Wir alle kennen und lieben Italien für den Lebensstil, die Kultur, die italienische Küche mit ihren facettenreichen Unterschieden von Norditalien bis in den tiefsten Süden und natürlich für die italienische Kaffeekultur.
Von Nord nach Süd
Auch diese ist – wie man erwarten kann und sollte – alles andere als homogen und geprägt von großen Unterschieden, die sich durch das ganze Land ziehen. Während im Norden fruchtiger Espresso bevorzugt wird, der meist aus reinem Arabica in hellerer Röstung zubereitet wird, trinkt man im Süden dunklen Espresso mit einem hohen Anteil an Canephora, der meist mit reichlich Zucker konsumiert wird.
Dolceamaro – süßbitter ist hier eine Lebenseinstellung. Motto hierbei: „Espresso kann niemals zu viel Zucker enthalten, sondern nur zu stark gerührt worden sein“ – oder wie es auch heißt: „Caffè muss knirschen!“ (denn Espresso sagt man in Italien eigentlich nicht – es versteht sich von selbst, dass Caffè ohne weitere Zusatzbezeichnung ein Espresso ist).
Diverse Kaffeegetränke zeichnen Italien und seine Kaffeeregionen aus – vom „Cappuccino Triestino“ (einem im kleinen Glas servierten Cappuccino mit angeschlagener Sahne als Topping über den „Bicerin“ aus Turin (einem Espresso, der im Glas auf Kakao mit flüssiger Sahne serviert wird) bis zum „Espresso sospeso“ aus Neapel. Der Sospeso, ist ein vorbezahlter Espresso für einen bedürftigen Gast, der im Caffè nachfragt, ob ein im voraus bezahlter Kaffee vorhanden ist. So liegt die Last der Unterstützung Bedürftiger nicht allein bei den Kaffeehausbetreibern, sondern jeder kann nach eigenen Möglichkeiten einen Beitrag leisten.
Kaffee bedeutet Vielfalt
Ein wunderbares Prinzip, dass dem Kaffee als Getränk mit verbindendem Geist sehr entspricht und seine Verbindung von Kulturen, Nationen, Religionen und Personen noch weiter unterstreicht. Die Liste der italienischen Kaffeegetränke ist zu lang, um in einer kurzen Aufzählung dargestellt zu werden, der Einfluss der italienischen, espresso-basierten Kaffeekultur, ist heute weltweit größer als jemals zuvor. Allein der „Caffè Espresso“ in seinen diversen langen und kurzen Formen, doppelten Versionen und verschiedensten Brühtemperaturen, Kaffeemischungen und Röstprofilen weist eine nahezu unbegrenzte geschmackliche Bandbreite auf.
Der Kaffee eroberte Italien über Venedig und die gekonnte Inszenierung in den landesweit eröffneten Kaffeehäusern, die zu beliebten Treffpunkten der intellektuellen Eliten, Künstlern und Lebenskünstlern wurden. Aus einfachen Schankstuben, die Bierhäusern glichen, entwickelten sich Paläste, die bis in die heutige Zeit auch architektonisch und kunsthistorisch von großem Wert sind. Zeitgleich zu den Kaffeehäusern entwickelten die Italiener immer ausgefeiltere Zubereitungsmethoden und Techniken – bis heute werden sie nicht müde, Kaffee, seine Zubereitung und seinen Genuss immer wieder neu zu erfinden, ohne dabei das Wesentliche, den Geschmack, außer Acht zu lassen.
DEN Espresso gibt es nicht
Einzigartig ist dabei, dass es keine einheitliche italienische Definition für Espresso gibt und dennoch die DNA dieses Getränks über ganz Italien hinaus in seinem Konsummoment besteht. Es gibt keine einheitliche Technik, keine einheitliche Mischung, keine universell gültige Röstung, Vermahlung, Verdichtung, Extraktion, keine Einheit über die Länge oder Intensität des Getränks, noch darüber, ob und wenn ja, wie der Espresso noch um weitere Zutaten ergänzt wird.
Ein wesentlicher Grundpfeiler der italienischen Kaffeekultur sind die Kaffeehäuser, die als Botschaften der Kaffeekultur und Motoren der Beliebtheit und Bekanntheit des braunen Getränkes betrachtet werden müssen.
Wer Italienischen Kaffee verstehen will, muss ihn erleben – in Italien und in den Kaffeehäusern, die Kaffee zu dem machten, was er heute ist – ein Lebensgefühl und eine Lebenseinstellung, die das gesamte Land durch alle Regionen, alle Andersartigkeit, alle politischen Lager, alle gesellschaftlichen Gruppen verbindet – und nun der Motor der weltweiten Kaffeebewegung geworden ist.
Also – auf nach Italien – auf den Spuren des Caffè!