Produktionsbedingungen und Handel

Wer gerne Kaffee trinkt, kommt an Begriffen wie Fair- und Direct-Trade nicht vorbei, doch was verbirgt sich hinter diesen Begriffen und was sagen sie über Geschmack und Qualität aus? In unserer Serie stellt der crema-Autor und Kaffeeexperte Dr. Steffen Schwarz die wichtigsten Wissensgrundlagen vor, für alle, die beim Thema Kaffee mitreden möchten.

Rund 80% des weltweit angebauten Kaffees entstammt der Kaffeeproduktion von kleinen Produzenten und Kleinstfarmern (mit einem Landbesitz von 0,5 ha bis 2,5 ha), die im Nebenerwerb bzw. in einer Subsidiarwirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienen. Nur 20% des weltweiten Ertrags stammt von Farmen größerer Besitzer. Die Gründe dafür sind einfach, Kaffee kann (sofern wir die Qualität dabei außer Acht lassen) grundsätzlich von nahezu jedermann produziert und lagerfähig gemacht werden. So lässt sich auch ohne technische Anlagen und Zugang zu den Konsummärkten in nahezu allen klimatisch geeigneten Gebieten Kaffee produzieren.

Um Kaffee von hoher Güte und mit einem einzigartigen Geschmacksprofil zu erzeugen, benötigt man dagegen die richtigen Arten und Varietäten, geeignete Anbauflächen und Böden, viel Know-how und Technologie in Anbau, Rückschnitt, Düngung, Ernte, Verarbeitung und Lagerung. Hier trennen sich also die Märkte und die Marktpreise rapide auf. Cherries, wie die trocken aufbereiteten Kaffees in Indien heißen, erzielen ohne große Berücksichtigung der Qualität nur geringe Marktpreise und werden von Exporteuren oder deren Mittelsmännern zu Spottpreisen erworben.

Exporteure spielen eine große Rolle

Der FOB-Preis (Free on Board) hat mit dem Preis, den die Farmer erhalten in diesem Falle nichts zu tun, es handelt sich hierbei um den Preis für den Exporteur! Die meisten Produzenten verarbeiten den Kaffee nur bis zur getrockneten Kirsche oder zum Pergamentkaffee, sie verkaufen den Kaffee dann ungeschält und werden daher in lateinamerikanischen Ländern als Pergamineros bezeichnet. Pergamentkaffee wird meist von Zwischenhändlern (sogenannten Cojotes) direkt von den Pergamineros erworben und von dort zu Exporteuren transportiert.

Die getrockneten Kaffeekirschen stellen in den ländlichen äthiopischen Gebieten auch heutzutage immer noch ein Zahlungsmittel dar (Jeffel genannt), mit dem zahlreiche Utensilien des täglichen Bedarfs, die nicht im alltäglichen Tauschhandel bedient werden, erworben werden können.

Zur Exportfähigkeit müssen die getrockneten Kirschen oder der Pergamentkaffee noch geschält, gereinigt, verlesen und nach Größen sortiert werden. All diese Aufgaben übernehmen zumeist Exporteure, die die Kaffees je nach Anfrage auf die gewünschte Qualitätsstufe bringen, was die Anzahl der im Kaffee verbleibenden Defekte und die Größensortierung betrifft.

Die Exporteure stellen die zweite Zahl auf den Kaffeesäcken nach ICO Regelung dar, die erste Zahl steht für das Produktionsland selbst. Die dritte verbleibende Zahl stellt eine laufende Nummer der vom Exporteur in diesem Jahr getätigten Exporte bzw. Verkäufe dar.

Der größte Produzent ist mit erheblichem Abstand Brasilien, mit einem Weltmarktanteil von rund 30%. Auf den nächsten Plätzen folgen in den Top 10 die Länder Vietnam, Kolumbien, Indonesien, Äthiopien, Indien, Mexiko, Honduras, Guatemala und Peru. Die Reihenfolge der letzteren kann sich hierbei von Jahr zu Jahr je nach klimatischen Bedingungen verändern.

Der kleinste Produzent sind die Cookinseln mit einer durchschnittlichen Produktion von ca. 50 Säcken (á 60 kg), knapp davor liegt Gran Canaria mit ca. 70 Säcken, es folgen die Kapverdischen Inseln mit ca. 90 Säcken Jahresproduktion.

Arabica wird am häufigsten angebaut

Rund 65% des Kaffees entfallen auf Coffea Arabica, 34% auf Coffea Canephora und lediglich 1% auf Coffea Liberica. Libericakaffee wird dabei vorwiegend in Malaysia, Liberia und Guyana angebaut. Canephora in den Ländern West- und Zentralafrikas, Südostasien und einigen Regionen Brasiliens (dort wird die Varietät Conillon angebaut). Arabicakaffee entstammt zu größten Teilen Lateinamerika und Ostafrika.

