass je nach Gusto aus Lei­­­­­­­tung oder (mit 2,6 Litern freilich et­was knapp bemessenem) Was­sertank, die Füll­­­­stän­de werden elektronisch überwacht und bei­de Kupferkessel sind mit ei­­­­­­ner professionellen Armaflex-Iso­lie­rung ver­­sehen, was so­wohl Kli­mabilanz als auch Haus­halts­kas­se freuen dürfte. Die Be­­triebs­drüc­ke der beiden mit 0,58 (Kaf­­­­fee) respektive 1,7 Litern (Dampf/­Heiß­­­­­­­was­­ser) sinnvoll dimensio­nier­­­ten Boi­­­­ler steu­ern im Ge­gensatz zu den Evo­lu­­­­zione- und Pre­mium-Plus-Mo­del­len kei­­­­ne ge­­werb­­­­li­chen Pressostaten von Si­rai, son­dern eine jeweils über eine Tem­­pe­­ra­turson­­­de mit Messdaten ge­fütterte PID-Elek­­­tro­­nik.

rocket r58 testsetup

An­ge­zeigt wer­den dann auch auf dem Dis­play der Bed­ien­ein­heit le­­­­­di­glich die ef­fektiv vorhandenen Ver­hält­­­­­­­nis­se im Kes­­sel – keine „be­rech­­nete“, im­­­­­mer von äu­­ßeren Fak­toren wie der Um­­­ge­bungs­tem­pe­ratur ab­hän­gige Brüh­­­­­tem­­­pe­ra­­­tur an der Gruppe. Zwei 1.400-Watt-Heiz­­ele­men­­te sorgen für sta­­­­bi­le Ver­­­hält­­ni­s­­se, ei­ne ausgeklügelte Schal­­tung ver­­hin­­­dert, dass beide simultan voll los­­­­bal­lern und be­­grenzt die gleich­­zeitige Leis­­­­­­­­t­un­gs­­auf­nah­me auf 1.550 Watt. Kom­pro­­­­­mis­­­se sollen andere ma­­chen; in tech­ni­­­­scher Hin­sicht geht Ro­cket de­fi­ni­tiv vol­­­les Tem­po.

Auf Herz und Nieren

Start frei! Seidig schnurrt die Pumpe, bis nach Kurzem beide Boiler mit Wasser ge­füllt sind. Nach schnellen siebeneinhalb Mi­­nuten, sind die ab Werk vorein­ge­stell­­ten 105 °C Brühkesseltemperatur er­reicht. Wei­­tere fünf Minuten später ist die Mac­chi­­na inkl. Leerbezug bezugsbereit und nach ziemlich genau einer Vier­tel­­­stunde ab Kaltstart öffnen wir für ein paar Se­kun­den das Dampfventil, um die Bil­­dung ei­nes Vakuums (und damit das po­­­tenzielle Ver­schleppen von Milch in den Kessel) zu un­terbinden. Vor diesem Hin­­­­ter­grund kann sich der Maschinist ein be­glück­tes Grin­sen nur schwerlich ver­­­kneif­en: Für ei­ne Maschine mit über vier Ki­lo schwerer E61-Brühgruppe ist das re­kord­ver­däch­tig fix.

Die ersten zwei, drei Schüs­se sind wie im­­­mer für den Ei­mer, dann passt al­les so­­­weit. Eine Weile dauert es halt auch mit ei­­nem Boliden wie der R58, bis der Göt­­te­r­schuss gelingt – aber selten zu­vor (schon gar nicht mit ei­ner Haus­­halts­ma­­schi­­­ne) hat der Weg dor­thin derart viel Spaß be­rei­tet. Kin­der­leicht ge­staltet sich das Ein­wäh­len von Tem­pe­ra­tur und Druck, das klar ab­lesbare Display ist ab­so­­­lut intuitiv zu be­die­­nen.

Nachdem wir das Op­timum ein paar­­mal umkreist ha­­ben, ent­fachen wir der bei ca. 92 °C noch et­­­was fla­chen „Gran Mis­cela“ von La Taz­­za d’oro zwei ex­­tra Grad mehr unterm Hin­­­­tern, so­dass schließ­­­­­lich 107 °C Kes­sel­­­tem­pe­ra­tur auf dem Display leuchten; dies entspricht laut von Rocket dan­kens­wer­­ter­­wei­se mit­ge­­lie­fer­­­­ter Tabel­le exakt 94,6 °C Brüh­­tem­­pe­ra­tur – und „Boom“! Da brennt die Hüt­­te. Eis­­­kalt verwandelt, wür­­­­­de der Es­pres­­so-Knip­­­ser sagen. Nur zum Spaß spen­­dieren wir schließlich zu al­­­­­lem Über­­­fluss auch noch ein zusätzliches Gramm Caffè, just for the sake of fat­­­­ness. Wir sind im Kof­fe­in-Himmel, schwel­­­­gen in Schoko-Nuan­cen und können das sar­di­­sche Meer förm­lich riechen.

Die Rocket R58 hat ordentlich Dampf

Auch meh­­re­­re Bezüge in di­rek­­ter Fol­­ge ver­­­mö­gen das System nicht über Ge­­bühr aus dem Tritt zu bringen; die kräf­­­tige Hei­­zung bü­gelt die ent­ste­henden kur­zen Sen­­­­ken trotz Verzichts auf ei­ne Vor­­wär­mung qua­, wie ihn etwa Vi­biemme in der Do­­­mobar Su­­per verbaut, stets rasch wie­der aus. Beim Milchschäumen findet das übe­r­ra­gen­de Bild letztlich nahtlos seine Fort­set­­zung. Die lange Lanze ermöglicht jeg­l­i­­chen Winkel, und der 1,7-Liter-Kessel stellt – zumal, wenn man ihn etwas hoch­­jazzt – mehr als genug knochentro­cke­nen Wumms zur Verfügung, um be­reits mit der ab Werk verbauten 2-Loch-Dü­­se ordentlich Ballett zu machen. Mit ei­­ner (leider nicht mitgelieferten) massiven 4-Loch-Düse der R-Serie dürfte es da für die meisten Heimnutzer schon fast in Richtung unbeabsichtigte Explosion ge­­hen. Aufgrund der präzise an­spre­chen­­den Profi-Federventile sind fei­n­füh­li­­ges Dosieren des Dampfes und fein­­po­ri­­­ger Latte-Art-Schaum als Er­geb­nis je­denfalls kein Problem. Fazit: Mit dieser Mac­china alle Barista-Register zu ziehen ist so einfach wie unterhaltsam.

Resümee zur Rocket R58

Ihre komplette Ausstattung sowie die so ein­­­fach handhabbare wie selbst ohne zu­sätz­­­lichen Wärmetauscher überraschend sta­­­bil arbeitende Temperatursteuerung er­­­­heben die neue Rocket-Doppelboiler-Mac­­­­china nicht nur zum absoluten Ha­ben-wollen-Artikel jedes ambitionierten Ho­­me-Coffeeologen, sondern prä­des­­­ti­ni­e­­­ren sie auch zum willkommenen Test- und damit Arbeitsgerät zum Beispiel für klei­ne Rös­­tereien. Mit derlei Qua­li­tä­ten im Ge­päck dürfte die R58 den hart um­­kämp­f­ten Dualboiler-Markt or­dent­lich durch­pus­­ten. Dass die ge­ball­te Tech­­nik qua smar­­ter Handheld-Lö­­sung bei alledem das klassische De­sign res­pek­tiert, ist am En­­de der ei­gentli­che Clou. Wenn R­o­cket jetzt noch ein Ein­se­hen hat und mit­­tel­fristig ein paar zu­sätz­liche Eu­ro­nen für ei­ne auf Dauer wer­tigere USB-Schnit­t­stel­le (bzw. gleich ei­ne Blue­tooth-Lö­­sung nebst iPhone-App!) drauflegt, kann sich die Kon­kur­renz aber mal ganz warm an­ziehen. Set­ta­la, bitte übernehmen Sie!