Die am häufigsten angebauten Varietäten sind beim Arabica die Cultivare Catuai und Caturra, Bourbon, SL28, SL34, Lempira und Tipica. Die häufigsten Canephora-Varietäten im Anbau stellen Robusta, Conillon, Ngandae und Bukoba dar. Liberica ist kommerziell nahezu nicht verfügbar, Varietäten sind hier zumeist ungesichert.

Die Verteilung der Arten ist nicht zuletzt ein Ergebnis der frühen Kaffeerost-Epidemien, die sich blitzartig über die Anbauländer Afrikas hinweg verbreiteten und mehrheitlich durch Canephora ersetzt wurden. In einigen Fällen wurde anstelle des Kaffees auch Kakao oder Tee angepflanzt.

Das wohl berühmteste Beispiel hierfür ist Sri Lanka, das ursprünglich im Schwerpunkt ein Kaffeeproduktionsland war und erst als unmittelbares Ergebnis auf die Kaffeerost-Epidemie, die von Hemileia vastatrix ausgelöst wird, fast vollständig auf die Teeproduktion umstellte.

Nahezu unbekannt sind die Produktionsländer Südsudan und USA, obwohl auf Hawaii schon lange Kaffee produziert wird – die Jahresproduktion liegt immerhin bei rund 60.000 Sack (á 60 kg), neu ist jedoch der Kaffeeanbau in Südkalifornien. Der Anbau dort wird auf rund 80 Sack (á 60 kg) geschätzt, er liegt also zurzeit zwischen der Produktion der Kanarischen Inseln und der Kapverdischen Inseln.

Der Export ist ein komplexes Thema

Kaffees können nur mit Exportlizenz exportiert werden, und es ist eine kostenintensive und meist aufwendige Prozedur notwendig, diese zu erlangen. Einige Länder haben auch eine begrenzte Anzahl von Exportlizenzen, um damit den Markt (und die Preise) besser kontrollieren zu können. Exportlizenzen stellen damit auch eine bewusst gesetzte Barriere dar, um nicht jedem Produzenten einen direkten Zugang zum Markt zu ermöglichen und auch, um interessierten Käufern den direkten Zugang zu den Farmern zu erschweren. FOB-Preise, die zurzeit in vieler Munde sind, sind daher in keiner Weise ein relevantes Merkmal, um Aussagen zum geleisteten Kaffeepreis für den Farmer abzuleiten – leider.

Ebenso ist es nicht möglich, auf diesem Wege reale Aussagen über Nachhaltigkeit zu machen, und solche Zahlen und Aussagen werden nun schon von findigen Selbstvermarktungsspezialisten genutzt, um in dieser unzulässig vereinfachten Weise vermeintliche Belege für Nachhaltigkeit zu liefern. Nur der direkte Kontakt zu den Bauern und eine unmittelbare freundschaftliche Zusammenarbeit, die leider nicht so plakativ für Marketing nutzbar ist, schafft reale nachhaltige Lebens- und Arbeitsgrundlagen für die Erzeuger. Hochkomplexe Zusammenhänge lassen sich eben nicht so einfach auf eine einzelne Zahl oder eine einzelne Tatsache reduzieren, ohne dabei dann unstimmig oder falsch zu werden.

Die Hauptaufgabe der Exporteure besteht darin, die von den Importeuren oder Rohkaffeehändlern im Auftrag ihrer Kunden angefragten Kaffeemengen und -qualitäten zum vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. So werden die Kaffees also on demand auf die gewünschte Güte (Handelsklasse) und Siebgröße verlesen und verschifft. Große Lageristen löschen diese Kaffees, die in 20-Fuß-Containern die Konsumländer erreichen, nehmen Proben und lagern die Kaffees im Auftrag der Kunden ein, um den Kaffee dann zum gewünschten Zeitpunkt – auf Wunsch auch weiter nachverlesen, gereinigt oder sortiert – an den Kunden (die Röstereien) abzugeben.

Fairer und direkter Handel

Bei genauer Betrachtung stellen sich daher nun verschiedene Fragen im Handel. So machen Bündelungen von Transporten selbstverständlich Sinn, auch professionelle Lagerung eines hochwertigen Rohstoffes. Insbesondere deswegen, weil Rohkaffee in gemäßigten Temperaturen besser und zumeist frei von Schädlingen gelagert werden kann, was einen großen Vorteil der Vorratshaltung in den Konsumländern hat.