Für die Rocket 58 spricht:

  • sehr umfangreiche Ausstattung
  • erstklassige Espressoqualität durch flexible Brühtemperatur
  • PID-Steuerung über externes Bedienteil, absolut flexible Heißwasser- und Dampflanzen
  • tadellose Verarbeitung
  • temperaturstabil (Abweichung < 1 °C)
  • sehr leise
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Steckbrief

» Maße: (Breite/Höhe/Tiefe in cm)31 x 41 x 44

» Gewicht: 29 kg Leistung:1.400 W/1.400 W (zusammen max. 1.550 W) 

» Kessel: 1,7 Liter (Dampf/Heißwasser), 0,58 Liter (Kaffee)

Features:

» Dualboiler-System, elektronisch gradgenau regelbare Brühtemperatur (PID)

» elek­troni­sch regelbarer Kesseldruck für Dampfboiler, Kesselisolierung 

» Cool-Touch-Tech­no­lo­gie, Brüh­­druck bequem von außen einstellbar

» Tank-/Festwasserbetrieb schaltbar, Dampf­­boiler bei Bedarf deaktivierbar

» Rotationspumpe

» bei Bedarf ansteckbares, externes Be­dienteil

3 comments
  1. Der Dampfboiler ist ja wie bereits erwähnt, über das ansteckbare Bedienteil aktivierbar. Da ich den Dampf nur ein- bis zweimal täglich nutze, ansonsten nur 3 – 4 Tassen Espresso trinke und die Maschine danach stromsparend jeweils wieder ausschalte, empfand ich das Schalten des Dampfkessel über das externe Bedienteil als recht umständlich.

    Die Lösung für mich war dann ein Zusatzschalter, den mir mein Händler bereits vor der Lieferung der R58 optisch sehr gelungen oberhalb des Originalschalters durch seinen Techniker
    einbauen ließ. Über das Bedienteil habe ich die Heizung des Dampfkessels dauerhaft aktiviert und kann sie jetzt direkt über den Schalter ein- und ausgeschalten.

    Und noch etwas zu der verwendeten 25-pol D-Sub-Steckverbindung. Wenn ich einige Hinweise im Internet recht verstanden habe, wird derartigen Verbindungen nur eine Haltbarkeit von 200 – 250 Trennzyklen zugeschrieben.

    Und um die Steckverbindung durch ständiges Ein- und Ausstecken des Bedienteils nicht frühzeitig ins Nirwana zu schicken, könnte man den Schaltkasten ja ständig an der R58 angesteckt lassen. Aber das ist wegen der Unterbringung des Schaltkastens – wie im Test erwähnt – auch nicht sehr prickelnd.

    Oder man könnte, was ich ja vermeiden möchte, den Stromverbrauch einfach ignorien, die Dampfkesselheizung über den Schaltkasten dauerhaft zu aktivieren und den Schaltkasten danach wieder in der Schublade verschwinden lassen.

    1. Hallo,
      vielen Dank für Ihren nützlichen Beitrag. Bei wem haben Sie den angesprochenen Zusatzschalter einbauen lassen? Heißt das, dass Sie den Dampfkessel damit völlig abgeschaltet lassen, wenn Sie nur Espresso machen wollen?

      Vielen Dank für eine kurze Antwort!

  2. Bei DieCrema, Rhöndorf
    Der Dampfkessel ist dann komplett abgeschaltet.

    Inzwischen habe ich die sämtliche Seitenwände von innen – soweit zugänglich – mit sog. Schwerfolie beklebt, um jegliche Schwingungen und Vibrationen an der Außenseite zu verhindern, die vorher bei meiner R58 – wenn auch nur geringfügig – auftraten und auch hörbar waren.

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