Was ist Fairer Handel, was Direkter Handel, was ist echte und ehrliche Transparenz? Wichtige und immer zentralere Fragen, die vor allem eines nicht beantworten, in wenigen Sätzen oder einem einzelnen Faktor, einer Zahl schlüssig und korrekt Antworten zu geben. Leider wird aber besonders in diesen Themen viel Unwahrheit verbreitet, im Trüben gefischt oder bewusst Missverständnisse herbeigeführt – alles mit dem Ziel eines möglichst guten Marketings, einer nur mit „greenwashing“, „socialwashing“ oder „ethicalwashing“ zu bezeichnenden Grundhaltung vieler Unternehmer und Unternehmen. Realitäten sind egal, es kommt nur auf die Außendarstellung an.

Fair Trade

Leider ist der größte Teil des sogenannten Fairen Handels nicht fair. Es reicht bereits, die von den verantwortlichen Gruppen und Organisationen im Internet veröffentlichten Handels- und Arbeitsgrundlagen nachzulesen, um dies eindeutig festzustellen. Der Direkte Handel ist meist ein Märchen, das viele Kaffeeunternehmen nur zu gerne schützend vor sich halten. Auffallend dabei sind die meist fehlenden Möglichkeiten, direkten Handel zu betreiben in der von den Unternehmen in der hauseigenen Unternehmenskommunikation mitgeteilten Art. Es lohnt sich wirklich, einmal akribisch genau nachzulesen und nachzuschauen, was auf Homepages, in Werbematerialien, Webshops, Zeitungs und Fernsehnachrichten berichtet und bildlich dargestellt wird. Meistens sind bereits hier die offensichtlichen Widersprüche erkennbar.

Direct Trade

Dem Direkten Handel fehlt es an einer allgemeingültigen Definition – vielfach wird vorausgesetzt, dass Direkter Handel die vollständig eigene Abdeckung aller Handels- und Transportschritte darstellt. Dem ist mitnichten so! Direkter Handel setzt einen direkten Kontakt zum Farmer voraus, mit der Möglichkeit, Preis und Qualität unmittelbar zu verknüpfen und auf den Anbau und die Verarbeitung direkten Einfluss zu nehmen, sowohl ökologisch, sozial als auch ökonomisch. Direkter Handel setzt damit ein beiderseits gewachsenes Vertrauen und Verständnis der gegenseitigen Bedürfnisse voraus.

Hierbei ist es jedoch nicht erforderlich, das Schiff selbst zu steuern oder den Kaffee persönlich auszuladen. Es ist allerdings auch ein Irrtum, davon auszugehen, alles über einen transparenten FOB-Preis erklären zu können. Dies ist bereits im Ansatz verkehrt, da die FOB-Preise meist, wie bereits dargestellt, nicht an den Farmer selbst, sondern an einen Exporteur, eine Kooperative oder sonstigen Mittelsmann entrichtet wird. Ebenso lässt sich auf diesem Wege nicht ablesen, welche weiteren Absprachen zur Qualität des Rohkaffees oder sonstige qualifizierende oder zertifizierende Gebühren seitens des Produzenten zu entrichten sind. Ebenso lassen sich keine Rückschlüsse zu den Lebens-, Arbeits- oder Umweltbedingungen auf den Farmen herstellen. Gekonnt jedoch wird auch dies für das Marketing genutzt und quasi als „einzige Garantie für wirklich fairen Handel“ dargestellt.

Bewertungsscores sind nicht allgemeingültig

Auch hier lohnt es sich, genau nachzulesen und mit gesundem Menschenverstand zu bewerten. Als einzig verlässliche Größe für echte Nachhaltigkeit stellen sich für mich die Qualität in der Tasse und der direkte Kontakt zum Farmer dar. Die Qualität lässt sich dabei aber nicht in Scores oder Punkten ausdrücken, da man diese nicht schmecken kann und es aufgrund verschiedener Vorlieben und soziokultureller Verschiedenheit niemals einen sinnvollen Grundkonsens für ein derartiges Schema geben kann.

Bewertungsscores für Kaffee sind wie auch beim Wein und anderen Lebensmitteln perfekt inszenierte Marketinginstrumente, den Kunden und Verbrauchern ohne gereiften persönlichen Geschmack Vorgaben zu machen und höhere Preise rechtfertigen zu können. Der einzig gültige und schlüssige Nachweis zu den auf einer Farm bestehenden Arbeits-, Lebens- oder Umweltbedingungen ist ein persönlicher Besuch vor Ort, der bestätigender ist als jedes Zertifikat und transparenter als jeder FOB-Preis. Geschmacksbeschreibungen und Flavourprofile, die ohne Score und Rating auskommen und lediglich beschreibend die Charakteristiken darlegen, lassen sich naturwissenschaftlich nachvollziehen und erscheinen mir daher sinnvoller als Punkte-Marketing.

Der Autor:

Dr. Steffen Schwarz ist crema-Autor der ersten Stunde und einer der renommiertesten Kaffee-Experten weltweit. Seine Informations- und Schulungsplattform „Coffee Consulate“ gilt als eine der Topadressen für die Kaffeeausbildung in Europa.